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Kolping-Haus in MülheimWo Jugendlichen in Köln Halt und Hilfe finden

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Während der Besucherführung gewährte Birgit Endrikat einen Blick in ihr Büro.

Mülheim – Im Kolpinghaus am Präses-Richter-Platz wurde nun das 160-jährige Bestehen des Diözesanverbandes gefeiert – das ist der Dachverband der mehr als 100 Kölner Kolpingsfamilien. Gründungstag war der 29. November 1858. Nur neun Jahre zuvor hatte der gebürtige Kerpener Adolph Kolping, Domkaplan und Sozialreformer, in Köln den ersten Gesellenverein gegründet – Vorläufer der heutigen Kolpingsfamilie.

„Es gelte nach wie vor die Forderung Kolpings, dass die Kirche sich von der sozialen Frage nicht zurückziehen dürfe“, sagte Martin Rose vom Vorstand des Diözesanverbandes bei seiner Festansprache im voll besetzten Saal. Nach dem offiziellen Teil gab es eine Vorstellung vom Circus Blume aus Blumenberg sowie mehrere Führungen. Das Mülheimer Jugendbüro hat seinen Sitz im Haus: Jugendliche aus dem Stadtbezirk erhalten Berufsberatung und psychosoziale Unterstützung. Im Parterre residiert ein Anwohnercafé, das zugleich als Bildungsstätte dient: Dort arbeiten benachteiligte Jugendliche, die Praxiserfahrungen im Gastgewerbe sammeln sollen.

In den oberen Etagen ist das Jugendwohnheim untergebracht. Seit 22 Jahren hat Birgit Endrikat die Leitung. In der Zeit habe sie wohl an die 1500 Bewohner kommen und gehen sehen, erzählte sie bei der Besucherführung. Teenager, die nicht zu Hause leben können, weil sie dort Verwahrlosung, Gewalt oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind. Auch Drogenkonsum, Straftaten oder ein hohes Aggressionspotenzial sind Gründe, warum das Jugendamt einen jungen Menschen aus der Familie nimmt und in eine betreute Einrichtung einweist. Ein weiteres Klientel seien unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, erläuterte Endrikat.

Kriterien für die Aufnahme sind, dass die Finanzierung durch das Jugendamt feststeht und dass der Jugendliche auf eine berufliche Perspektive hin arbeitet. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt zwischen anderthalb und drei Jahren. Mindestalter ist 14 Jahre. Oberstes Ziel sei, den Bewohner in die Selbstständigkeit zu entlassen, auch wenn das manchmal am Ende nur die Überleitung ins Betreute Wohnen bedeutet, sagte Endrikat.

Fünf Erzieher arbeiten im Wohnheim, dazu eine Therapeutin, sie vermittelt gegebenenfalls weiter zu psychiatrischer Behandlung. „80, 90 Prozent der Jugendlichen hätten Bedarf an einer Therapie“, sagte Endrikat. „Ihr Leben wurzelt auf Sand, weil sie keinen familiären Halt mitbekommen haben, bricht eine Stütze weg, wackelt alles.“ Auch die „ganz harten Brocken“ kommen unter. „Es ist gerade ein Intensivstraftäter eingezogen, den haben sieben Heime rausgeschmissen, bei uns ist er momentan stabil.“

Der Aufenthalt ist stets freiwillig, eine Zwangseinweisung findet nicht statt. Als Sanktionen stehen nur Er- und Abmahnungen zur Verfügung oder als letztes Mittel die Kündigung. Die kann schnell erfolgen, bei Drogenkonsum zum Beispiel kennt die Heimleiterin kein Pardon: „Wir hatten mal einen Jugendlichen, der war noch keine zwei Stunden im Haus, da hatte sich der schon eine Riesentüte Gras angezündet.“ Er musste gehen. Ansonsten gilt: „Wir wollen alle behalten, niemand wird auf die Straße geworfen.“ Ein Highlight im Jahresablauf, neben der Sommerfreizeit auf Ameland, ist das Weihnachtsfest, das ausgiebig gefeiert wird . Der Baum wird im Wald selbst geschlagen, jeder Bewohner schreibt einen Wunschzettel ans Christkind, das ist Pflicht. Die drei schönsten werden prämiert. Erster Preis sind Kinokarten.

Das Kolpinghaus, Baujahr 1929, ist deutlich in die Jahre gekommen: düsteres Treppenhaus, lange, schmale Flure, teils winzige Zimmer. Auch, dass es nach wie vor Doppelzimmerbelegung gebe, sei alles andere als zeitgemäß, sagte Endrikat. Für 2019 ist eine Modernisierung geplant, die sich aber nicht auf die Fassade erstrecken wird: Das sechsstöckige Gebäude steht unter Denkmalschutz.