AboAbonnieren

Ärger im VeedelSpielwarenladen in Sülz muss schließen

Lesezeit 4 Minuten

Sophia und Paulina lassen sich von Inhaberin Karin Koeppen (r.) erklären, warum der Laden schließen muss.

Sülz – Karin Koeppen geht in diesen Tagen durch ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits erlebt sie rührende Momente, andererseits hat sie eine ziemliche Wut im Bauch. „Geschäftsaufgabe“ steht auf großen roten Aufklebern im Schaufenster ihres Spiel- und Schreibwarenladens an der Ecke Berrenrather Straße/Wittekindstraße.

Das schreckte viele Menschen im Viertel auf. „Wir wollen nicht, dass Sie gehen“, sagen traurig die Kinder Sophia und Paulina (beide neun Jahre alt), die im Laden vor ihr stehen, während eine langjährige Kundin sich gerade in die Unterschriftenliste der Spielwarenladen-Unterstützer einträgt.

Ausgerechnet zur Adventszeit

Koeppen ist gerührt von so viel Zuspruch. Denn freiwillig ist die Geschäftsaufgabe nicht. Der Laden läuft gut, nicht zuletzt weil auch viele Modelleisenbahnfreunde den Laden als Fachgeschäft kennen. Koeppen beschäftigt vier Mitarbeiterinnen. Doch der Hausbesitzer hat ihren Mietvertrag gekündigt. Und während alle anderen Spielwarenläden die für diese Branche wohl wichtigste Zeit des Jahres mit Spitzenumsätzen feiern, heißt es bei Koeppen „20 Prozent auf alles“.

Ausgerechnet vor der Adventszeit, muss sie damit beginnen, ihren Laden abzuwickeln. Keine schöne Bescherung.

Karin Koeppen vermutet, dass der Besitzer des Hauses mit ihrem Nachmieter mehr Geld verdienen kann. Ein Sprecher der GSK Cityimmobilien GmbH mit Sitz am Ebertplatz bestätigt das und sagt: „Wir haben ein Angebot erhalten, das aus kaufmännischer Sicht lukrativer war.“ Der neue Mietvertrag sei bereits unterschrieben. „Im April 2016 eröffnet an der Wittekindstraße 42 eine vegane Eisbar“, verrät der GSK-Sprecher.

Koeppen dazu: „Ich weiß nicht einmal, warum man zunächst nicht mir einen neuen Mietvertrag zu veränderten Konditionen angeboten hat. Ich hatte keine Chance. Das ist schon deprimierend.“ Dem widerspricht der GSK-Vertreter: „Frau Koeppen hat nicht das Gespräch mit uns gesucht.“

Auf die Eisdiele freut die Sülzerin Kerstin Seitz sich nicht „Als hätten wir davon nicht schon genug“, sagt sie. Sie ist eine von vielen Sülzer Bürgerinnen und Bürgern, die kein Verständnis dafür haben, dass man Koeppen gekündigt hat. „Immer mehr Einzelhandelsfachgeschäfte müssen schließen. Hier kann man sich bald nur noch die Nägel machen lassen und danach essen gehen“, schimpft sie.

Das Einkaufsviertel an der Sülzburgstraße und der Berrenrather Straße nehme schon seit einigen Jahren keine gute Entwicklung. „Wir sind auf dem besten Weg zur Amüsiermeile zu werden. Dabei ist das hier ein gewachsenes Wohngebiet und außerdem einer der kinderreichsten Stadtteile Deutschlands. Wir brauchen das Spielwarengeschäft und die Schreibwaren“, sagt Kerstin Seitz.

Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Sülz-Klettenberg (ISK), Sebastian Berges kann Koeppen nicht helfen, bedauert aber die Schließung und bestätigt die Einschätzung der Anwohner. Er zählt auf: „Wir hatten einen Laden für Haushaltswaren, ein Hut- und Schirmgeschäft, Herrenausstatter, eine Schrauben und Werkzeughandlung und mehrere Metzgereien. Alle mussten schließen. Die Landschaft hat sich spürbar verändert.“

Berges nennt dafür zwei Gründe. Zum einen verschwänden nicht mehr zeitgemäße Angebote. Zum anderen könnten sich viele die Mietpreise für Ladenflächen nicht mehr leisten. Die „Gentrifizierung“ des Stadtteils macht vor Geschäftsimmobilien nicht Halt. „Schon vor einigen Jahren hatten wir deshalb eine Versammlung mit dem Haus- und Grundbesitzerverein. Dabei wurde deutlich, dass viele Hauseigentümer der Erbengeneration gar nicht mehr im Veedel leben. Denen ist egal, was hier passiert. Da muss nur die Rendite stimmen.“

Die ISK wünscht sich da mehr Unterstützung von der Stadt, die ja im Jahr 2013 ein Einzelhandelskonzept veröffentlicht hatte, das solchen Entwicklungen vorbeugen sollte. Doch deren Einfluss ist begrenzt. Die Leiterin des Amts für Stadtentwicklung und Statistik, Maria Kröger, erläutert: „Nimmt man Köln insgesamt in Blick, dann muss man sagen, die die Einzelhandelsstruktur in Sülz und Klettenberg vergleichsweise hervorragend ist. Dennoch beobachten auch wir den Rückzug von Fachhandelsgeschäften.“

Die Nachfrage ist groß

Das Einzelhandelskonzept nennt Zahlen. In Sülz und Klettenberg sind die Verkaufsflächen von 27.790 Quadratmetern im Jahr 1983 um mehr als die Hälfte, auf 13.285 Quadratmeter im Jahr 2008 geschrumpft. Kröger empfiehlt den Einzelhändlern, sich über ihre Interessengemeinschaften mit den Hauseigentümern an einen Tisch zu setzen, um lebensfähige Konzepte für die Stadtteile zu entwickeln. „Wir haben da keinen Einfluss. Die Händler müssen sich organisieren“, sagt sie.

Auf mangelnde Nachfrage ist die Schließung des Spielwarenladens wahrlich nicht zurück zu führen. Unentwegt geht die Ladentür. Zwischen den Regalen mit Stofftieren, Playmobil, Modelleisenbahnen, Geschenkpapier und Gesellschaftsspielen herrscht reges Gedränge. Koeppen möchte eigentlich weitermachen und sucht ein Ladenlokal in Nähe ihres alten Standorts. Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs öffnete das Geschäft an der Ecke von Berrenrather- und Wittekindstraße. „Der ist jetzt älter als 60 Jahre. Ich bin schon als Kind hierher gekommen und habe immer davon geträumt hier zu arbeiten“, sagt Petra Braun. Sie arbeitet sie seit mehr als 35 Jahren in dem Laden, so lange wie Karin Koeppen Inhaberin ist.

Doch die Suche nach einem alternativen Ladenlokal wird wohl schwierig. „Was ich bisher gesehen habe, ist entweder zu teuer oder zu weit weg“, sagt Karin Koeppen schon leicht resigniert. Vielleicht zeichnet sich aber doch eine Lösung ab. Die GSK City-Immobilien hätte nämlich ein Ladenlokal anzubieten. Ihr Sprecher berichtet dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Da wird in nächster Zeit eins frei. Frau Koeppen müsste halt mal mit uns reden.“