Das Uni-Center beherbergt rund 2000 Bewohner und feiert dieses Jahr 50-jähriges Bestehen – und es wird für viele Millionen Euro saniert.
Eins der größten Wohnhochhäuser EuropasKölner Uni-Center wird 50 – so lebt es sich über den Dächern der Stadt
Leise und schnell arbeitet sich der Aufzug hoch in den 30. Stock. Als am Ende eines langen Flures Erik Amaya seine Tür öffnet, kann die Vorführung beginnen. Auf der einen Seite seiner Wohnung lassen bodentiefe Panoramafenster den Blick bis weit in den Rhein-Erft-Kreis schweifen, auf der anderen Seite grüßen in der Ferne das Bergische Land, Leverkusen und natürlich der Dom. Die Luxemburger Straße durchzieht die Szene wie ein graues Band voller Spielzeug-Autos. Das ist Köln aus der Perspektive eines Heißluft-Ballons.
Seit elf Jahren wohnt Erik Amaya im Uni-Center, der riesigen Wohnburg an der Ecke Luxemburger Straße und Universitätsstraße. Mit einer kleineren Mietwohnung fing er an, mittlerweile hat er sich zu 140 Quadratmetern schick saniertem Eigentum in etwa 100 Metern Höhe vorgearbeitet. Es ist ein Leben scheinbar fernab des Alltags. Der 43-Jährige spricht von einem Gefühl der Freiheit.
50 Jahre alt wird das Uni-Center in diesem Jahr. Wer an dem Koloss mit den drei Flügeln und dem zentralen Wohnturm vorbeispaziert oder direkt daneben wohnt, fühlt sich wohl eher eingeengt als befreit. Fernsicht gibt es nur nach der Fahrt in einem der zwölf Aufzüge, die allerdings Besuchern nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Bevor sich die Türen zu den Liftbereichen öffnen, ist eine Anmeldung beim Pförtner nötig. Der wiederum fragt vorher telefonisch beim Bewohner an, ob der Gast denn auch erwünscht ist.
Köln-Sülz: Uni-Center ist eines der höchsten und größten Wohnhäuser Europas
Das 135 Meter hohe Bauwerk mit bis zu 45 Etagen ist nach Angaben der Hausverwaltung eines der höchsten Wohnhäuser Europas, mit rund 2000 Bewohnern aus mehr als 60 Nationen eines der größten obendrein. Von Januar 1971 bis August 1973 ließ die Firma Deba Wohnbau das Gebäude errichten, Kosten: rund 90 Millionen D-Mark. Anfang der 1970er Jahre war von einer „Dominante im südlichen Stadtgebiet“ und einem „kühnen Experiment“ die Rede.
Das Justizzentrum gehört zu den Gebäuden ähnlichen Kalibers, die später in direkter Nachbarschaft entstanden. Hochhäuser standen in den 1960er und 1970er Jahren hoch im Kurs, sie galten als modern, günstig und sparsam im Flächenverbrauch. Später war eher das Eigenheim im Grünen gefragt. Köln wollte mithalten mit Städten wie Frankfurt oder Düsseldorf, die in die Höhe wuchsen.
Das städtebauliche Konzept des damaligen Baudezernenten Werner Baecker sah vor, an den großen Ausfallstraßen Hochhäuser rund um die niedrigere Bebauung in der Innenstadt zu gruppieren - ähnlich dem Rand einer großen Schüssel. Der Wohnturm im Sportpark Müngersdorf entstand ebenso nach diesem Muster wie das Herkuleshaus in Neuehrenfeld, das Bull-Hochhaus in Mülheim oder die Funkhäuser am Raderberggürtel.
Uni-Center beherbergt fast 1000 Wohneineinheiten
Das Uni-Center ist ein gestapeltes Dorf mit insgesamt 954 Wohneinheiten. Kein Wunder, dass es früher sogar mal eine eigene Zeitung für das Uni-Center gab. Zwei Gebäudeflügel bestehen aus Eigentumswohnungen, die zum Teil weitervermietet werden. Den dritten Flügel vermietet das Kölner Studierendenwerk. Die 378 möblierten Apartments sind 14 oder 24 Quadratmeter klein, doch zur Uni ist es nur ein Katzensprung.
