Mit Luxus zum ErfolgWie der Kölner Influencer Justin zum Modemacher wurde
Köln – Manchmal, erzählt Justin Fuchs, da könne er es immer noch nicht glauben. „Das ist doch krass geisteskrank, Alter“, sagt der 24-Jährige, schüttelt kurz mit dem Kopf und lacht.
Planen, was er geschafft hat, konnte man jedenfalls nicht. Und es hat wohl auch kaum jemanden gegeben, der das für möglich gehalten hätte. Fuchs hat es geschafft, aus dem Nichts heraus und nahezu im Alleingang eine eigene Klamottenmarke zu etablieren, die immer größer und bekannter wird. Ende vergangenen Jahres hat er in Paris zudem ein eigenes Parfum entworfen, wie man in der Branche sagt. Und vor Kurzem hat Rolls Royce angefragt, weil der junge Kölner eines der Luxusfahrzeuge umstylen soll.
„Peso": Justin Fuchs' Kleidermarke
Und alles, was er macht, verkauft sich wahnsinnig schnell. Die Kollektionen der Streetwear-Produkte seines Labels „Peso“ sind meist in wenigen Minuten ausverkauft. „Manchmal aber erst nach einer halben Stunde“, sagt der Kölner. Und ist verwundert, dass jetzt der Reporter lachen muss. Genaue Zahlen nennt der Mode-Influencer und Jung-Unternehmer ungern. Nur eine ist öffentlich geworden. Am Black Friday im November 2019 verkaufte er 32.000 Hoodies. Bei einem Preis von 69 Euro pro Stück bedeutete dies einen Umsatz von rund 2,2 Millionen Euro.
Eine Karriere von vielen, für Außenstehende kaum nachvollziehbar, die ohne das Internet nicht möglich gewesen wäre. Fuchs war 13 Jahre alt, die Eltern hatten ihm einen iPod geschenkt, als er die ersten englischsprachigen Youtube-Tutorials sah. So etwas bräuchte man eigentlich auch auf Deutsch, habe er damals gedacht. Jemanden, der die Dinge mit einfachen Worten erklärt.
Mit 13 das erste Youtube-Video gedreht
Gedacht, getan. Der junge Justin berichtete in seinen ersten Youtube-Videos, was sein neuer iPod so alles kann, wie man ihn benutzen sollte und wo die richtige Software runtergeladen werden kann. Danach drehte er Tutorials zur Fotoshop-Software. „Na ja, mit dem Halbwissen eines Kindes halt, das sich immer weiter in das Thema reingefressen hat“, erinnert er sich. Nach den Technik-Themen kamen schnell schon die Computer-Spiele. Fuchs erzählte und zeigte auf Youtube, wie er beispielsweise „Minecraft“ oder „Call of duty“ zockte – und die Zahl der Fans stieg schlagartig.
Bis zu 60.000 Aufrufe hatten erste Videos auf seinem „Gaming-Cannel“. Mit 16 Jahren verdiente Fuchs damit bereits 1500 Euro im Monat. Als der Jugendliche, der sich früh schon auch für Design und Gestaltung interessiert hat, immer mehr über Mode, Kleidung und hochwertige Luxusgüter wie Uhren von Rolex spricht, explodiert die Zahl der Anhänger. Über eine Million Mal wurden einige der Videos auf Youtube und Instagram aufgerufen, Justin Fuchs wird zu einem der Stars der Szene.
