Mit „Major“ Heuser in RodenkirchenHeile Welt statt echtes Veedel

Der Alt-Rocker „Major“Heuser genießt die Abendsonne auf dem alten Bootshaus.
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Rodenkirchen – Vom Bootssteg aus ist er schon gut zu sehen, der Mann mit Hut, der für einige immer noch der Gitarrist von BAP ist: Klaus „Major“ Heuser sitzt an Deck der MS Rodenkirchen und genießt die Abendsonne. „Das Schiff ist ziemlich alt und ziemlich kaputt. Ich finde es aber gerade deswegen gemütlich, ein super alter Kahn mit viel Charme. Hier ist einfach nichts perfekt, die Terrasse wurde zum Beispiel irgendwie dran gebaut. Und auch das Publikum ist sympathisch, der Blick wunderschön und es scheint hier abends mit Abstand am längsten die Sonne. Hier bin ich oft“, sagt Heuser, der seit 20 Jahren im Rodenkirchener Musikerviertel wohnt.
Meist in Schwarz unterwegs
Mit dem Wort Veedel hat er allerdings ein kleines Problem: „Ich wohne hier nicht in einem Veedel, das ist eher ein Wohngebiet. Hier haben wir einen riesigen Garten, ein schönes Haus. Meine Frau ist eine leidenschaftliche Gärtnerin und wir hatten damals einen kleinen Sohn, und so kamen viele Faktoren zusammen, dass ich mein Veedel, die Südstadt, verlassen habe und seit 20 Jahren in einem Wohngebiet lebe. Aber mit dem Alter wird man auch etwas ruhiger“, sagt der 57-Jährige, den sein inzwischen erwachsener Sohn „Hippie“ nennt, und zieht an seiner Zigarette.
Eine heile Welt mit Haus, Garten, Ehefrau und Kind – irgendwie passt das alles nicht zu einem Mann, der fast 20 Jahre lang mit BAP in den größten Arenen vor bis zu 100 000 Zuschauern gespielt, mehrere Millionen Platten verkauft und Tophits wie „Do kanns zaubre“ und „Kristallnaach“ komponiert hat. Doch er wirkt zufrieden, hat sich im Laufe der Jahre in seinem Wohngebiet arrangiert, hat sogar eine Stammkneipe gefunden, das griechische Restaurant Delphi: „Das ist das Wohnzimmer vom Maler- und Musikerviertel. Es ist die einzige Lokalität, die ich kurz zu Fuß erreichen kann.“ Weit über den Kölner Süden hinaus ist das Delphi bei Fußballfans bekannt. Denn Wirtin Elpida Pavegos war während der WM in Brasilien „Das Orakel vom Delphi“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit Hilfe eines Lorbeerblattes sagte sie für die Leser den Ausgang aller Partien der deutschen Mannschaft voraus. „Wir haben hier mitgefiebert, ob die Vorhersagen denn auch eintreffen“, schildert der „Major“. Und Elpida Pavegos irrte kein einziges Mal.
Ein Schaufensterbummel durch Rodenkirchen sei uninteressant, einfach nicht seine Wellenlänge, sagt Heuser. „In Rodenkirchen stört mich der Standesdünkel. Noch zu BAP-Zeiten ist es mir passiert, dass die Verkäuferinnen mich von oben herab angeschaut haben, so mit Lederhut und Cowboystiefeln, seitdem kaufe ich hier keine Klamotten mehr ein.“
Dabei wäre er der perfekte Kunde, denn „Major“ Heuser kauft meistens im Dutzend ein, zwölf Hüte, zwölf paar Jeans, zwölf Paar Stiefel. „Wenn mir was gefällt, dann schlage ich gleich zu. Ich habe viele schwarze Klamotten, deswegen denken viele, ich hätte jeden Tag dasselbe an, dabei ist es einfach praktisch, alles kann ohne Sortiererei in die Maschine, vor allem wenn ich auf Tournee bin.“
Bei dem Wort Tournee blinzeln seine Augen unter der Hutkrempe, mit viel Begeisterung erzählt er von seiner neuen Band und seiner grenzenlosen Leidenschaft, Songs zu komponieren. „Im Keller meines Hauses habe ich ein Studio, da verbringe ich den ganzen Tag. Ich gehe richtig arbeiten, von 10 bis 17 Uhr. Ich bin ein harter Arbeiter, ganz unromantisch. Ich arbeite daran, dass mir etwas einfällt, wenn man das nicht macht, dann verpasst man vielleicht den Moment, wo einem etwas einfallen könnte. Aber wenn mir drei Stunden lang nichts einfällt, dann gehe ich einkaufen, und zwar hier.“ Wir stehen jetzt vor dem Rewe-Markt im Musikerviertel. Der Mann mit dem Lederhut ist hier kein Unbekannter.
