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Inspiration durch WidrigkeitenMaf Räderscheidt präsentiert surrealistische Werke in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Maf Räderscheidt vor dem Gemälde „Die Wurzeln des Kartenhauses meiner Geschichte“ im Studio Novo Artspace.

Maf Räderscheidt vor dem Gemälde „Die Wurzeln des Kartenhauses meiner Geschichte“ im Studio Novo Artspace.

Die Malerin Maf Räderscheidt zeigt in einer neuen Ausstellung Ölgemälde und Siebdrucke, inspiriert von Krankheit und aktuellem Weltgeschehen.

Beleidigungen können inspirierend sein. Die Künstlerin Maf (eigentlich Martha Angelika Felicitas) Räderscheidt hat eine „kleine rotgrün versiffte Landschaft“ gemalt, weil sie mit den gleichen Adjektiven herabgewürdigt wurde, „um zu zeigen, wie schön es ist, differenziert zu denken“, sagt sie, „frei und leicht zu sein.“ Mit verdünnter Ölfarbe hat sie ein transparent schimmerndes Miteinander aus Bergwäldern, Wiesen und Hölzern geschaffen, in Rostrot, Oliv und Flaschengrün. Darüber hängt eine leuchtend rote Wolke, wie von einem Sonnenuntergang beschienen.

Das Gemälde gehört zu den neuen Werken in ihrer Ausstellung „Lebenslinien“, die am Freitag, 21. März, in der Galierie Studio Novo Artspace an der Sülzburgstraße eröffnet.

Die „kleine rotgrün versiffte Landschaft“.

Die „kleine rotgrün versiffte Landschaft“.

Vielschichtige Tarotkarten-Bilder

Die Ölgemälde sind besonders, mit ihrer Transparenz und Vielschichtigkeit. Gegenstände und Figuren, schimmern unter Farbschichten hindurch, bilden ein unwirkliches und mysteriöses Miteinander. Sie male die Realität, sagt Räderscheidt. „Dadurch bin ich automatisch eine surrealistische Malerin. Die Welt mit ihren Kriegen ist mittlerweile völlig surreal.“

Linien sorgten im Leben für Halt, daher der Titel der Ausstellung. Zuletzt waren es lebenswichtige, auf dem Monitor in der Intensivstation eines Krankenhauses, wo Räderscheidt nach einer Sepsis um ihr Leben kämpfte: Sie zeigten Herzfrequenz und Pulsschlag einer Frau im Koma, abgetaucht ins Unterbewusstsein. Wieder aufgetaucht unter dem Einfluss von Morphium hatte Räderscheidt einen speziellen Blick auf die Welt

„Da sieht man alles mehrschichtig“, schildert sie. „Und dann fangen beide Gehirnhälften an, sich ganz gemütlich gegeneinander auszuspielen. Aus diesem Prozess heraus zu malen entlässt eine ganz andere Art von Ehrlichkeit.“ Noch im Genesungsprozess entstanden die ersten Bilder. Die neue Malerei verblüffte auch ihre Familie. „Wenn man die Bilder bei unterschiedlicher Beleuchtung betrachtet, sieht man ganz unterschiedliche Dinge“, kommentiert ihr Mann Stephan Everling.

Räderscheidt möchte, dass die Betrachter und Betrachterinnen die Gemälde wie eine Tarotkarte benutzen, etwas Eigenes darin entdecken, egal, ob der Inhalt kritisch, politisch, albern, lustig oder erotisch ist. Räderscheidt hat selbst schon viele Perspektiv- und Richtungswechsel vorgenommen.

Kleine Radierungen und Schneewittchen-Performance

Die Enkelin der berühmten Kölner Künstler Anton Räderscheidt und Marta Hegemann, studierte Malerei an den Kölner Werkstätten und hatte zunächst mit kleinen Radierungen große Erfolge. Das war ihr unheimlich: „Ich kannte von meinen Großeltern, dass man für die Kunst leiden muss. Ich habe aber mit Anfang 20 richtig Geld verdient.“ Sie beschloss, fortan keine Radierungen mehr zu fertigen. „Ich war jung, ich war dumm und ich brauchte kein Geld“, sagt sie heute.

Räderscheidt verlegte sich auf Performances, mit feministischem Inhalt, gerne spektakulär: In den 80er-Jahren wartete sie als Schneewittchen, gekleidet in ein Hochzeitskleid aus Binden und Tampons, in einem Plexiglassarg auf ihren Einsatz, um sich mit einer Bohrmaschine daraus zu befreien. Der Plan scheiterte, weil das schmelzende Wasser von aufgestellten Eisblöcken in die Stromzufuhr für den Elektrobohrer lief. Die Performance und Maf selbst wurden dadurch gerettet, dass ein mannshoher Zwerg betrunken von der Leiter in den Sarg fiel, der zerbarst und sie sich an ein darüber schwingendes Trapez retten konnte und von dort in Arme des weiblichen Prinzen.

Malerei und Grafik

Später verlegte sie sich wieder auf Grafik und Malerei, und besaß schließlich in ihrem Atelier in Schleiden ein umfassendes Lebenswerk, das die Flut im Ahrtal 2021 mit sich riss. „Die Wurzeln des Kartenhauses meiner Geschichte“, eines der neuen Bilder, erzählt von der Vergänglichkeit scheinbarer Sicherheit und dem festen Halt, den Kunst geben kann. Die ebenfalls nötige weibliche Kraft thematisiert Räderscheidt in neuen Siebdrucken. Sie zeigen Frauen begleitet von Tierfiguren, die das Wehrhafte symbolisieren, Schutz, innere Stärke. „Wir Frauen“, so Räderscheidt, „müssen heute in vielen Situationen lernen, mit der Welt, die uns umgibt, anders umzugehen.“


„Lebenslinien“ von Maf Räderscheidt, eröffnet in der Galerie Studio Novo Artspace, Sülzburgstraße 189, am Freitag, 21. März, und am Samstag, 22. März, jeweils 18 bis 22 Uhr.