Gedichte sind ihr HauptberufLuca Swieter aus Köln ist professionelle Poetry Slammerin
Köln-Bocklemünd – Kein Zweifel. Die Frau traut sich was. Luca Swieter schnappt sich das Mikrofon und beginnt mitten in der Fußgängerzone des Görlinger-Zentrum ein Gedicht vorzutragen.
Ein Märchen über eine Königstochter und Prinzen, aber auch über Gleichberechtigung. Es ist ein kühler Herbstnachmittag und Publikum ist nur spärlich gekommen. Einige Passanten bleiben stehen und staunen über den stakkatoartigen Vortrag. Luca Swieter ist Poetry-Slammerin. Sie hat schon ganze Hallen in ihren Bann gezogen.
Bei einem Vorlese-Tag für eine Kindertagesstätte aufzutreten, ist für die 27-Jährige genauso selbstverständlich wie bei Schüler-Workshops mitzuwirken. Das Poetry-Slamming ist ihr Hauptberuf.
Vorzugsweise stellt sich Luca Swieter dem Wettbewerb mit anderen ihrer Zunft. „Beim Poetry Slamming zählt nur der Textvortrag“, erklärt sie ihren Zuhörerinnen und Zuhörern. „Hilfsmittel wie ein Instrument oder auch nur ein Quietscheentchen wären nicht erlaubt.“ Die Poetry-Slam-Szene in Deutschland bietet eine Vielzahl von Wettbewerben bis hin zu nationalen Meisterschaften.
Luca Swieter hat Schimpfwörter im Repertoire
Was für das Publikum nach harter Konkurrenz und knisternder Spannung klingt, sehen die Akteurinnen und Akteure auf der Bühne eher locker. „Uns Auftretende juckt der Wettbewerb nicht so richtig“, sagt Luca Swieter. Im Gegenteil: Man unterstütze sich sogar gegenseitig, wenn es darum geht, den Vortrag zu verbessern. Dafür sei allerdings Live-Publikum der beste Gradmesser. „Natürlich will ich mich auch verbessern“, räumt sie ein, „dazu gehört, bewusst die Publikumsreaktionen abzuschätzen und den Vortrag entsprechend anzupassen.“
In Bocklemünd warnt sie ihre zum Teil sehr jungen Zuhörer vor, denn Schimpfwörter hat sie durchaus im Repertoire. Vor allem, wenn es die eine oder andere klare Ansage gibt. Nach dem für Märchen obligatorischen Beginn mit „Es war einmal“ reiht sich Reim um Reim aneinander. Die junge Frau hastet in atemberaubenden Tempo durch die Versfüße und spricht über völlig überkommene Rollenklischees und Frauenbilder. Zwischendurch kann durchaus gelacht werden. „Humor und Feminismus schließen sich für nicht nicht aus“, stellt sie klar.
Swieter slamt über den Hipstertrend Bouldern
Sie sehe ein großes Potenzial an Witzen, die man dabei vortragen könne, ohne jemanden zu diskriminieren. Es bestehe allerdings immer die Gefahr, dass Schwellen überschritten werden. Viele Geschichten, die sie in Gedichtform vorträgt, findet sie sozusagen „auf der Straße“. Etwa die Hipstertrends, die sie anhand eines selbstironischen Vortrags über die Klettersportart Bouldern, durch den Kakao zieht.
Zur Poetry kam sie während der Schulzeit 2015. Geboren und aufgewachsen ist sie in Bad Bentheim im Emsland. Während des Studiums entwickelte sie immer mehr Spaß, sich an Slam-Wettbewerben zu beteiligen. Schon vor dem Bachelor-Abschluss in Gesellschaftswissenschaften an der RWTH Aachen sei ihr klar gewesen, dass sie Poetry Slam zu ihrem Beruf machen würde. Inzwischen lebt Luca Swieter in Köln-Mülheim. Mittlerweile hat sie sich einen typischen Style zugelegt. Bluse und Rock oder ein sehr dezentes Kleid wirken dann wie ein optischer Kontrapunkt zu den manchmal etwas provokanten Zeilen. Die Pandemie schränkt den Kulturbetrieb vielerorts stark ein. Das spüren auch die Poetry-Slammer, die der Clubszene allmählich entwachsen sind. „Mittlerweile gibt es Slamming sogar in der Elbphilharmonie“, sagt Luca Swieter. Ein Ziel für das bald beginnende neue Jahr? „Ich nehme, was kommt“, sagt sie. Konkrete Vorhaben sind aber, in der Kölner Szene besser Fuß zu fassen, eine Textsammlung zu veröffentlichen und mehr Workshops zu geben.