Versunkene StadtteileKrieler Herrlichkeit mit kleinem Dom

Die alte Kirche St. Stephanus, der Krieler Dom.
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Lindenthal – Heute ist es Grenzgebiet. Wo adrette Häuschen schmale Straßen säumen, die auf eine hübsche romanische Kirche zulaufen, verläuft die Grenze zwischen Sülz und Lindenthal. Ob sie nun zu dem einen oder anderen Stadtviertel gehören, darüber sind sich die Anwohner nicht einig. Doch eines steht für alle fest: Wer rund um das Krieler Dömchen wohnt, ist auf jeden Fall Krieler – auch wenn das Viertel schon lange auf keinem offiziellen Stadtplan mehr zu finden ist. Das kleine Gotteshaus, das mit seinen stabilen romanischen Mauern ein bisschen wie ein speckiges Kirchenbaby wirkt, stiftet Identität. Es steht für die eigene uralte Geschichte, die dieses Fleckchen Köln hat. „Das Krieler Dömchen ist die emotionale Mitte unseres Viertels“, sagt der Krieler Werner Beutler, ehemaliger Geschichtslehrer am Schillergymnasium. Warum die kleine Kirche St. Stephanus im Volksmund Krieler Dömchen heißt? „Das hat sich irgendein Spaßvogel ausgedacht, zu den Zeiten, als Kriel noch nicht zu Köln gehörte. Er hat gedacht, wenn die Kölner ihren Dom haben, dann haben wir hier mit unserer Kirche unser Dömchen“, erzählt Beutler. Immerhin hat sie wegen ihres ehrwürdigen Alters den Vergleich verdient: Sie wurde etwa im 10. Jahrhundert erbaut und zählt somit zu den ältesten Kirchen Kölns. Sie gehörte zu einem Gutshof, aus dem später der Kölner Vorort Kriel erwuchs.
Treffen mit Kaiser Karl
Der Krieler Hof wurde im 12. Jahrhundert erstmalig urkundlich erwähnt und gehörte dem Kölner Stift St. Gereon. Er diente dazu, die Stiftsherren mit Nahrungsmitteln wie Getreide, Eier und Fleisch zu versorgen. Aus der Zeit, als die hofeigene Kirche noch ein Holzbau war, stammt eine Legende, die heute gern in Schulen des Viertels erzählt wird. Danach hat Kaiser Karl der Große den ersten Erzbischof Kölns, Hildebold, in eben dieser kleinen Kirche kennengelernt (siehe Kasten). Mit der Zeit bildete sich um den Krieler Hof und die Kirche ein Dorf. Im Mittelalter gab es besondere Formen der Verwaltungseinheiten, sogenannte Ämter und Herrlichkeiten, die den Obrigkeiten Steuern zu entrichten hatten. So kommt es, dass in alten Urkunden passend zum Selbstverständnis der heutigen Krieler Bevölkerung von der „Herrlichkeit Kriel“ die Rede ist. Lange blieb Kriel ein kleiner ländlicher Ort weit vor den Toren der Stadt Köln.
1794 zogen die französischen Revolutionstruppen ein und sorgten für die erste große Veränderung: die Säkularisierung. Sie entzogen der Kirche den Besitz zugunsten des Staates.
Nur kurz gehörte das linksrheinische Köln zu Frankreich, und Kriel zur „Mairie de Efferen“, wo der Bürgermeister „Maire“ genannte wurde. Nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig hatte der Spuk ein Ende, und Köln fiel nach dem Wiener Kongress an Preußen. Die preußische Verwaltung übernahm die französischen Bürgermeistereien. Kriel gehörte danach zur Bürgermeisterei Efferen, blieb aber als Gemeinde bestehen. Mitte des 19. Jahrhunderts begann der Ort Kriel sich zu verändern. Die einsetzende Industrialisierung zog viele Menschen aus der Eifel und der Umgebung nach Köln. Der Wohnraum in der Stadt wurde knapp. Die Gutsbesitzerfamilie Thelen, die den Krieler Hof mittlerweile übernommen hatte, stellte die Landwirtschaft ein, parzellierte die Ländereien und vermietete die Anlage als Wohnstätte. 1831 wurde neben dem Dömchen ein Pfarrershaus gebaut. 1836 entstand auch eine „Zwergenschule“.
Um ein vielfaches größer
Das war zehn Jahre bevor der erste Grundstein des Vorortes Lindenthal gelegt wurde. Im Vergleich zu den Nachbarorten hob sich Lindenthal dadurch ab, dass es ein reines Wohnviertel mit viel Grün war. Wenige Jahre nach seiner Gründung zählte Lindenthal schon 2662 Einwohner. Das war ein Vielfaches der Bevölkerungszahl des benachbarten Kriel (126). Aber auch hier ließen sich wohlhabende Bürger nieder: Der Oberlehrer Peter Joseph Roeckerath, der mit Grundstücksgeschäften und einer Ziegelei ein Vermögen gemacht hatte und später ein einflussreicher Politiker der Zentrumspartei wurde, baute in der Nähe des Krieler Dömchens ein herrschaftliches Haus, die Villa Roeckerath, die lange das Erscheinungsbild des Ortes prägte – bis sie von den Eigentümern aufgegeben wurde und der sich verdichtenden Bebauung weichen musste. 1888 wurden Kriel und Lindenthal nach Köln eingemeindet – und der viel kleinere Ort wurde endgültig Teil des größeren Lindenthal. Die Pfarrgemeinde Kriel blieb jedoch bestehen. Sie umfasste das Gebiet zwischen Bachemer Straße, Mommsenstraße, Beethovenpark und Militärring. Bald schon wurde das kleine Dömchen zu eng für die Gottesdienstbesucher aus dem stetig wachsenden Gebiet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in unmittelbarer Nachbarschaft zum Krieler Dom die Kirche St. Albertus Magnus gebaut. Nach ihr ist auch die Gemeinde mittlerweile benannt. Das Krieler Dömchen und die alten Legenden erinnern die Menschen jedoch auch heute noch daran, dass sie nicht Sülzer oder Lindenthaler sind, sondern Krieler.