MaibaumLieferservice statt Schwerstarbeit

Statt für das Abitur zu lernen, verstauen Max (v.l.), Tobias, Leon die Maibäume für ihre Liebsten.
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Köln – Der Liebsten einen Maibaum zu setzen, war früher Schwerstarbeit mit Gesundheitsrisiko: In die Schonung fahren, die möglichst große Birke fällen und mit Traktor oder starken Jungs zur Angebeteten transportieren, in der Nacht angetrunken die Hausfassade erklimmen, um den sperrigen Liebesbeweis mit Seilen am Fallrohr zu befestigen. „Und dann hat die Birke das Rohr abgerissen und ist abgestürzt“, sagt Walther Müller, der mit dem Rad zur städtischen Maibaumverkaufsstelle an der Neusser Landstraße gekommen ist. „Die Eltern meiner Möchtegernfreundin waren sauer, und ich bin nie mit ihr zusammengekommen.“
Birke für den Enkel
Walther Müller ist inzwischen 74, heute bestellt er eine Birke für seinen Enkel Torben, der sie nach der Arbeit abholen wird. „Wobei, ein Baum ist das eigentlich nicht, eher ein Ast“, findet der Opa, und deutet auf die zwei Lkw, auf denen Hunderte dürre Bäumchen auf ihre Käufer warten.
Eine drei bis vier Jahre alte Birke kostet 20 Euro, ein Päckchen buntes Krepppapier drei, ein kleines Holzherz fünf Euro. Die meisten verliebten Jungs sind nicht wählerisch. „Hauptsache grün“, sagt ein braungebrannter Tätowierter, an dem der Baum aussieht wie eine dünne Hantel. Landschaftsgärtner Johannes Kleefisch zieht eine Birke aus dem Lkw, hält sie hoch, sagt „der erste, der Ja schreit, kriegt ihn“, einer schreit Ja, zahlt, der nächste, Bitte. Für Romantik ist kein Raum. Auf den Holzherzen am Stand steht „Ich koste 9 Euro“, die meisten Männer wählen das All-inclusive-Paket für die Liebste: Baum, Holzherz, Krepppapier. Niklas (24) fährt mit einem Firmenwagen vor, in den sein Baum leicht hineinpasst. Noch ein wenig unsicher ist er, wie denn so ein Maibaum zu setzen ist. „Ich will ihn vielleicht im Garten irgendwo einpflanzen, ich hoffe, die Mutter meiner Freundin hat nichts dagegen.“ Nun ja.
Nathaly Maus-Thiel holt für ihren Sohn Justus einen Baum. Justus ist noch in der Schule – er ist 13, hat aber schon eine Freundin. Ursula Beck (77) reserviert einen Baum für Enkel Philipp (17), den Schwiegersohn Patrick später abholt. Dominik, Tobias, Leon, Johannes und Max müssten eigentlich fürs Abitur lernen – nächste Woche sind Klausuren, „da ist es ganz gut, sich mit Maibaumsetzen davon abzuhalten“, sagt Leon. Sie treffen sich am Abend zum Grillen, bevor sie mit dem Auto zu einer kleinen Odyssee aufbrechen. „Wir müssen nach Dormagen, Köln und Refrath“, sagt Leon.
Lieferservice per Taxi
Für Max gilt das Hauptsache-Blätter-Prinzip vieler anderer Käufer nicht: Er lässt sich von Johannes Kleefisch eine ganze Reihe Bäume zeigen, bevor er sich für einen entscheidet. Die Birken der Abiturienten werden im Opel von Tobias Eltern verstaut. „Mit den kleinen Bäumchen geht das“, sagt Maibaumverkäuferin Marion Witthaus. „Ich komme aus der Eifel, da geht so was nicht als Baum durch. Da werden die 15 Meter langen Bäume selbst geschlagen und mit dem Traktor abgeliefert.“Wer es noch bequemer haben will, als einen Baum in seinen Wagen zu laden, hat in den vergangenen Wochen ein Maibaum-Taxi bestellt. Am Tag vor dem ersten Mai waren für das Unternehmen von Marion Wigand 60 Leute im Einsatz, um Bäume zu fällen, zu schmücken und auszuliefern.
„Wir liefern bundesweit, aber im Online-Shop konnten wir schon am Montag keine Bestellungen mehr annehmen“, sagt Wiegand. Die Kölner Künstlerin Cornelia Harss hat viele der Herzen für die Maibaum-Taxi-Bäume dekoriert. „Nicht selten gravier ich Kosenamen wie Frettchen oder Mausebussi. Ein Mann hat gleich vier Frauen einen Baum geschickt. Einige Aufträge werden auch wegen eines Ehestreits kurzfristig wieder gecancelt. Es ist wie im Leben.“