Zu den Uni-Center-Bewohnern der ersten Stunde zählt Franz-Jürgen Schrowangen. Die Wohnung, die er 1973 bezog, befand sich im 13. Stock. Andere ließen sich von der Unglückszahl abschrecken, ihm war es egal. Wenige Jahre später zog er weiter in den 34. Stock, wo er noch heute lebt. „Ich bin nie der Typ für ein Häuschen mit Garten gewesen“, sagt der 82-Jährige. Stattdessen ist seine Wohnung, wie die von Erik Amaya, auf zwei Seiten mit langen Balkons ausgestattet.
Beide Bewohner bescheinigen Uni-Center-Architekt Werner Ingendaay eine raffinierte Planung: „Die Sonne steht im Winter tief und scheint herein, im Sommer steht sie hoch, wird aber durch die Balkons abgeschirmt.“ Zum Konzept des Uni-Centers gehörte auch eine Rundum-Versorgung vor Ort. Noch heute reihen sich im Erdgeschoss Geschäfte und Restaurants dicht an dicht.
Großes Gastro-Angebot und Barrierefreiheit
„In den ersten Jahren war die Infrastruktur unten aber wesentlich besser“, sagt Franz-Jürgen Schrowangen. Weder die Buchhandlung noch die Metzgerei oder das „Kino im Uni-Center“ seien noch da. Seine Tochter sei als Kind sogar in einem hauseigenen Kindergarten betreut worden. Auch das Schwimmbad mit Sauna im dritten Stock ist Geschichte. Dennoch schätzen Schrowangen und Amaya die Infrastruktur. Dazu zähle die 24 Stunden besetzte Rezeption, eine Abwurf-Anlage für Hausmüll und eine Tiefgarage. Ein Plus sei auch die rollstuhlgerechte Ausstattung der meisten Wohnungen, so Erik Amaya: „50 Jahre Uni-Center heißt 50 Jahre Barrierefreiheit.“
Zu den Schattenseiten gehören Mordfälle wie der an einem Rollstuhlfahrer, der 1988 von Unbekannten mit einer Plastiktüte erstickt wurde, Selbstmorde und Brände. 1977 durchsuchten GSG-9-Beamte das Uni-Center nach RAF-Terroristen. Als anonym und beklemmend wird der Wohn-Koloss in der Verfilmung von Heinrich Bölls Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ aus dem Jahr 1975 dargestellt.
Erik Amaya will das Image des Hochhauses so nicht stehen lassen. „Wenn man mit anderen nichts zu tun haben möchte, kann man sich aus dem Weg gehen“, sagt er. Doch es gebe durchaus eine lebendige Hausgemeinschaft. Er selbst engagiert sich im Beirat der Eigentümergemeinschaft, außerdem gebe es einen Bewohner-Stammtisch und eine eigene Unicenter-Facebook-Seite. Die Bewohner kümmerten sich um ihre außergewöhnliche Immobilie.
Das sind die Pläne für die Sanierung des Uni-Centers
Laut Verena Elsner, Mitarbeiterin des Immobilienverwalters Reanovo, wird das Uni-Center seit Jahren saniert, bis 2024 beispielsweise soll der Brandschutz ertüchtigt sein. Dabei soll auch das Foyer samt Passage neu gestaltet werden. Bislang hat die Brandschutzsanierung rund zehn Millionen Euro gekostet.
Von außen gut sichtbar sein wird die Fassadensanierung, sie folgt ab nächstem Jahr auf die Arbeiten am Brandschutz. Elsner teilte mit: „Im Anschluss daran wird die Fassade komplett neu gestrichen. Hier reden wir allerdings insgesamt von einem Zeitrahmen von weit mehr als fünf Jahren.“ Das wären also die Jahre nach 2029. Nach aktuellem Stand sind dafür 13 Millionen Euro eingeplant, laut Elsner handelt es sich dabei aber um ungefähre Zahlen.
Anwohner verteidigt Uni-Center gegen schlechten Ruf
„Jeder soll so leben, wie er möchte und ich möchte so leben“, sagt Erik Amaya. „Ich habe mich hier immer wohlgefühlt“, sagt auch Franz-Jürgen Schrowangen. Ulrich Krings, ehemaliger Kölner Stadtkonservator, hält das Uni-Center für ein „Kind seiner Zeit“. Doch es werde gut gepflegt, sei gut in Schuss. Für ihn ist es Zeit, es unter Denkmalschutz zu stellen.