Dior und Louis Vuitton als Vorbild
„Man muss sich was trauen“, sagt Fuchs. Er ist 17 Jahre alt, als er sein eigenes Label gründet. Seinen Erfolg im Internet, der ihn immer wieder verblüfft, verbucht er zu dieser Zeit noch als Hobby. Nach dem Fachabitur steckt er mitten in seiner Ausbildung als Bankkaufmann bei der Sparkasse. „Aber es war mein Traum, selbst aktiv zu werden, eigene Mode zu schaffen, anstatt nur über die Kreationen anderer zu sprechen“, sagt er. Es sind vor allem die Produkte hockkarätiger Designer, die ihn faszinieren. Dior zum Beispiel, oder Louis Vuitton. Von Anfang an habe er deshalb Kleidung produziert, die es mit hochkarätigen Streetwear-Labels aufnehmen sollte, sagt Fuchs: „Aber um einiges erschwinglicher ist.“
Seine Kollektionen verkauft Fuchs in begrenzter Auflage, den weitaus überwiegenden Anteil an Männer in der Altersgruppe von 16 bis 30 Jahren. Lange bevor die Kleidungsstücke in seinem Online-Shop verfügbar sind, wirbt er beispielsweise in zehnminütigen Youtube-Videos für einzelne Stücke wie Hosen, T-Shirts oder Pullover. Auch der Tag und die Uhrzeit, ab der gekauft werden kann, wird schon früh genannt. Viele Kunden klicken den Link dann auf die Sekunde genau an, um eines der Stücke zu ergattern, die meist zwischen 50 und 130 Euro liegen.
„Die Generation TikTok liebt Luxusmarken“
Ohne es als jugendlicher Firmengründer einkalkuliert zu haben, trifft Fuchs wohl auch den Nerv der Zeit. Gerade junge Menschen, selbst wenn sie sich die Stücke nicht leisten können, interessieren sich immer mehr für Luxusklamotten. Die Generation Z, die 10- bis 25-Jährigen, fahre ab auf Designermode, berichten Brancheninsider. Die junge Zielgruppe sei extrem offen für Prada und andere hochpreisige Marken.
Im Luxussegment sorgen die um die Jahrtausendwende und später Geborenen jedenfalls derzeit schon für knapp ein Drittel des Umsatzes, im Jahr 2025 sollen es bereits 50 Prozent sein.
Das Interesse an besonderer Kleidung haben auch einige Rapper geweckt. Der amerikanische Hip-Hop-Star Kanye West beispielsweise hat sein eigenes Mode-Label Off-White gegründet. Der deutsche Rapper „Haftbefehl“ verkauft seine Kleidung auf der Homepage seiner Firma „Chabos IIVII“
Rekordumsätze in der Luxusbranche
„Die Generation TikTok liebt Luxusmarken“, schrieb der „Spiegel“ im Mai dieses Jahres. Um den Wettlauf zu gewinnen, die „coolste“ Marke zu werden, arbeiten die Traditionsfirmen auch mit Internetprominenz zusammen oder gehen Kooperation mit jungen, flippigen Marken ein. Und das Geschäft brummt.
Im Januar teilte beispielsweise der französische Luxusgüterkonzern LVMH mit, dass er 2021 bessere Geschäfte als vor der Corona-Pandemie gemacht hat. Der Jahreserlös stieg demnach gegenüber 2020 um knapp 44 Prozent auf 64,2 Milliarden Euro. Das für Marken wie Louis Vuitton, Hublot oder Givenchy bekannte Unternehmen hatte 2019, also vor der Pandemie, einen Jahresumsatz von knapp 53,7 Milliarden Euro erzielt.
Die rege Nachfrage nach den Luxusmarken Gucci, Yves Saint Laurent und Bottega Veneta bescherte dem Luxusprodukte-Konzern Kering im Vorjahr einen Umsatz- und Gewinnsprung, wie er im Februar mitteilte. Das französische Unternehmen übertraf 2021 nicht nur das Corona-Jahr 2020, es toppte auch die Entwicklung des Jahres 2019. Der Umsatz stieg 2021 auf gut 17,6 Milliarden Euro - gut ein Drittel mehr als 2020 und 11 Prozent mehr als 2019.
Markenklamotten als Orientierungspunkt für Jugendliche
Verschulden aber würden junge Leute sich wegen dieser Kleidung wohl nicht, versichert Laura Schäfers von der Verbraucherzentrale-NRW. „In unseren Beratungen gibt es keine Fälle im Zusammenhang mit Luxusklamotten.“ Was gelegentlich vorkomme, seien Probleme „mit Fast Fashion“, so Schäfers: „Dass also sehr viel Kleidung bestellt wird oder auch mal teure Sneaker, von Luxusware aber kann man hier nicht sprechen.“ Ein „typischer überschuldeter Mensch“ sei zudem altersmäßig „in aller Regel in der Mitte seines Lebens“.
