Mein Veedel mit Daniel DickopfDie dörfliche Seite der Stadt
Sülz/KLettenberg – Das mit dem Pass, das ärgert ihn. Brühl steht da als Geburtsort des Daniel Dickopf, den die meisten einfach nur Dän nennen. Dabei lebt das musikalische Herz des A-Cappella-Quintetts Wise Guys seit seinem achten Lebenstag in Köln. Und er ist 43 Jahre lang hiergeblieben – aus Überzeugung. „Ich bin Kölner“, sagt er. Wahrscheinlich sogar eher Sülzer. Oder Klettenberger. „Ich weiß nie so genau, wo ich eigentlich wohne, wo welche Geschäfte sind“, erzählt er. „Ich lebe auf der Grenze. Darum sage ich immer: Ich lebe in Sülz und in Klettenberg.“ Und das mit dem Pass, na ja, in Brühl waren eben die Ärzte des elterlichen Vertrauens. Aber Dän, der ist Kölner.
Er ist schon als Sülz-Klettenberger aufgewachsen. „Wir haben mal am Sülzgürtel gewohnt, mal am Klettenberggürtel“, erinnert er sich. Auch an der Stenzelbergstraße. Und da will er gleich mal hin, sich die drei Kastanien ansehen, die an der Einmündung stehen zur Siebengebirgsallee. „Als wir hier gewohnt haben“, erzählt er, „war es so still, da hat man nachts die einzelnen Kastanien fallen hören. Und wenn dann ein teures Auto drunter stand, ist die Alarmanlage losgegangen. Da muss ich immer dran denken, wenn ich diese Bäume sehe.“ Er lächelt. Und es ist ein echtes Lächeln, bei dem sich Däns blaue Augen mitfreuen, aufblitzen wie der Himmel, wenn der sich gegen die Wolkenfetzen behauptet.
Beim Stammfriseur
Ein feiner Kerl sei Dän, beteuert Heinz Hassel, als der Sänger den Salon Melanie am Gottesweg besucht, seinen Stammfriseur. „Er ist ja eine Berühmtheit“, erklärt der Seniorchef. „Aber so bescheiden dabei – wenn Dän hier durchs Viertel läuft, dann ist das, als wäre ich das. Der ist einfach auf dem Teppich geblieben.“ Außerdem habe er bezaubernde Kinder, ergänzt Hassels Tochter Melanie. Die Namensgeberin und Inhaberin des Salons beschreibt: „Neulich waren die beiden hier, ihre Mutter musste einkaufen, da haben die bei uns gesessen, Gummibärchen gegessen und hatten Spaß. Die sind lieb, und bei denen merkt man: Das kommt von Herzen.“
Der neunjährige Felix und der fünfjährige Noah beeinträchtigen allerdings Däns Arbeit. „Seit die Jungs da sind, fällt es mir schwerer zu einer Tour aufzubrechen“, gesteht er. „Anfangs war das noch nicht so, da kriegen die ja nicht so viel mit. Dann sind sie eine Zeit lang auf die Mutter fixiert. Aber irgendwann fängt es an, dass Papa auch interessant wird. Und wenn ich dann los muss, sie aber im Arm hab und sie betteln: Papa, geh nicht. Das macht es verdammt schwer.“
Und gerade jetzt ist er mit den Band-Kollegen Edzard Hüneke (Eddi), Marc Sahr (Sari), Andrea Figallo und Nils Olfert schon wieder unterwegs. Die „Achterbahn“-Tour hat begonnen, die Konzerte zum neuen Album, dem dreizehnten der Band, das gleich auf Platz Zwei der Charts eingestiegen ist. „Da haben wir uns riesig drüber gefreut“, sagt Dän. „Für CDs hat ja schon das Weihnachtsgeschäft begonnen, die Konkurrenz ist also größer, als wenn man zum Beispiel was im Frühjahr veröffentlicht. Und jetzt Platz Zwei zu schaffen, das zählt was.“
Schade sei bloß, dass sie wegen der Tour das nächste Stufentreffen am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium verpassen würden. „Am 9. Mai wäre das, aber genau an dem Abend spielen wir in Salzburg. 20 Uhr ist Konzertbeginn. Zum Stufentreffen würden wir es also nicht mal mit „nem Heli schnell genug schaffen“. Was er vor allem bedauert, weil die Wise Guys ihren Ursprung als Schülerband an der Leybergstraße hatten. Anfangs als Bläserkombo. „Eddi spielte Posaune“, erinnert sich Dän. „Und er fand, daraus müsse man eine Band machen.“ Machte er. Später erweiterten sie das Repertoire, verlegten sich auf Rocknummern. „Sari stieß mit seinem Schlagzeug dazu“, erzählt Dän. „Und dann kam ich mit dem E-Bass.“ Die drei sind bis heute bei den Wise Guys geblieben.
