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Kölner Sommerblut-FestivalLustvolles Theater im Zeichen der Angst

Lesezeit 4 Minuten
Ein Tänzer aus Singapur in Lederriemen tanzt vor einer Videoinstallation, die eine singapurische Gottheit persifliert.

Zum Auftakt des Sommerblut Festivals gibt es ein Tanzgastspiel von Choy Ka Fai im Depot 2 in Mülheim. Er adaptiert für „Yishun is Burning“ singapurische rituelle Tänze.

Das 22. Sommerblut-Festival, das vom 6. bis 24. Mai 2023 stattfindet, präsentiert rund 50 Veranstaltungen zum Thema „Geh dahin, wo die Angst ist“.

„Geh dahin, wo die Angst ist“ lautet das Motto des 22. Sommerblut-Festivals, das vom 6. bis 24. Mai in Köln stattfinden wird. „Das Thema lag in der Luft angesichts der Krisen in der Welt“, sagt Festivalleiter Rolf Emmerich bei der Programmvorstellung im Depot des Schauspielhauses in Mülheim. „Angst ist kreativ, und ohne Angst vor Nähe kann es keine Liebe geben.“ Man müsse raus aus der Bequemlichkeit, die eigene Komfortzone verlassen und versuchen, einen Umgang zu finden mit Berührungsängsten, Klimaangst, German Angst, der Furcht vor Veränderung, vor Verschiedenheit, vor dem Anders-Sein. „Wir rücken unbequeme Themen in den Mittelpunkt und testen die Grenzen von Theater aus.“

Das Festival, das sich auf die Fahne schreibt, Tabubrüche kreativ zu inszenieren, dabei „inklusiv, empathisch, friedvoll, politisch, aufrüttelnd und dabei immer professionell“ zu sein, präsentiert traditionell ungewöhnliche Projekte jenseits des Mainstreams, arbeitet zusammen mit Menschen mit Behinderung oder sozial Benachteiligten, „Expertinnen und Experten aus verschiedenen Lebenswelten“, wie die künstlerische Leiterin Anna-Mareen Henke es formuliert. Rund 50 Veranstaltungen wird es geben, die nicht nur barrierefrei sind, sondern auch ökonomisch so vielen Menschen wie möglich einen Besuch ermöglichen sollen: Tickets gibt es deshalb schon ab vier Euro (gestaffelt bis 48 Euro). Der Preis entscheidet nicht zwangsläufig über die Qualität des Platzes. Hier eine Auswahl.

Yishun is Burning Den Auftakt macht ein Tanzgastspiel von Choy Ka Fai. Im Depot 2 adaptiert er für „Yishun is Burning“ singapurische rituelle Tänze für ein transzendentes, queeres Solo auf einer multimedialen Bühne. „Es geht um das Hinterfragen gängiger Sichtweisen“, sagt Anna-Mareen Henke über das optisch opulente Projekt. Der Tänzer Sun Phitthaya Phaefuang (a.k.a. Aurora Sun Labeija) begibt sich „in Zustände zwischen Ekstase, Trance und Drag und überschreitet dabei Zuschreibungen von Gender, kultureller Identität und Religion“. Anschließend gibt es ein großes Fest im Carlsgarten, bei dem auch das neue Festivalzentrum, eine Art mobile Lobby, die an einen Kiosk gemahnt und sich wie das Sommerblut auf eine Reise durch die Stadt machen wird, mit einem DJ-Set von GÎn Bali Premiere feiern wird.

Alias Parallelwelten 2030 „Was passiert, wenn der öffentliche Raum zum privaten wird?“ ist die zentrale Frage des Projekts „Alias Parallelwelten 2030“, bei dem es um Wohnraum und Obdachlosigkeit geht. Das Drugland-Theater taucht ein in eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit, verarbeitet autobiografische Erfahrungen und bezieht sich auf Kölner Plätze wie Neumarkt, Ebertplatz oder Appellhofplatz. So will man die Zuschauenden mitnehmen auf eine Reise in die phantastischen Parallelwelten unseres städtischen Zusammenlebens (Orangerie, 21./22. Mai).

Vor einer Videoinstallation, die einen Glückspielautomaten zeigt, stehen ein Glas mit Cola und ein voller Aschenbecher.

Mit „Cola Lemon 30 Cent“ nähert sich Regisseur Frederik Werth der Glückspielsucht.

Cola Lemon 30 Cent Mit einem Kaleidoskop aus Videoinstallation, Kneipenatmosphäre und Performance nähert sich Frederik Werth der Glückspielsucht („Cola Lemon 30 Cent“, Subbelrather Hof, 8.-11. Mai). „Im Strudel der Adrenalin-Kicks spürst du, wie es ist, wenn die Aussicht auf Geldgewinn und Existenzaufgabe zu mächtigen Betäubungsmitteln werden“, sagt der Regisseur, der Spielotheken als einen Ort begreift, in dem Süchtige jegliches Gefühl für Raum und Zeit verlieren sollen. „Am Automaten, jenseits der Zeit und am Ende der Gefühle, wird alles zum Spiel, zur gefährlichen Simulation.“

Monster-Malen live zur Blauen Stunde

Monster Aber kein Angst, es gibt auch durchaus lustige Ansätze im Festival. Etwa die „Monster“-Lesung von Ohrenkuss, bei der auch behinderte Menschen wie Nathalie mit Texten die Angst vor dem Unheimlichen nehmen wollen. Draußen, im Garten der Orangerie, gibt es am 18. Mai zur Blauen Stunde bunte Texte, Monster-Musik und Monster-Malen live.

Mad Pride Bunt und schrill wird es auch, wenn die Mad-Pride-Parade am 21. Mai vom Neptunplatz nach Odonien zieht. Musikalisch begleitet von Kwaggawerk will man ein Zeichen setzen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung jeglicher Art. Im Anschluss wird beim „Big Bääm“ in Odonien gefeiert mit Sarah Tsehaye, Rasga Rasga und Rapper Graf Fidi.

Fest der Religionen Ein hinduistisch-daoistisch-konfuzianisch-christlich-budhhistisch-sikhistisch-jüdisch inspiriertes Freudenfest soll das „Festival der Religionen“ im Bürgerhaus Stollwerck werden (14. Mai).

Andrea Bleikamp vomKölner Kollektiv „Wehr 51“

15 Tage lang begleiten Andrea Bleikamp und das Kölner Kollektiv „Wehr 51“ eine deutsche Eiche auf ihrem letzten Weg: „Le cri“ im Rautenstrauch-Joest-Museum.

Le Cri Das vielleicht aufwendigste Projekt hat den kürzesten Namen: „Le cri“. 15 Tage lang widmet sich das Kölner Kollektiv „Wehr 51“ um Andrea Bleikamp der Erde und dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Konkret geht es um die Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Die Gruppe begleitet eine deutsche Eiche auf ihrem letzten Weg. „Wir müssen auch Pflanzen als Lebewesen verstehen“, sagt Bleikamp, „deshalb erwiesen wir dem Baum die letzte Ehre.“ Nach der Fällung in Neunkirchen-Seelscheid am 22. April wird die Eiche ins Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum überführt und dort schrittweise performativ begleitet von der Entrindung bis hin zur totalen Zerstückelung und einem abschließenden Leichenschmaus.

Sommerblut-Festival, 6.-24. Mai 2023. Weitere Informationen sowie alle Veranstaltungen und Termine unter

sommerblut.de