Wie schön Mülheim einst war, aber auch der Wandel des Stadtteils vom Industrie- zum Medienviertel ist Gegenstand eines neuen Bandes.
„Marienburg von Mülheim“Neue Broschüre zeigt, wie schön ein Veedel im Kölner Osten ist und vor allem war
Industriebetriebe auf der einen Seite und herrschaftliche Villen auf der anderen – diese Kombination prägte lange Zeit die Düsseldorfer Straße in Mülheim. Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik wie Christoph Andreae, Carl von der Herberg oder Mülheims Bürgermeister Wilhelm Steinkopf siedelten sich ab Anfang des 19. Jahrhundert in hochwassersicherer Lage am Rheinufer an. Meistens in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Industriebetriebe oder sonstigen Wirkungsstätten. So waren die Wege kurz. Telefone oder Homeoffice waren schließlich noch Zukunftsmusik.
Broschüre widmet sich 68 Straßenzügen in Köln-Mülheim
Die Düsseldorfer Straße, einst wegen ihrer stattlichen Residenzen auch das „Marienburg von Mülheim“ genannt, gehört zu den Straßen des Stadtteils, deren Historie die Mülheimer Geschichtswerkstatt jetzt für eine neue Broschüre aufgearbeitet hat. 68 Straßenzüge werden in ihrem Werdegang beschrieben, wobei immer wieder einzelne Hausnummern herausgegriffen und vertieft dargestellt werden. Wer bei einem Rundgang die zahlreich abgedruckten historischen Fotos mit der Gegenwart abgleicht, merkt bald: An vielen Stellen ist das alte Mülheim längst untergegangen. Nicht selten waren die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs oder der Strukturwandel für fundamentale Veränderungen im Stadtbild verantwortlich. Manche Gebäude haben die Jahrzehnte jedoch erstaunlich gut überstanden.
„Mein Anliegen ist, dass die Leute ihren Stadtteil besser kennenlernen“, sagt Yvonne Plum, die die Broschüre namens „Mülheimer Straßengeschichte(n)“ zusammen mit Helmut Goldau von der Geschichtswerkstatt verfasst hat: „Wenn man die Geschichte von einem Stadtteil kennt, fühlt man sich auch heimischer.“ Zwei große Gebiete zum Erkunden haben sich die Geschichtsforscher herausgepickt. Zum einen geht es um den Altstadt-Bereich zwischen der Mülheimer Brücke, dem Clevischen Ring, der Straße „Am Faulbach“ und dem Rheinufer. Hier liegen Straßenzüge mit langer Vergangenheit wie die Mülheimer Freiheit, die Buchheimer Straße, aber auch der Wiener Platz.
Areal rund um das Carlswerk war ein riesiges Industriegelände
Den zweiten Schwerpunkt bildet der Mülheimer Norden zwischen der Bruder-Klaus-Siedlung und der Bergisch Gladbacher Straße. Dieses Areal hat vor allem das Carlswerk als Kabelproduzent mit einst tausenden Mitarbeitern geprägt. Die Broschüre informiert nicht nur über die Verwandlung des riesigen Industriegeländes an der Schanzenstraße hin zur beliebten Adresse für Medien-, Kultur- und Unterhaltungsbetriebe, sondern auch über die Hintergründe von Straßennamen.
Die Schanzenstraße beispielsweise hieß bis 1888 Schänzchensweg, da die Mülheimer hier vor der Industrialisierung in einem Buchenwald ihre Reisigbündel sammelten, auch Schänzchen genannt. Schanzen hingegen waren Befestigungsanlagen, die ursprünglich aus Reisigkörben gebaut wurden, die mit Erde gefüllt wurden. Eine solche Befestigungsanlage habe es hier zwar nicht gegeben, schreiben die Autoren: „Der neue Begriff klang jedoch imposanter und passte dadurch besser zu der Adresse der hier entstandenen Industriebetriebe.“
Yvonne Plum und Helmut Goldau schlagen teils konkrete Rundwege vor, letztlich kann jeder aber selbst entscheiden, welchen Teil Mülheims er oder sie erkundet. Interessantes gibt es quasi an jeder Ecke zu erfahren. An der Düsseldorfer Straße fällt der Vergleich von früher und heute jedenfalls besonders drastisch aus. Einige Villen sind zwar noch erhalten: „Von manchen gibt es aber nur noch einzelne Mauern“, sagt Helmut Goldau. Hier befinden sich heute Wohnanlagen oder das 1955 eröffnete Rhein-Gymnasium. Auch die Industrie ist längst verschwunden: Die Düsseldorfer Straße gehört heute zu den ruhigen Teilen Mülheims.
Dank städtischer Fördergelder ist die Broschüre „Mülheimer Stadtgeschichte (n)“ kostenlos erhältlich. Sie liegt im Café Jakubowski an der Mülheimer Freiheit 54 und im Toré Café im Kulturbunker an der Berliner Straße 20 aus. Eine digitale Version ist demnächst über www.geschichtswerkstatt-muelheim.de abrufbar.