Ein Name, der auch von der Schule herrührt. „Wir waren zusammen in der Lateinklasse“, berichtet Dän. „Wir waren die aus der letzten Reihe, haben jede Menge schlaue Kommentare von uns gegeben, vor allem über die Kompetenz der Lehrer. Wir waren schrecklich damals.“ Fanden die Lehrer wohl auch und nannten sie Klugscheißer. Was die Jungs immerhin sportlich nahmen. „Da wir zu der Zeit unsere Texte auf Englisch geschrieben haben, haben wir uns die Klugscheißer einfach übersetzt“, sagt Dän. „Daraus sind die Wise Guys geworden. Fanden wir gut.“
Und er schwärmt noch von den Klassenspielen – Fußballmatches der Klasse a gegen die b gegen die c. „Das war ernster als Olympia“, sagt Dän, als er im sogenannten Räuberwäldchen steht, dem Spielplatz an der Ecke von Düstemich- und Linzer Straße. Ohne Wäldchen übrigens. „Keine Ahnung, warum das so heißt“, gibt Dän zu. „Aber es hat immer so geheißen. Und heute komme ich mit meinen Jungs zum Bolzen her.“ Auch da kommen Erinnerungen hoch: Elf Jahre lang spielte Dän Fußball für die DJK Südwest an der Berrenrather Straße 173. „Mit 17 musste ich allerdings aufhören“, erzählt der Echo-Preisträger. „In dem Jahr zwischen 16 und 17 bin ich 20 Zentimeter gewachsen, das haben meine Knie nicht mitgemacht.“ Diagnose: Knorpelschaden, Schluss mit Fußball. An seine 1,98 Meter hat er sich nun aber gewöhnt, stößt sich den Kopf nicht mehr so oft wie damals, und Sohn Noah führt die vereinsgebundene Fußballtradition fort.
Fortschrittlichere Gemeinde
Und noch etwas gehörte genau wie der Fußball zu Däns Sülz-Klettenberger Jugend: das Messdienen. „Wir wohnten damals am Klettenberggürtel direkt gegenüber von Sankt Bruno. Bloß sind wir da nie hingegangen“, offenbart der Sänger. „Meine beiden älteren Schwestern wollten gern Messdiener werden, in Bruno war aber ein furchtbar altmodischer Pfarrer, der das nicht erlaubte. Also sind wir nach Nikolaus gegangen, die Gemeinde war viel fortschrittlicher.“
Was auch dem Vater viel besser gefallen habe. Der hatte Theologie studiert, unter anderem beim heute emeritierten Papst Benedikt XVI., der damals noch Joseph Ratzinger hieß und in Bonn Theologie lehrte. „Ein brillanter Denker, hat mein Vater immer geschwärmt“, sagt Dän. Ein großes Kompliment, war der Vater doch stets kirchenkritisch gewesen. „Er hat sich zum Beispiel immer sehr gegen die Machtstrukturen in der Kirche gewehrt“, erläutert der Sohn, „die Ungleichbehandlung von Mann und Frau“. Die nicht einmal überall gleichberechtigt messdienen durften. Gedanken, denen Dän im Petersberger Hof an der Petersberger Straße 41 nachhängt, dem Schlusspunkt seines Veedelsspaziergangs und vor allem: seinem inoffiziellen Büro. „Hier sind 95 Prozent aller Wise-Guys-Texte entstanden“, verrät er. „Zu Hause mache ich mein Laptop nicht auf, ich brauche zum Texten Leben um mich herum. Und hier im P-Hof ist für mich genau die richtige Mischung aus Geschäftigkeit und ruhiger Musik.“ Und – wer weiß? Vielleicht entsteht hier ja eines Tages auch mal ein Veedels-Lied. „Etwas Harmonisch-Ruhiges wäre das“, überlegt Dän, „über die dörfliche Stadtheit von Sülz-Klettenberg, das im Grunde ein kleines Köln in Köln ist. Ich liebe das.“