Stetes Training statt kurzlebiger Neujahrsvorsatz: In einem Fitness-Studio in Sülz sind ältere Menschen mit Ausdauer bei der Sache.
Fit ab 50In einem Sülzer Salon trainieren sogar Über-90-Jährige
Ingeborg Spoerer sitzt. Nicht auf dem Fernsehsofa oder im Lesesessel, sondern am sogenannten Rhomboflex, einem Trainingsgerät für die Arme. Zweimal in der Woche betritt die 88-Jährige ein Haus am Sülzgürtel, wo schon die Außenbeschriftung erahnen lässt, dass es sich um ein etwas anderes Fitness-Studio handelt. „Fit im Salon“ ist deshalb besonders, weil es keine jungen Mitglieder gibt; dafür aber sogar über 90-Jährige, die definitiv keine „Karteileichen“ abgeben, sondern sogar mehrmals in der Woche am Gerät zu sehen sind.
„70 Jahre“, antwortet die Dame im schwarzen Rollkragenpulli, ohne überlegen zu müssen auf die Frage, wie lange sie bereits Sport treibe. Sie habe immer schon Gymnastik gemacht, betont sie, während sie mit ihren Oberarmen zwei gepolsterte Widerstände nach hinten drückt.
In ein paar Metern Entfernung sitzt eine 92-Jährige auf dem Ergometer und tritt gleichmäßig in die Pedale. „Wenn ich gut bin, komme ich dreimal die Woche.“ Einmal in der Woche sei jedoch zu wenig, das bringe nichts, ist die Kölnerin überzeugt. Zu ihrem Programm gehören neben dem Ausdauertraining am Gerät auch Kurse, die auf „Gleichgewicht und Reaktion“ abzielen und durchaus herausfordernd seien. „Man muss was tun, in meinem Alter.“ Wer sich hinsetze, laufe Gefahr, sitzen zu bleiben.
Radfahren auf der Stelle statt Tennis spielen und Radfahren
Auch eine Nachbarin, die den kürzesten Weg zum Training hat, weil sie oben im Haus wohnt, ist das, was man eine Überzeugungstäterin nennen würde. Sie sei ihr ganzes Leben in Bewegung gewesen. Früher habe sie Tennis gespielt und sei regelmäßig gejoggt. Das gehe nicht mehr, sagt die 85-Jährige. Dafür fährt sie nun dreimal die Woche eine halbe Stunde auf der Stelle Rad und betätigt sich danach noch 30 Minuten an den Geräten.
Sie und die anderen aktiven Senioren haben das vom Mediziner und Rückenspezialisten Dietrich Grönemeyer ausgegebene Motto „Turne bis zur Urne“ verinnerlicht. Das gilt auch für Monika und Karl Henßler. Das Wort Neujahrsvorsätze ist dem Lindenthaler Ehepaar fremd. „Wir machen das von innen heraus, sagt die 83-Jährige. „Und wenn einer von uns beiden mal keine Lust hat, spornen wir uns gegenseitig an.“ Ihr Mann, 87, habe Arthrose in den Knien. Umso wichtiger sei es, die Wirbelsäule zu trainieren, damit diese einen noch möglichst lange tragen könne.
Motivation ist, so lange wie möglich selbstbestimmt leben zu können
Der Wunsch, so lang wie möglich selbstbestimmt und autark leben zu können, ist nach Angaben von Mareike Kalkowski für viele ältere Menschen Motivation genug. Die 49-jährige Physiotherapeutin freut sich darüber, dass sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass Krafttraining gerade im Alter unverzichtbar ist. „Wir haben Mitglieder, die erst mit Mitte 80 angefangen haben.“
Als sie im Januar 2014 gemeinsam mit ihrer Schwägerin Simone Kalkowski das Fitness-Studio für über 50-Jährige eröffnete, war das Thema auch medial noch nicht so präsent wie inzwischen. Inzwischen geht es also nicht nur darum, sich weniger „eingerostet“ fühlen zu wollen, sondern darum, auch vorbeugend etwas zu tun, um möglichst lange eine gewisse Lebensqualität beibehalten zu können.
Krafttraining bei den Riehler Heimstätten als Initialzündung
Mareike Kalkowski, die über Zusatzqualifikationen im Bereich Krankengymnastik am Gerät, Sportphysiotherapie und Yoga verfügt, hatte die Idee für ihr heutiges Studio schon sehr früh. Als sie während eines Ausbildungspraktikums in den Riehler Heimstätten den Krafttrainingsbereich sah, der auch von Nicht-Heimbewohnern genutzt werden konnte, wusste sie, wie sie ihre Selbstständigkeit gestalten würde . „Ich fand das dort großartig.“
Auf die Frage, worin sich ihr Trainingsort – abgesehen vom Alter der Mitglieder – von herkömmlichen unterscheide, verweist die 49-Jährige als Erstes auf die „andere Atmosphäre“, die man sofort merke. Sie bezieht das nicht allein auf fehlende Fernsehbildschirme oder Fitness-Klamotten wie aus der Werbung. Ältere Menschen hätten nicht mehr „diesen speziellen Ehrgeiz“. Der Körperformungsgedanke spiele eine untergeordnete Rolle. Obwohl: „Die Winkeärmchen will man auch mit 90 nicht!“ Also ran, ans Gerät.
Während Kalkowski spricht, schiebt sich ein Rollator durch die Eingangstür und mit ihm eine weit über 80-Jährige, die ebenfalls schon seit langem Mitglied ist. Anders als vor ihrer Selbstständigkeit freut sich Kalkowski bei ihrer jetzigen Klientel über die weitaus stärker ausgeprägte Eigenverantwortlichkeit.
Anders als viele Patienten in den Physiotherapie-Praxen hätten die Menschen, die zum Sülzgürtel kommen, nicht die Erwartungshaltung an sie, von ihr „gesund gemacht zu werden“, sondern wollen sich selber um ihr Wohlergehen kümmern. Und dabei hätten sie – ungeachtet der Devise, dass man nie „nie“ sagen solle – eines begriffen: Zum Anfangen ist es nie zu spät.