TourismusMit Hund und Currywurst in den Dom

Rund 10.000 Menschen besuchen im Schnitt jeden Tag den Dom. Nicht alle benehmen sich so, wie es sich für ein Gotteshaus gehört – und machen die Arbeit für die Domschweizer nicht einfacher.
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Köln – Manchmal fehlen Theo Kolter einfach die Worte. Zum Beispiel dann, wenn er von – zumeist jungen – Touristen gefragt wird, ob denn im Dom noch Gottesdienste gefeiert werden. „Da fällt mir nichts mehr ein“, sagt der 64-Jährige, der seit sieben Jahren als Domschweizer Aufsicht in der Kathedrale führt. „Viele sehen den Dom als Weltkulturerbe, als tolles Bauwerk oder als Museum – aber nicht als Kirche.“ Und benehmen sich entsprechend.
Der Dom war in den vergangenen Wochen mehrfach in den Schlagzeilen: durch die Femen-Aktivistin etwa, die am ersten Weihnachtstag halbnackt auf den Altar geklettert ist, oder auch durch den Krebskranken, der seine Mütze nicht aufbehalten durfte und dessen Geschichte eine kontroverse öffentliche Debatte über Kopfbedeckungen im Dom ausgelöst hat. In diesen und in vielen anderen heiklen Situationen sind die Domschweizer gefragt – und sie machen sich bei den Besuchern nicht immer beliebt. „Die Arbeit macht viel Spaß“, versichern Kolter und sein Kollege Clemens Baumgärtner, der auch schon seit drei Jahren den roten Domschweizer-Talar trägt. „Aber manchmal ist es nicht einfach.
Klar ist für Kolter und Baumgärtner, dass in den letzten Jahren „der Respekt vor dem Dom deutlich gesunken ist“. Für sie ist es unbegreiflich, dass Weihnachtsmarktbesucher mit Currywurst oder Glühwein hereinmarschieren, „weil es draußen ja so zieht“. Oder dass Hundebesitzer mit ihrem Vierbeiner in die Kathedrale wollen, denn der sei „doch auch ein Geschöpf Gottes“. Ein ehemaliger Kollege habe einem Hundehalter daraufhin geantwortet: „Wenn er das Vaterunser bellen kann, darf er rein.“ Häufig klingeln auch Handys im Dom – nicht zuletzt, weil sich Besucher in dem riesigen Gotteshaus aus den Augen verloren haben und wieder zueinanderfinden wollen. Und dass Männer im Dom ihre Kopfbedeckung abnehmen müssen, ist für die beiden selbstverständlich: „Jede Religionsgemeinschaft hat ihre Regeln, und die sollte man respektieren.“
Meistens, aber nicht immer reagieren die Besucher – im Schnitt rund 10000 pro Tag – verständnisvoll auf die Ansprachen durch die Domschweizer. „Einer unserer Kollegen ist von einem jungen Mann geohrfeigt worden, weil er ihn mit seinem Eis aus dem Dom weisen wollte“, erzählt Kolter. Und dass während der Sonntagsmessen keine Besichtigung gestattet ist, „stößt auch bei vielen Besuchern auf Unverständnis“. Am Sessionsauftakt am 11. 11. habe abends eine Gruppe randalierender Punker versucht, am Nordportal in den Dom einzudringen, die Polizei musste einschreiten. „Deshalb fällt künftig an Weiberfastnacht und am 11. November die Abendmesse aus“, sagt Kolter.
Ein Problem ist den Schweizern bewusst: Hinweise, was im Dom verboten ist, sind nur schwer zu finden. An den Seitenportalen der Westfront – die im Moment gar nicht offen sind – sind in großer Höhe entsprechende Piktogramme ins Glas eingelassen, im Nordportal sind sie besser sichtbar, am Hauptportal allerdings fehlen sie ganz. Deutlichere Hinweise würden möglicherweise manch lästige Diskussion verhindern.
Den Ärger, die unerfreulichen Begegnungen – all das kann Kolter aber auch schnell vergessen. Wenn er zum Beispiel Menschen trifft wie den 90-jährigen Deutschen, der in den 1920er Jahren in die USA ausgewandert ist, als Kriegsreporter und später als Dolmetscher bei den Verhandlungen zwischen Deutschen und Alliierten zurückkehrte – und den es auch jetzt immer mal wieder nach Köln und natürlich in den Dom zieht. „Das war eine tolle Geschichte“, sagt Kolter. „Solche Gespräche entschädigen für vieles.“