Interview mit Engelbert Becker„Durchgangsverkehr muss aus Mülheim raus“
Mülheim – Herr Becker, Sie fahren kein Auto. Ist das der Grund, dass Sie sich so vehement in Verkehrsfragen in Mülheim engagieren?
Ja und nein – viele Menschen hier im Stadtteil setzen sich für eine Verkehrswende ein, die zum Klimaschutz beiträgt. In Mülheim gehört der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, sichere Fuß- und Radwege wie auch die Reduzierung des motorisierten Verkehrs dazu. Und es gibt Erfolge. Nach jahrelangem Bemühen wurde erreicht, dass der S-Bahn-Halt an der Berliner Straße gebaut wird. Unsere Idee einer Stadtbahn Flittard-Deutz-Mülheimer Straße-Deutz wird von der Stadt und den Investoren in Mülheim Süd als erster Abschnitt gebaut.
Die Stadtbahnlinie muss schnellstens vom Wiener Platz über Flittard bis Leverkusen verlängert werden. Auf Bergischem und Clevischem Ring sollte vorher eine Fahrspur für Schnellbusse eingerichtet werden, Radschnellwege nach Köln müssen folgen. Der Durchgangsverkehr muss aus Mülheim heraus und das Ordnungsamt für autofreie Rad- und Fußwege sorgen.
Zur Person
Engelbert Becker (67), geboren an der Ahr, lebt seit 18 Jahren in Mülheim. Der Maler, Grafiker und Aktionskünstler ist mit der Künstlerin Renate Paulsen verheiratet. Die beiden sind seit 40 Jahren ein Paar, haben die ganze Zeit über auf ein Auto verzichtet und legen alle Wege zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Becker engagiert sich unter anderem in der Nachbarschaft Mülheim Nord, in der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Umweltpolitik oder in den Initiativen „Frische Luft für Mülheim“ sowie „RRX für Mülheim“. (aef)
Gibt es in diesem Zusammenhang eine Herausforderung, die 2019 hervorsticht?
Mit der Sanierung der Mülheimer Brücke bekommen wir große Probleme. Die wichtige Verkehrsverbindung wird zeitweise unterbrochen. Anwohner werden mehrere Jahre durch den Baustellenverkehr und -lärm belastet. Die Stadt muss die Bürger informieren und eng beteiligen.
Bei der Brückensanierung sollten die Entwürfe von der Regionale 2010 berücksichtigt werden, um Rampe und Umfeld der Brücke mit mehr Aufenthaltsqualität zu gestalten. Dabei geht es um die Verbindung von Rhein und Wiener Platz, die Ausstrahlung des Bauwerks ins Stadtviertel, einen lebendigen Innen- und Außenraum sowie die Belegung und Nutzung der Räume im Innern der Rampe.
Sie melden sich immer zu Wort, wenn es um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums geht.
Die Probleme liegen in Mülheim-Nord vor der Tür. Einerseits will die Stadt sozial genutzten Wohnraum privatisieren – wie in der Düsseldorfer Straße – andererseits gibt es großen Bedarf nach gefördertem, sozialem Wohnungsbau. Problematisch sehe ich das Bauvorhaben zwischen Berliner und Hacketäuerstraße, vorrangig für sozial Schwache und Flüchtlinge.
Die Mieterstruktur im Stadtgebiet sollte besser gemischt sein, um Ghettobildung zu verhindern. Weiter brauchen wir im Veedel frei finanzierte Wohnungen im mittleren Preissegment. Dafür sollte die Verwaltung Baugrund für Genossenschaften sichern und zur Verfügung stellen – und noch einmal den ehemaligen Güterbahnhof ansehen, denn Nutzungsplanungen und Emissionswerte haben sich seit dem Werkstattverfahren geändert.
Wo sehen Sie in Mülheim noch Entwicklungspotenzial?
Bei Spielhallen und Wettbüros ist die Anwendung der geltenden Gesetze für Mindestabstände schon längst überfällig. Besucher der Spielhallen parken die Gehwege zu und tragen zu einem höheren Aggressionspotenzial im Veedel bei – andere Entwicklungen werden dadurch verhindert. Für Gebiete, für die es noch keine Erhaltungssatzungen gibt, müssen solche beschlossen werden. Toll und bereichernd finde ich, dass uns das Schauspiel noch weiter erhalten bleibt.
Und für das Mahnmal des Nagelbombenanschlags 2014 in der Keupstraße sollen sich jetzt die Stadt, Künstler und Investoren auf eine Realisierung verständigen. Ich finde den Entwurf gut, er trifft das Thema, ist zeitgemäß und kann ständig weiterentwickelt werden. Gut ist auch, dass die Stadt weiter viel unternimmt, um generationenübergreifende Spiel- und Sportstätten zu schaffen.#infobox