Er glaube jedoch schon, dass „einige Käufe von der jungen Zielgruppe möglicherweise als Ventil gesehen werden, sich das ein oder andere Mal etwas Besonderes zu gönnen“, sagt der Fashion-Experte Hansjürgen Heinick vom Institut für Handelsforschung Köln (IFH). Generell seien Jugendliche zudem deutlich markenaffiner als Ältere. Marken, auch teure Marken, gäben ihnen eine gewisse Orientierung. Und wenn das Geld nicht reiche, müsste halt Second-Hand-Mode her: „Gebrauchte Luxusmarken sind derzeit ein Trend“, so Heinick.
„Kastendenken“ hat keine Gültigkeit mehr
Im 20. Jahrhundert, ergänzt Carl Tillessen, Trendanalyst beim Deutschen Mode-Institut (DMI), sei klar gewesen, dass die Unterschicht im unteren Preissegment einkaufte, die Mittelschicht im mittleren und die Oberschicht im oberen. Aber dieses „Kastendenken“, diese Idee eines „standesgemäßen“ Konsums, habe im 21. Jahrhundert keine Gültigkeit mehr. „Die älteren, arrivierten Generationen und die jüngere, aufstrebende Generation leben nicht in getrennten Konsumwelten, die sich nicht berühren“, sagt Tillessen. Im Gegenteil: „Die Älteren wollen demnach unbedingt mitmachen bei der Schnäppchenjagd und die Jüngeren bestehen darauf, am Luxus teilzuhaben.“
Eine Studie des Deutschen Modeverbands von November 2021 bestätigt den Trend. Bei der Frage, welche Klamotten im Kleiderschrank zuhause hängen, zeigt sie, dass insbesondere junge Menschen einen luxuriösen Kleidungsstil haben. Mit 13 Prozent seien die 18- bis 29-Jährigen allen anderen Generationen voraus.
Influencer haben Millionen Fans
Youtuber und Influencer stellen diesen Luxus zur Schau. Sie tanzen, singen und machen dabei Werbung für Produkte, die den neuesten Trends entsprechen. Etwa 17,5 Millionen Follower beispielsweise haben die 19-jährigen Lisa und Lena auf ihrem Instagram-Account „lisaandlena“. Teure Marken sind auch ein Thema für Sami Slimani, der mit Taschen, Parfüms oder Kleidung vor der Kamera posiert. Etwa 1,3 Millionen Follower schauen dem 32-Jährigen dabei zu, wenn er die Produkte bewirbt.
Der Kölner Justin Fuchs jedoch ist einer, der wegen seiner Eigenproduktionen in einer anderen Liga spielt. Mehr als 20 Kollektion hat er bereits verkauft. Seine Mode lässt er in der Türkei schneidern, türkische Webereien produzieren gelegentlich eigens von ihm entworfene Stoffe für die Kleidung. Lager und Versand inbegriffen arbeiten speziell während der „Drops“, wie die Online-Verkäufe genannt werden, bis zu 60 Leute für ihn.
Rolex für 84.000 Euro, Auto für 160.000 Euro
„Es gibt so viele Themen, um die man sich kümmern muss. Nicht nur, dass die Abgabe von der Frühjahrs Kollektion für 2023 ansteht, sondern auch das Shooting der jetzigen Kollektion, zudem müssen die Postings rechtzeitig veröffentlich werden, neue Videos gemacht und auch bei der Produktion in der Türkei nachgeschaut werden, ob alles glatt läuft“, sagt der junge Mann und klingt dabei wie ein gestresster Manager.
Auf den Instagram-Fotos mit Versace-Brille, Louis-Vuitton-Sneakern, Rolex für 84.000 Euro, Balenciaga-Hose für gut 800 Euro oder Prada-Hemd für 1000 Euro wirkt er unnahbar. Er posiert mit seinem neuen Auto für 160.000 Euro oder auf einer Luxusjacht im Mittelmeer. Professionelle Attitüde im Rapper-Format, mit der Mode für junge Leute heutzutage eben verkauft wird? Oder ein arroganter Schnösel, mehr noch Junge als Mann, der mit seinem Reichtum prahlt?
