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Kleinkrieg in Köln-DellbrückAnwohner kämpft mit Kamera gegen Falschparker

Lesezeit 4 Minuten

Marc Schneiders meldet der Stadt nach eigenen Angaben in manchen Monaten rund 1000 Parkverstöße. 

Dellbrück – Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel, doch Marc Schneiders zieht trotzdem in den Kampf. Zumindest nennt er das selbst so. In seiner Welt ist er der Anführer einer Antiterrorgruppe, die gegen Terroristen ins Feld zieht. Seine Waffen sind eine kleine Kamera und Paragraf 158 der Strafprozessordnung. Er erlaubt jedem Bürger die Anzeige von Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten aller Art. Schneiders nimmt diesen Paragrafen wörtlich. Es ist der Kampf eines überzeugten Fahrradfahrers um den raren Platz im Straßenverkehr, der im eigentlich beschaulichen Dellbrück mittlerweile zu eskalieren scheint. Denn nun gerät Schneiders selbst ins Visier seiner Gegner.

Marc Schneiders trägt eine blaue Schirmmütze, ein Hemd, Sandalen zur dreiviertellangen Hose. Er ist keiner, der auf den ersten Blick auffallen möchte, aber tut es trotzdem. An diesem Hochsommertag drehen sich immer wieder Menschen auf Dellbrücks Straßen nach ihm um. Mittlerweile ist er im Veedel bekannt. Denn allzu häufig haben die Menschen hier Bußgeldbescheide bekommen, auf denen Schneiders als Zeuge vermerkt war. Dass das immer öfter passiert, daran arbeitet Schneiders – auch jetzt.

Es dauert nur Minuten, bis er vor einem falsch geparkten Fahrzeug an der Dellbrücker Hauptstraße stehen bleibt. „Wieder ein Kunde“, murmelt Schneiders, die viereckige Action-Kamera, kleiner als eine Zigarettenschachtel, im Anschlag. Er nennt sie „Kundenmagnet“. „Etwas Sarkasmus und schwarzen Humor braucht man schon für diese Arbeit“, sagt Schneiders. Die Falschparker scheint er tatsächlich magnetisch anzuziehen. Er entdeckt sie hier an jeder Ecke; vor Geschäften, Hauseinfahrten, Straßenecken. Mit zwei Mitstreitern komme er in manchen Monaten laut eigener Aussage auf bis zu 1000 Anzeigen. „Einen von denen nenne ich meinen besten Schüler“, sagt Schneiders, „weil er mittlerweile bessere Fangzahlen hat als ich.“

Für den studierten Städtebauer sind sie der Beweis dafür, dass in Dellbrück die Verkehrspolitik gescheitert ist, dass Parkplätze fehlen, aber auch die Rücksicht vieler Verkehrsteilnehmer. Er selbst ist überzeugter Radfahrer, klagt über schlecht ausgebaute Wege, über Autofahrer, die Radwege zuparken, Radfahrer behindern, schlicht Fahrrädern den Platz wegnähmen. Ganz bewusst veröffentlicht er deshalb immer wieder Fotos der falsch parkenden Autos in sozialen Netzwerken und stellt deren Halter an den öffentlichen Pranger. „Anders geht es nicht, denn die zu niedrigen Bußgelder wirken nicht“, sagt er. „Ich finde Denunzieren auch scheiße, aber alle anderen Möglichkeiten habe ich schon ausgenutzt.“

„Übers Ziel hinaus“

Diejenigen, die sein Gebaren besonders ärgert, sitzen an diesem Tag nur einige Meter von Schneiders entfernt, versteckt hinter einer Markise im Außenbereich einer Dellbrücker Kneipe, vor Biergläsern und Colaflaschen. Viele Männer, eine Frau. „Interessengemeinschaft Toleranter Veedelsverkehr in Dellbrück“ hat sich die Gruppe offiziell genannt, doch eigentlich, das wissen alle hier, ist es eine Gemeinschaft, die vor allem den Aktivitäten von Schneiders und seinen Mitstreitern etwas entgegensetzen möchte.

„Das ist ein Mensch, der es einfach nur geil findet, andere Leute anzuschwärzen“, sagt Antje Löffelholz, eine der acht Gründungsmitglieder. „Es geht uns ja auch nicht darum, dass hier jeder parken kann, wie er möchte, aber so, wie Herr Schneiders es macht, ist es einfach nur völlig übers Ziel hinausgeschossen.“ Löffelholz erzählt davon, dass sie gehbehindert sei, mit dem Wagen manchmal zum Ausladen der Einkäufe vor ihrem Haus halte. Da sei sie zum Beispiel schon von Schneiders fotografiert und angezeigt worden. Ihre Mitstreiter behaupten, Schneiders habe auch Krankentransportfahrzeuge und Altenpflegeautos bei der Arbeit angezeigt – was der nicht grundsätzlich abstreitet. Für Falschparken sagt er, gebe es kaum Entschuldigungen – und Gesetz sei Gesetz.

Gegen das kompromisslose Vorgehen haben sich Dellbrücker zusammengeschlossen in der IG Toleranter Veedelsverkehr.

Für das Ordnungsamt müsste Schneiders also ein praktischer Gehilfe sein, immerhin dürfte er der Stadt schon viele Zehntausend Euro eingebracht haben. Auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ will sich die Stadt nicht zur Frage äußern, wie sie zum Engagement von Schneiders steht.

Nur so viel: Die Zahl der Anzeigen durch Bürger ist zwischen 2017 und 2019 von rund 28500 auf 36430 gestiegen. Und diese Anzeigen machen der Stadt de facto auch Arbeit, denn weil die „amtliche Feststellung“ fehle, sei in der Behörde „eine erhöhte Aufmerksamkeit geboten und die Beweisführung unter Umständen schwierig“.

Verfahrene Lage

Die Lage in Dellbrück scheint verfahren, eine weitere Eskalation nicht ausgeschlossen. Auf die Gegenseite zugehen möchte keine Partei. Schneiders möchte Falschparker auch weiterhin konsequent anzeigen, der Interessengemeinschaft wäre am liebsten, wenn Schneider sein Engagement schnellstmöglich einstellen würde. „Er macht sich hier eine Menge Feinde“, sagt Antje Löffelholz. „Meiner Frau wäre am liebsten, wenn ich aufhören würde“, sagt Marc Schneiders. „Aber ich mache weiter.“

Marc Schneiders ist Fahrradfahrer aus Überzeugung.

Er würde sich wünschen, mit der Gegenseite in einen konstruktiven Austausch treten zu können. Ob das passieren wird, ist mehr als fraglich. Vor rund einer Woche haben ihm Unbekannte nachts Bauschaum in den Briefkasten gefüllt.