„Klaus ist fast jeden Tag hier, egal wie er kommt, ob mit dem Rad oder zu Fuß, ich erwische ihn immer wieder. Ich kenne 95 Prozent meiner Kunden mit Namen, hier wohnen viele Promis, die sind alle super nett“, sagt Ralf Schulz, der den Rewe-Markt seit 13 Jahren leitet. „Sollte es mal mit der Musik nicht mehr klappen, der kann bei mir sofort anfangen, in jeder Abteilung. Der kennt hier jeden Winkel.“ Dazu wird es wohl nicht kommen. Denn bei „Major“ Heuser klappt es mit der Musik nach wie vor bestens. Nach seinem Ausstieg bei BAP hat er nie eine Pause eingelegt, immer weiter komponiert und in verschiedenen Bands gespielt.
Seine aktuelle Band gibt es erst seit zwei Jahren. „Ich bin sehr glücklich, dass wir uns gefunden haben. Fünf Charaktere, die sich sehr mögen und verstehen. Das ist gar nicht so einfach, sehr intim, da geht es um Gefühle. Ich komponiere und unser Sänger, Thomas Heinen, schreibt die Texte. Alles auf Englisch, auf Kölsch hätte ich auch keine Lust mehr, das ist vorbei“, sagt der langjährige BAP-Gitarrist, der zusammen mit Wolfgang Niedecken mal so etwas wie das Duo Jagger/Richards der deutschen Rockmusik war. Seine Fans heute seien alles Musikliebhaber, zwischen 300 und 400 kämen immer. Alte Stücke spiele er nicht mehr, kein einziges von BAP, alle Songs seien neu. Jetzt sei alles ursprünglicher, die großen Zeiten habe er mit BAP erlebt, den Ausstieg aber nie bereut. Ein wenig Wehmut kommt dann doch noch: „Beim »Arsch huh«- Konzert damals vor 20 Jahren auf dem Chlodwigplatz, da war ich dabei, bei den Neuauflagen hat mich leider keiner eingeladen. Ich hätte es auf jeden Fall gemacht, aber es hat keiner gefragt, warum weiß ich nicht.“
Gerade ist seine neue CD erschienen, sie heißt 57. Dahinter verbirgt sich nicht nur das Alter und Geburtsjahr des Musikers, auch sein Gitarrenkoffer bei BAP hatte die Nummer 57. Bei der Tour zum Album wird es 57 Konzerte geben. Das klingt nach Abschied aus der Musikszene. „Nein niemals, ohne Musik kann ich nicht leben, das ist mein Beruf und mein Hobby, und wenn ich mal vom Komponieren entspannen will, dann spiele ich ein wenig Gitarre“, sagt er schmunzelnd.
Urlaub am Rheinbogen
Kürzlich habe er in seinem Gitarrenkeller aufgeräumt und zwei Drittel aussortiert, jetzt besitzt er noch 25 Stück. Wenn mal eine kaputt geht, fährt er mit dem Rad nach Weiß in die Gitarrenwerkstatt von Stefan Bosch. „Es ist super bequem, der Laden ist quasi bei mir um die Ecke, ich gebe meine Gitarre ab, muss nicht viel erklären, der Stefan ist Profi, seit zehn Jahren bin ich hier Stammkunde.“
Spazieren am Rhein oder durch den Weißer Rheinbogen, das sei für ihn wie Urlaub, den Luxus leistet er sich meistens sonntags: „Meine Frau und ich pflegen seit Jahren ein Ritual: Wir gehen immer den selben Weg.“ Vom Malerviertel aus spazieren die Heusers an den Tennisplätzen vorbei zum Rhein, dann links herum Richtung Kapellchen. Auf der MS-Rodenkirchen trinken sie einen Kaffee und teilen sich ein Stück Kuchen. Dann geht es weiter, immer zu Fuß, bis in die Südstadt, hier kehren sie im Mainzer Hof ein und fahren dann mit der 16 nach Hause. „So kommt man runter, kann erzählen, diskutieren“, preist Klaus Heuser die Vorzüge des Spazierengehens, „und wir reden auch oft über einen Altersruhesitz in unserem alten Veedel, der Südstadt.“
Zum Schluss wird er versöhnlicher: „Mein Veedel ist eben etwas größer, der gesamte Kölner Süden.“ In Sürth ist er oft anzutreffen. Hier produziert er seine CD’s im eigenen Tonstudio. Hier geht er auch gerne auf ein Kölsch ins Sürther Bootshaus. Und er mag den kleinen Sürther Wochenmarkt.
Ob man ihn als Promi auf der Straße erkennt, darauf achtet er nicht mehr. „Wenn man unbekannt ist und wird bekannt, dann fällt dir jeder auf, der dich erkennt. Aber nach mehr als 30 Jahren ist das nicht mehr wichtig.“ Die Sache mit den Autogrammen sei lange vorbei und die Jungs und Mädels, die danach fragten, würden auch immer älter.