In der Kölner Feinkonditorei Hasan Özdag werden spektakuläre Motiv-Torten produziert, die europaweit bekannt sind. Chefin Hülya Özdag erklärt, wer die Torten bestellt und wie sie hergestellt werden.
Kölner Torten-Macherin„Wünsche der Kunden werden immer schriller“
Es ist ein bisschen wie der wahr gewordene Traum von einer süßen, quietschbunten Wichtelwerkstatt: Torten, Torten, Torten. Biskuitböden werden geschnitten, mit Creme bestrichen und aufeinander gesetzt. Mit Lebensmittelfarbe aus einer Airbrush-Pistole wird der Sonnenuntergang aus „König der Löwen“ gezaubert. Auf einer mit der Zauber-Zuckermasse Fondant verkleideten Torte in Tassen-Form wird das Foto eine Mannes ausgelegt – gedruckt auf einem Spezialdrucker auf essbarem hauchdünnen Untergrund –, der 40. Geburtstag feiert und Kaffee liebt.
Mitarbeiterinnen formen aus Fondant Teddybären, Handtäschchen mit Luxusmarken-Logos, Bagger und Puppen, Engel, Kreuze, Shisha-Pfeifen. Alles ist möglich. Das international gemischte Team – es sind insgesamt 30 Mitarbeiter – ist eingespielt, jeder hat sein Spezialgebiet. Allein vier Kolleginnen sind nur für das Modellieren zuständig. „Man braucht viel Gefühl und Talent“, sagt Hülya Özdag (42), Chefin der Feinkonditorei Hasan Özdag mit Sitz auf der Keupstraße und in Stammheim.
„Die Leute bestellen die schrillsten Sachen. Das wird immer komplexer. Wir besprechen dann im Team, wie man das hinkriegen kann. Zu 99 Prozent schaffen wir das auch.“ Currywurst mit Pommes für eine Kölner Traditionsgaststätte, ein vor Geldscheinen berstender Tresor, ein Tiger, ein riesiger Burger für die Eröffnung der Filiale einer Fastfood-Kette in Bochum, eine Babyshower-Torte mit passenden Cupcakes und Plätzchen.
Etwa 70 Prozent der Bestellungen kommen über Whatsapp und die Vorlagen sind meistens Instagram-Fotos. Irrsinnig aufwendige Torten zu backen, ist schon seit einiger Zeit Trend. Und die TV-Backshows befeuern das noch. Mit Flockensahne beeindruckt man niemanden mehr.
Das größte Werk, das je bei Özdags angefertigt wurde, war in diesem Sommer eine 1,50 Meter hohe Hochzeitstorte. „Da haben wir uns ganz schön viel zugemutet“, lacht die Chefin. Die Torte musste schließlich in drei Teilen quer durch die Stadt von Stammheim bis in den Mediapark und dort in das Restaurant Osman hoch oben im Köln-Turm gebracht werden – in drei Autos, begleitet von drei Konditoren, die die Teile dann zusammensetzten. Das Ehepaar habe eigentlich in Dubai mit allem Pomp feiern wollen und musste dann umdisponieren. Die Torte kostete stolze 5000 Euro, allein die frischen Blumen, die sie schmückten, waren 1000 Euro wert. Es gibt aber bei den Özdags auch zweistöckige Torten für 150 Euro und eine einstöckige Fototorte für 50 Euro – die reicht für 25 Gäste.
Manche Torten brauchen Styropor
Nicht wundern darf man sich, wenn nicht alles essbar ist. Größere Deko-Elemente wie etwa ein Feuerwehrauto, eine Eiskönigin oder eine Kaskade von Kugeln müssen ein Herz aus Styropor haben. Sie wären einfach zu schwer für die Torten, wenn sie massiv aus Modelliermasse gemacht wären. Und bei mehrstöckigen Torten sind die unteren Etagen manchmal ebenfalls aus verziertem Styropor. Denn kaum eine Gesellschaft ist so groß, dass so viel Kuchen tatsächlich gegessen werden kann. „Und dann wäre es einfach zu schade um die Lebensmittel.“
80 Prozent der Kunden seien Deutsche, sagt Hülya Özdag, vor allem bei den Hochzeitstorten. Türkische Paare feierten häufig in großen Sälen, bei denen der Caterer auch die Torte liefert und da sei Özdag dann außen vor. Ansonsten ist alles religionsübergreifend: Es gibt Torten zur Beschneidung genauso wie zur Kommunion. 200 Motiv-Torten werden pro Woche produziert und in ganz Deutschland verschickt. Dazu kommen noch 400 kleinere „Tagestorten“ für den Alltags-Kaffeeklatsch.
Gegenüber orientalischen Kuchen gebe es noch immer das Vorurteil, dass sie sehr süß seien, sagt Hülya Özdag. Das sei aber nicht der Fall (und eine Kostprobe bestätigt dies): Die Konditorei verwendet seit 20 Jahren eine eher zurückhaltende Mischung aus Buttercreme und Pudding für die Füllung. Aber Überzeugungsarbeit muss immer noch geleistet werden. „Wir gehen sehr viel auf Hochzeitsmessen und lassen die Leute probieren.“
Hasan Özdag kam als Textilarbeiter
Die Özdags haben in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit geleistet. Vater Hasan kam als Textilarbeiter mit Frau und sieben Kindern nach NRW und verkaufte nebenbei Halka Tatlisi – frittierte süße Kringel – in türkischen Teestuben. 1986 gründete er sein Geschäft in der Keupstraße, das heute noch die Hauptniederlassung ist. 2008 übernahmen die Kinder – fünf sind noch dabei.
Die Töchter Zülya und Hülya sind für die Produktion und den Einzelhandel zuständig. Die Brüder kümmern sich um den Großhandel innerhalb Deutschlands und Europas, denn der Name „Orientalische Feinkonditorei Hasan Özdag“ ist mittlerweile weithin bekannt. 2019 Jahren kam die Filiale in Stammheim mit der angeschlossenen Torten-Werkstatt dazu – man brauchte mehr Platz.
Der Vater habe die Töchter immer gleichwertig mit den Brüdern behandelt, sagt Hülya Özdag. „Obwohl er ja wirklich noch aus einer anderen Gesellschaft kam.“ Aber er habe bestimmt: „Wer fleißig ist, hat das Sagen.“ 2006/07 drehte WDR-Filmemacherin Ute Diehl, die schon „Die Fußbroichs“ berühmt gemacht hatte, die mehrteilige Doku „Die Özdags“. „Wir haben vor allem mitgemacht, um Vorurteilen gegenüber türkischen Großfamilien etwas entgegenzusetzen.“
Auf dem Ruhm ausruhen können sich die Özdags aber nicht. Der Trend bei Torten ändert sich etwa alle zwei Jahre. Derzeit ist der Vintage-Stil beliebt mit dezenten Farben und Deko aus Pampasgras oder Gerste. Angesagt sind auch Naked Cakes, „nackte Kuchen“ ohne Fondant-Verkleidung, und Drip Cakes, bei denen Guss wie zufällig an den Rändern herunterläuft. Und die nächsten, noch schrilleren Instagram-Vorlagen liegen schon auf dem Tisch.