Sülzer gießen BäumeStadt Köln hält Initiative nur für begrenzt sinnvoll
- Ein Kölner Verein möchte Bäume mit Wasser versorgen, denen die Hitze in den vergangenen Sommern massiv geschadet hat.
- „Das Laub fällt mittlerweile viel früher herunter als in den Jahren vor den Dürre-Sommern“, kommentiert eine Anwohnerin das traurige Bild in Sülz.
- Die Stadtverwaltung unterstützt das Engagement der Bürger, hält aber nicht alles für sinnvoll.
Sülz – Ein großer Wasserschwall schwappt aus der Kanne auf Jonas’ T-Shirt. Der Neunjährige strahlt: „Ich habe gar nicht gewusst, dass Gießen soviel Spaß macht.“ Sein Freund Henry nickt. Kurzentschlossen haben die beiden sich Kannen geschnappt und bei der Aktion geholfen, zu der die „Nachbarn und Freunde des Nikolausplatz“ aufgerufen hatten.
Dabei handelt es sich um den Verein, der das Büdchen auf dem Platz betreibt. Auch Jonas’ Vater ist Mitglied und hat die beiden Jungs auf die gute Idee gebracht, bei der Gieß-Aktion zu helfen.
Die Baumfreunde vom Nikolausplatz sind eine von mehreren Initiativen in der Stadt, die sich um das durstige Grün kümmern. Mit anderen Nachbarn möchten sie die Bäume mit Wasser versorgen, denen die Hitze in den vergangenen Sommern schon massiv geschadet hat – und die schon wieder stark ihre Blätter hängen lassen.
75 Liter Wasser pro Woche
Antje Tesch, eine der helfenden Nachbarinnen, kommentiert das traurige Bild: „Das Laub fällt mittlerweile viel früher herunter als in den Jahren vor den Dürre-Sommern.“ Auch Anwohnerin Andrea Eßfeld macht sich Sorgen: „Die Eberesche sieht schlimm aus, auch die Kornelkirschen. Ich gieße nicht nur heute, sondern einmal wöchentlich mit 75 Litern Wasser.“ Dazu schleppt sie kannenweise Wasser aus ihrer Wohnung auf den Platz.
Büdchen-Vereinsmitglied Stephan Wehrle erklärt, wie sie die Bäume bewässern sollen. „Erst muss das Erdreich bewässert werden und das Wasser ein bisschen einsickern, dann müssen einige Kannen darauf gegossen werden, die weiter versickern.“ Vor allem die dünnen, also die jungen Bäume, sollten bewässert werden. Die Büdcheninitiative hat für die Gießaktion vom Nachbarschaftsverein HinzundKunzt ein Standrohr erhalten, das man auf die Niederflurhydranten im öffentlichen Raum aufschrauben und mit dessen Hilfe man dort Wasser zapfen kann. 50 solcher Rohre, die sie an Bürgerinitiativen verleiht, hat die Stadt. Die HinzundKunzt-Mitglieder haben einen Vertrag bis zum August unterschrieben.
Die Bewässerung der Sülzer Bäume ist geregelt
Und damit das Rohr in der kurzen Zeit möglichst viel zum Einsatz kommt, haben die Hinzundkunzt-Mitglieder eine Whatsapp-Gruppe gegründet, über die es weitergegeben wird. Wehrle schildert den eng getakteten Zeitplan. „Das Standrohr ist morgen am Auerbachplatz und übermorgen am Manderscheider Platz im Einsatz.“ Die Bewässerung der Sülzer Bäume ist geregelt.
In ganz Köln ist Künstler Ingo Burbach aktiv. Er hat im vergangenen Jahr die Initiative „Gießt Kölle“ ins Leben gerufen. „Dabei handelt es sich um eine Aufforderung an die Stadtgesellschaft und die Stadt Köln“, sagt Burbach. Mit anderen Aktivisten gießt er Kölner Bäume. In Lindenthal war zuletzt die Krieler Straße dran, aber Burbach ruft auch dazu auf, den Stadtgarten zu wässern und den Vorgebirgspark. Seiner Meinung nach tut die Stadtverwaltung zu wenig. „Statt nur 50 bräuchten wir 200 Standrohre“, betont Burbach. „Im Jahr 2050 sollen die Temperaturen hier um mehrere Grad gestiegen sein. Da wächst nichts mehr von unseren heimischen Pflanzen. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass so viel wie möglich erhalten bleibt.“
Burbach möchte so viele Stadtbäume mit Wasser versorgen wie möglich, auch die dicken alten, die mit den tiefen Wurzeln. Es sei noch gar nicht erforscht, ob sie sie dann nicht an der Erdoberfläche feine Verästelungen ausbilden, die die Flüssigkeit aufnehmen können. „Ich habe der Verwaltung im Februar ein umfassendes Konzept zum Gießen der Bäume vorgelegt. Leider hat sie sich nicht darauf eingelassen.“
Stadtverwaltung unterstützt das Engagement der Bürger
Die Stadtverwaltung unterstützt das Engagement der Bürger, hält aber nicht alles für sinnvoll: „Wir begrüßen sehr, dass Herr Burbach und andere Bürger sich so engagieren“, sagt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamts. Die Stadt sei sich des Problems bewusst. „Nach zwei trockenen Sommern und zwei Wintern, in denen es wenig geregnet hat, gibt es ein grundsätzliches Defizit, sicher auch bei den alten Bäumen, wenn es tief an ihren Wurzeln trocken ist.“ Die großen Exemplare zu gießen, würde allerdings wenig Sinn machen. „Man erreicht die Wurzelspitzen mit dem Wasser gar nicht.“ Darauf Mengen von Trinkwasser zu schütten, sei Verschwendung. Dass sie neue Wurzeln an der Erdoberfläche ausbilden und sich auf diese Weise mit Wasser versorgen, sei unrealistisch. Die alten Bäume benötigten solche Mengen an Wasser, die feine neue Verästelungen nicht aufnehmen könnten.
„Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass wir uns im Zuge des Klimawandels von einigen Bäumen verabschieden müssen, die an ihrem Standort einfach keine Chance haben. Wenn man die an den Tropf hängt, verlängert man ihr Sterben“, so Bauer. Die Strategie der Stadt sei, sie stattdessen durch andere Baumarten zu ersetzen, die dem Klimawandel besser standhalten. Alle Stadtbäume zu bewässern, ist laut Bauer eine Sisyphosaufgabe. „Wir reden hier von 80.000 Straßenbäumen, 2800 Hektar Grünanlagen und 4000 Hektar Wald“, betont er. Die Stadt habe eine Firma damit beauftragt, die jungen Bäume zu gießen. Zudem hätte sie vier Gießwagen angeschafft. Die Unterstützung seitens der Bürger sei aber sehr willkommen. „Das Konzept, welches Herr Burbach uns vorgelegt hat, hat damals nicht gepasst. Wir müssen schauen, was machbar ist. Aber wir stehen einem neuen Vorschlag sehr offen gegenüber.“