Mehr Tiere sollen ein Zuhause finden

Die Adoptierstube ist mitten im Geschäft zu finden.
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Eil – Eigentlich sieht das komfortable Kleintier-Gehege im Porzer Fressnapf wie in jedem anderen Markt der Kette aus – kaufen kann man seine Bewohner allerdings nicht. Weder das tiefenentspannte Kaninchen-Duo „Minze und Gurke“, noch die quirligen Degus „Nico und Avocado“stehen zum Verkauf. Wie die anderen Nager in den gut einsehbaren Käfigen aus Holz und Glas sind sie Leihgaben des Konrad-Adenauer-Tierheims Köln-Zollstock, genießen aber den vollen Fressnapfservice mit Kost und Logis.
Die mittlerweile sechste Außenstelle eines Tierheims in einem Fressnapf-Markt in Deutschland – zu finden im Eiler Gewerbegebiet an der Rudolf-Diesel-Straße – schließt die Probephase des Pilotprojekts „Adoptierstube“ ab. Der Gründer und Inhaber der Franchise-Gruppe, Torsten Toeller, brachte die Idee aus den USA mit.
Gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbund entwickelte er ein erfolgversprechendes und nachhaltiges Konzept. Tiere irgendwann komplett aus dem kommerziellen Verkauf zu nehmen, sieht er als Fernziel zur Entlastung chronisch überbelegter Tierheime. Der Verkauf von Tieren sei ohnehin als Einnahmequelle nicht sonderlich bedeutend. Der eigentliche Sinn einer Lebendtierabteilung im Markt bestehe darin, den Kunden an den Markt zu binden und für Futter und Equipment zu interessieren.
Mit der Spenden- und Hilfsaktion „Tierisch engagiert“ habe Fressnapf schon viel bewegt, meint der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder, die Realisierung der Adoptierstuben hat er seit 2013 begleitet. Nach anfänglicher Skepsis seitens der Tierschutzorganisation sind er und Torsten Toeller zu Partnern in Sachen Tierschutz geworden; ihre Kräfte zum Wohl der Tiere zu bündeln, ist beiden ein besonderes Anliegen. Michael Pilz, Inhaber des Fressnapf-Marktes Porz, freut sich über die Gäste aus dem Tierheim. „Ich bin überzeugt, dass wir unseren Beitrag zum Tierschutz leisten können, um die wichtige Arbeit des Tierheims zu unterstützen“, sagt er bei der Eröffnung der Adoptierstube in seinem Markt.
Gern hat er die nicht unerhebliche Ausstellungsfläche für den guten Zweck freigemacht. Jacline Helmke ist eine der Angestellten, die sich um die Pfleglinge kümmern. „Ich hoffe, dass wir durch die Adoptierstuben für viele Tiere ein neues Zuhause finden und eine Entlastung für das Tierheim sein können“, erklärt sie.
Bundesweit sind vier Tierärzte für den markteigenen tierärztlichen Dienst unterwegs, in den Adoptierstuben schauen zusätzlich Mitarbeiter der Tierheime vorbei.
Gunda Springer vom Konrad-Adenauer-Tierheim ist für den Porzer Markt zuständig, einmal in der Woche besucht sie ihre Schützlinge, der Transport und die Tierabnahme liegen in ihrer Hand. Sie lobt die optimalen Haltungsbedingungen in der Anlage, die Konstruktion erlaube eine ideale Einstreuhöhe für die Nager. Damit auch Hunde, Katzen und andere Tiere in den Fokus der Fressnapf-Kunden rücken, hat man ihre Fotos und Daten auf einer Schautafel angebracht. Um Spontan-Anschaffungen in der Weihnachtszeit vorzubeugen, setzt das Tierheim zwei Wochen vor Weihnachten einen Vermittlungsstopp an. „Jeder, der sich ein Tier anschaffen will, soll sich das gut überlegen“, mahnt Gunda Springer. Zwar kann man sich beraten lassen und ein Tier in die engere Wahl ziehen, mitnehmen darf man den Favoriten aber erst nach den Feiertagen.
Thomas Schröder sieht in den Außenstellen eine potente Vermittlungsplattform. Besonders für Menschen, die eine Scheu vor Tierheimen haben, eröffnen sie eine attraktive Möglichkeit, sich ihren heimatlosen Insassen zu nähern. Mehr als 300 000 Tiere werden jährlich in Tierheimen aufgenommen. Sich bei diesem Angebot nach einem Haustier umzuschauen sei deutlich sinnvoller, als in Tierhandlungen und bei Züchtern aufzulaufen, meinen Thomas Schröder und Torsten Toeller.
Die Adoptionsgebühr legt das Tierheim selbst fest, auch hier macht die Franchise-Gruppe keinen Profit. „Es fließt kein Geld in die Kassen vom Fressnapf“, betont Schröder.
Trotzdem nennt Torsten Toeller die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tierschutzbund eine Win-win-Situation. „Als Marktführer haben wir auch eine nachhaltige Verantwortung“, glaubt er, „wir erhoffen uns eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Tierheime.“
Nach vollendeter Testphase startet das Projekt im kommenden Jahr in die Ausbauphase, fünfzehn weitere Adoptierstuben sind geplant. Letztendlich soll mit der Unterstützung der lokalen Tierheime ein flächendeckendes Netzwerk entstehen.
Ein Ende der Kapazitäten ist vorläufig nicht in Sicht, bei rund 900 Fressnapf-Märkten allein in Deutschland bleibt noch genügend Luft nach oben.
Gunda Springer, Konrad-Adenauer-Tierheim in Zollstock