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Deutz-Mülheimer-StraßeNeue Pläne fürs alte KHD-Gelände

Lesezeit 3 Minuten

Dieter Becker auf Erkundungstour in seiner alten Wirkungsstätte.

Mülheim – Am Freitag findet im Kunstwerk die zweite Offene Werkstatt zur Entwicklung des Mülheimer Südens statt. Interessierte Bürger können sich in das Planungsverfahren für das ehemalige KHD-Gelände einbringen. Auf der Industriebrache soll in den kommenden Jahren ein neues Veedel mit Wohnungen, Handel und Gewerbe entstehen.

Wie es früher hier aussah und wie das Leben im Veedel brodelte, darüber kann Dieter Becker viel erzählen. Er begann vor 50 Jahren hier seine Ausbildung als technischer Zeichner. Jetzt will der 65-Jährige sehen, wie es um den Ort seiner Jugend steht: Im Tor sechs des Geländes, der Hausnummer 129 an der Deutz-Mülheimer Straße, bleibt Becker verwundert stehen. Dort hängt ein altes Schild „Gas-Motorenwerk Deutz“. „Das gehört hier gar nicht hin, denn da war eine Einfahrt zur Firma Waggonbau van der Zypen & Charlier.“ Der Betrieb, der seit 1845 Eisenbahnwaggons in alle Welt lieferte, sei aber bis zum Jahr 1959 selbstständig gewesen – zuletzt hieß die Firma Westwaggon. Erst dann sei sie mit Klöckner Humboldt Deutz (KHD) fusioniert.

Gummi-Badekappen neben Loks

Bevor Becker des Betriebsgelände betritt, schaut er noch auf Nachbars Hof. Dort befand sich von 1864 bis 1972 die Gummifädenfabrik Kohlstadt, die neben Gummifäden auch Badekappen und Kondome produzierte. Heute ist hier die Künstlerkolonie Kunstwerk angesiedelt. Becker zeigt auf Fenster eines benachbarten Deutz-Gebäudes: „Dort oben arbeiteten die Konstrukteure von Diesel-Loks. Sie konnten aus dem Fenster gut beobachten, wie hier Kondome aufgeblasen wurden, um sie zu testen. Durch Tor sechs betritt Becker das Gelände der Waggonfabrik, das die Stadtplaner in „Euroforum Nord“ umtauften. Vor der denkmalgeschützten Schwebebahn-Halle bleibt er stehen: „Wie heruntergekommen das alles aussieht.“

Dann erzählt Becker von der Teststrecke für die Wuppertaler Schwebebahn, die hier gebaut wurde: „Der Betrieb von Westwaggon erstreckte sich in seinen besten Jahren vom Bahnhof Deutz bis zur Villa Charlier. Erst nördlich davon befand das Gelände der Motorenwerke Deutz.“ Am ebenfalls denkmalgeschützten „Eckigen Rundbau“ – einem ehemaligen Lagerhaus mit großem Lichthof und Galerien im Innern – erkennt man an einer Laderampe noch ein Schild, auf dem „Warenannahme“ steht. Die Deutz-Mitarbeiter nannten das Gebäude „Zirkus“. Zur Deutz-Mülheimer Straße hin zieht sich ein riesiger leerer Platz. „Hier stand mal die Faust-Halle, in der Bleche bearbeitet wurden“, sagt Becker. Faust hieß der Chef der Abteilung. Doch die sei damals abgebrannt.

Verfallene Hallen und Totenstille

Durch ein Loch im Zaun klettert Becker unter einen Brückenbogen der ICE-Strecke und gelangt so auf die Westseite des Werksgeländes. Vorbei an Schreinerei und Polsterei geht es zu den Fertigungshallen von Diesel-Loks, fast bis zum Auenweg. In einer Halle baute man Loks mit bis zu 500 PS und Gruben-Loks – in der großen Halle gegenüber starke Dieselloks, beispielsweise für Schnell- und Güterzüge. „Wenn die neuen Loks rangiert wurden, bin ich als Lehrling oft und gern mitgefahren“, erinnert sich der Rentner, der seit seiner Jugend großer Eisenbahn-Fan ist. Becker blickt traurig: „Wenn ich bedenke, was früher hier los gewesen ist, da brummte der Bär.“ Jetzt aber sei alles dem Verfall überlassen – und totenstill.

Mit der Stille könnte es nun bald der vorbei sein, denn am 15. November stellen die Planungsteams im Kunstwerk neue Ideen vor, wie die Brache künftig aussehen könnte. Die Teams wollen möglichst viele Industriebauten erhalten – Dieter Becker würde es freuen.

Die Offene Werkstatt im Kunstwerk an der Deutz-Mülheimer Straße 127 findet am Freitag, 15 November, von 10 bis 12.30 Uhr statt.