Porträt aus Köln-DellbrückSo arbeitet eine Auszubildende im Buchhandel
Nellifee Pulwey liebt es, in andere Welten abzutauchen. Am besten gelingt ihr das mit historischen Romanen – fiktive Geschichten in realen Welten, meist spielen sie im Zweiten Weltkrieg. Nicht nur privat füllt die 21-jährige Pulwey, die gebürtig aus dem Rhein-Sieg Kreis kommt, ihre Zeit mit Lesen, auch beruflich widmet sie sich der Literatur.
Ausbildung im Buchhandel erfordert auch Empathie
Seit Juli 2021 absolviert sie eine Ausbildung zur Buchhändlerin in Köln-Dellbrück.Nach einer coronabedingten Delle im vergangenen Jahr haben sich nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung als Buchhändlerin oder -händler entschieden. Damit auch ihre Kunden in die Welt der Bücher abtauchen können, braucht Pulwey ein gutes Gespür: „Ich muss mich in die Person hineinversetzen und ihren Buchgeschmack verstehen“, sagt sie.
Um jedem Kunden das passende Buch zu empfehlen, muss sie natürlich auch selbst auf dem neuesten Stand sein. „Vor kurzem habe ich acht Bücher in einer Woche gelesen. Manchmal schaffe ich aber auch nur zwei oder drei im Monat“, sagt Pulwey. „Ich habe aber zum Beispiel noch nie ein politisches Sachbuch gelesen – das nehme ich mir jetzt mal vor“, sagt sie.
Sie fühlt sich in der Buchhandlung „einzigundartig“, in der sie arbeitet, eher in der Romanecke wohl, in der unter anderem auch ihr Lieblingsbuch steht: „Das Buch Ana“ von Sue Monk Kidd. Es ist eine fiktive Geschichte, in der Maria, die Ehefrau von Jesus, ihre Geschichte erzählt – in einer Zeit, in der Frauen ansonsten wenig zu sagen hatten.
Ausbildung im Buchhandel: „Man ist nicht nur Buchkennerin“
Das Geschäft besteht aus einem großen Raum, in dem auf verschiedenen Tischen und in Regalen Bücher, Karten und Spiele ausgelegt sind. Wie die Produkte präsentiert werden und welchen Weg der Kunde durch den Laden nimmt, weiß Pulwey dabei ganz genau, denn hinter dem Aufbau des Ladens steckt auch Verkaufspsychologie.
Die Buchhändlerausbildung hat einen großen kaufmännischen Anteil. „Man ist eben nicht nur Buchkennerin, sondern auch Händlerin und als solche muss man natürlich auch den Handel als Handwerk beherrschen“, sagt Pulwey. Die Kunden würden im Laden so geleitet, dass sich bestimmte Genres abwechseln mit Dekorationsartikeln, um immer wieder neue Kaufanreize zu bekommen.
Und auch die Bücherbestellungen, die einen großen Teil des kaufmännischen Bereichs ausmachen, bestehen nicht nur aus langweiligem Rechnen. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man das Buch vom Anfang bis zum Ende begleitet, vom Auswählen beim Verleger über das Bestellen bis zum Verkauf im Laden. Da lernt man den Prozess hautnah kennen“, sagt sie. Pulwey darf schon im ersten Lehrjahr daran mitwirken: Ihre Kollegen bekommen zweimal im Jahr Vorschauen der Verleger zugeschickt.
Kölner Buchhandel: Auszubildende übernimmt viel Verantwortung
Gemeinsam mit ihnen sucht die Auszubildende spannende Neuvorstellungen aus, die bei den Kunden gut ankommen könnten, und sorgt dafür, dass aktuelle Bestseller im Laden verfügbar sind.
Neben ihrer Zeit im Buchladen geht Pulwey sechsmal im Monat zum Berufskolleg in Düsseldorf. Es ist das einzige Berufskolleg im Umland, das angehende Buchhändler ausbildet. Dort stehen kaufmännische Unterrichtsfächer wie „Buchhandels- und Medienmarketing“ auf dem Plan, in denen sie lernt, Bilanzen aufzustellen und Preise zu kalkulieren. Im Fach „Kundenkommunikation und Service“ geht es hingegen um die Beratung von Kunden und das Führen von Verkaufsgesprächen.
Neben diesen handwerklichen Fächern wird sie auch in den Fächern Deutsch und Literatur unterrichtet. Dort lernt sie unter anderem, wie man eine Buchrezension schreibt. „Wir haben auch viel über die verschiedenen Gattungen und Epochen der Literatur gelernt, um ein gewisses Grundwissen aufzubauen. Mein Lieblingsfach ist aber Buchhandels- und Medienmarketing, weil ich das am besten praktisch anwenden kann“, erzählt Pulwey.
Nettes Feedback motiviert zum Weitermachen
Dass Pulwey in der Berufsschule etwas lernt und dazu ein gutes Gespür für Bücher hat, zeigt sie im Geschäft. Einer Frau empfahl sie vor einigen Wochen einen US-amerikanischen Jugendroman für deren Tochter. Drei Tage später kam die Kundin wieder und verkündete, sie wolle sich ab sofort nur noch von der Auszubildenen beraten lassen – der Tipp sei exzellent gewesen.
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Solche Rückmeldungen freuen die angehende Buchhändlerin und bestätigen sie in ihrer Meinung über das Lesen. „Seiner Fantasie freien Lauf lassen, das ist das Tolle am Lesen“, sagt sie. Und damit das mit der Fantasie auch funktioniert, braucht es das passende Buch – und eben eine persönliche Beratung. „Deswegen glaube ich nicht, dass der Buchhandel aussterben wird“, sagt Pulwey.
Für Nellifee Pulwey stand der Beruf schon länger fest
Schon vor dem Abitur war ihr klar, dass sie diesen Beruf erlernen möchte. Bekannte und Freunde reagierten auf ihre Pläne oft überrascht. Viele wollten wissen, warum sie eine Ausbildung machen wollte, obwohl sie doch Abitur habe. Pulwey stört diese Sichtweise: „Eine Ausbildung bringt ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich, das hat nichts mit dem Schulabschluss zu tun, sondern damit, ob man eher der praktische oder der akademische Typ ist“, sagt sie. „Ich würde mir da definitiv mehr gesellschaftliche Anerkennung wünschen.“
Der Vollzeit-Job war gerade am Anfang sehr anstrengend. Sie habe sich erstmal daran gewöhnen müssen, fünf Tage die Woche von morgens bis abends zu stehen. Zwar habe sie sich mit der Zeit und dem richtigen Schuhwerk daran gewöhnt – doch andere Aufgaben wie das Schleppen der Bücher bringen sie nach wie vor zum Schwitzen. „Wenn neue Ware ankommt, müssen wir manchmal sogar die Sackkarre nutzen“, erzählt die junge Händlerin und lacht.
Ob Pulwey für immer als Buchhändlerin arbeiten möchte, weiß sie jetzt noch nicht. Im Augenblick fühlt sie sich aber sehr wohl und nutzt die Zeit, um über mögliche Optionen für die Zukunft nachzudenken. „Vielleicht bleibe ich für immer angestellt, vielleicht mache ich mich auch selbstständig. Ich könnte auch noch ein Studium dranhängen, Literaturpädagogik interessiert mich sehr“, erzählt sie. Dann könnte sie zum Beispiel mit Kindern arbeiten – denn auch die lernen und verarbeiten Dinge beim Abtauchen in die Welt der Bücher.