In seinen Youtube-Videos jedenfalls ist von Unnahbarkeit nichts mehr zu spüren. Fuchs spricht mit seinen „Bro’s“, als ob er täglich mit ihnen um die Häuser ziehen würde. Er berichtet beispielsweise von seinen Einkäufen, seinen eigenen Kollektionen oder kommentiert einfach nur Videos anderer Influencer oder Modedesigner, die er im Internet gefunden hast.
Und der Zuspruch seiner Fans, die ihn seit Jahren kennen und teilweise mit ihm aufgewachsen sind, gleicht einer Abstimmung im Internet. In allen sozialen Netzwerken kommt Fuchs heute auf eine Reichweite von mehr als 1,6 Millionen Anhängern. Anfeindungen gibt es kaum.
Seine Fans scheinen sich über Justins Erfolg zu freuen
Womöglich hätte vor Jahrzehnten nur eines seiner Protz-Fotos dafür gereicht, dass die Angehörigen älterer Generationen kein einziges Kleidungsstück mehr bei ihm gekauft hätten. Doch Justins Fans nehmen den Reichtum, den er sich erarbeitet hat, nicht nur hin. Die Kommentare zu seinen Fotos und Videos lassen darauf schließen, dass seine Community sich sogar für und mit ihm freut.
„Übertrieben heftig, Alter, was für eine Karriere du in den letzten Jahren gemacht hast“, schreibt einer. „Brutal heiß“, kommentiert ein anderer. „Macher!!!“, ergänzt ein Dritter. Und so geht das weiter. Unter seinen Postings wird Fuchs von denen, die schon lange dabei sind, gelegentlich auch „Boss“ oder „Dior-Don“ genannt. Das klingt halb ironisch, halb ernst gemeint.
Ein Auto für Rollce Royce umgestylt
Er möge seinen Spitznamen, sagt Fuchs und lacht. „Alles easy. Ist doch cool, wenn die Jungs sich was einfallen lassen.“ Übrigens trage er nicht zwangsweise nur teure Designerkleidungsstücke, auch günstigere Vintage-Shirts etwa aus den 1990er-Jahren würden denselben Zweck erfüllen. „Für mich geht es einfach darum, etwas zu tragen, was man nicht jeden Tag sieht“, erläutert der Kölner.
In seinen Videos packt er für seine Follower unter anderem die Artikel aus, die er sich gekauft hat oder einfach nur bewerten will. Er freut sich wie ein kleiner Junge, wenn ihm Sachen gefallen.
„Vielleicht ist es, dass meine Follower sehen, dass ich trotz des Erfolges der alte Justin geblieben bin“, sagt Fuchs. „Einer von ihnen, der eben nur ein bisschen mehr Glück gehabt hat.“
Ende vergangen Jahres wurde er von einem französischen Hersteller gebeten, ein gemeinsames Parfum zu kreieren. Die Flacons, 100 Euro für 50 Milliliter, waren einen Tag nach der Markteinführung ausverkauft. Vor Kurzem hat die Rolls-Royce-Niederlassung in Köln angefragt. Ob Fuchs nicht ein Fahrzeug der Nobelmarkte stylen wolle?
T-Shirts nach 4 Minuten und 35 Sekunden verkauft
Er wollte. Schneeweiß mit orangem Innenleben beispielweise und typfremden Felgen. Passend dazu hat er direkt noch ein paar T-Shirts mit ähnlichem Design und Farben entworfen. Das Auto, gerade fertig geworden, hat sofort einen Käufer gefunden. Und die dazu passenden T-Shirts, wohl ein paar tausend Stück, sind auch schon weg. Vier Minuten und 35 Sekunden hat der „Sonder-Drop“ zum Exklusivschlitten gedauert, dann waren alle Größen ausverkauft. (mit rnd)