Lymphdrüsenkrebs Hodgkin LymphomNeue Hoffnung dank Kölner Forschung

Professor Andreas Engert mit Patientin Lydia Fahrenbruch.
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„Ein Quantensprung in der Tumor-Bekämpfung.“ So bewertet Professor Andreas Engert das neue Medikament gegen den bösartigen Lymphdrüsenkrebs Hodgkin Lymphom. Noch vor 40 Jahren brachte diese Krebsart unweigerlich den Tod. Heute können mehr als 80 Prozent der Betroffenen geheilt werden. Dass sie auch immer weniger Nebenwirkungen behandelt werden können, ist maßgeblich der Deutschen Hodgkin Studiengruppe an der Uniklinik Köln zu verdanken.
Sie treibt weltweit führend Entwicklungen zu Verbesserung der Behandlung voran. Als deren Leiter hat Engert mit der Studiengruppe an der Schaffung und Erprobung des neuen Medikaments mitgearbeitet. Nun kann er verkünden, wie erfolgreich es wirkt: „Wir erwarten, dass damit mittelfristig Chemo- und Strahlentherapien zumindest teilweise ersetzt werden.“ „Ein Riesenfortschritt“, so das Urteil von Professor Martin Dreyling vom Universitätsklinikum München. Er hatte zwar an dieser Studie nicht teilgenommen, setzt das Medikament aber nun in einer neuen Studie auch in München ein und ist sich sicher: „In fünf Jahren wird es Standardtherapie sein.“
Deutlich weniger Nebenwirkungen
Eine Aussicht, die Patienten schätzen werden. Strahlen- und Chemotherapien in der Krebsbehandlung haben immer noch deutlich Nebenwirkungen, die auch zu Spätschäden führen können wie Herz- und Lungenschäden, vorzeitiger Menopause oder Unfruchtbarkeit. Traum der Forscher ist es, ausschließlich den Tumorzellen mit zielgerichteten Medikamenten den Garaus zu machen. Dem ist die Studiengruppe nun ein bedeutendes Stück näher gekommen.
Bereits Ende der achtziger Jahre hatte Engert drei Jahre lang in London am renommierten Imperial Cancer Research Fund nach Möglichkeiten gesucht, wie sich ein Wirkstoff mittels eines Antikörpers ausschließlich an eine Tumorzelle heften lässt, dort eingeschleust werden kann, freigesetzt wird und vernichtend wirkt. Ein solcher biologischer Marschflugkörper, der sich sein Ziel selber sucht und zerstört, ist in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Pharmaunternehmen in jüngerer Zeit gefunden worden, freut sich der Forscher. Mediziner haben ihn gemeinsam mit Patienten erprobt. „Wir haben allein in Köln 60 bis 70 Patienten im Rahmen von klinischen Studien mit dem neuen Medikament behandelt“, sagt Engert. Weltweit seien es mehrere Tausend gewesen. Das Resultat, so Engert: „Es ist die wirksamste Substanz, die es derzeit gegen diese Krebserkrankung gibt.“
Lydia Fahrenbruch hat davon profitiert. Drei Jahre lang hatte die 44-jährige Bürokauffrau mit dem Krebs gekämpft. Als alles noch zu vertretende Höchstmaß an Chemo-, Strahlen- und Stammzellentherapie den Tumor nicht verschwinden ließ, wünschte sie sich die Teilnahme an der Studie und damit die Erprobung des damals noch nicht zugelassenen Medikamentes an ihr selbst. „Die Nebenwirkung dieser Infusionen waren gar nicht zu vergleichen mit der Chemotherapie, so gering“, sagt sie. „Meine Haare sind nur ein bisschen dünner geworden.“ Aber das kann sie verschmerzen angesichts des Ergebnisses: „Seit Januar 2012 wird bei den Nachuntersuchungen nichts mehr entdeckt.“
Seit Herbst 2012 ist dieses Medikament unter der Bezeichnung Brentuximab Vedotin in Europa zugelassen. Vorerst nur für einen Teil der Patienten, die trotz vorausgegangener Behandlung mit einer Chemo- und Strahlentherapie erneut erkranken. Engert: „Diese neue, schonendere Form der Tumorzellenbekämpfung hat Auswirkungen auf die Therapie anderer Krebsformen.“
Über das Hodgkin Lymphom und die GHSG
An Lymphknotenkrebs Hodgkin Lymphom erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 2500, meist junge Menschen neu.
Die Deutsche Hodgkin Studiengruppe (GHSG) wurde 1978 vom Kölner Professor Volker Diehl gegründet. Ziel ist das Erreichen eines Höchstmaßes an Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Die GSHG ist weltweit vernetzt. An den Therapiestudien der Gruppe nehmen mittlerweile mehr als 400 universitäre Einrichtungen, Kliniken und Facharztpraxen aus fünf europäischen Ländern teil.
Professor Andreas Engert ist seit 2007 Diehls Nachfolger. Für die Konzeption und Erprobung neuer Therapiepläne zur Bekämpfung des Hodgkin Lymphoms wurde er in diesem Jahr mit dem renommierten Paul-Martini-Preis ausgezeichnet. Engert ist Leitender Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln.
Zum 9. Internationalen Hodgkin Symposium, das von der GHSG veranstaltet wird, treffen sich vom 12. bis 15. Oktober rund 1000 Ärzte aus 60 Ländern im Gürzenich. Informationen zum Lymphdrüsenkrebs bieten auch die Internetseiten des Kompetenznetzes Maligne Lymphome e.V.