StrukturwandelMülheim wird das neue Ehrenfeld
Mülheim – Für Daniel Fielitz ist Mülheim auf dem Sprung. In fünf bis zehn Jahren, da ist sich der Projektleiter der Firma Beos sicher, kann Mülheim mit Ehrenfeld gleichziehen: Multikulturell und strukturgewandelt, die brach liegenden Industrieanlagen der Gründerzeit umfunktioniert in trendige Büro-Lofts und schicke Wohnungen. „Es kommt immer mehr Dynamik in das Rechtsrheinische“, sagt Fielitz.
Wie gut Mülheim der Sprung in die Moderne teils schon gelingt, erlebten die Teilnehmer des ersten Wirtschaftsdialogs, den das neu gegründete „Büro Wirtschaft für Mülheim“ organisiert hatte. In einer sanierten Werkstatthalle des einst mächtigen und später eingegangenen Kabelproduzenten Felten & Guilleaume versammelten sich rund 100 Geschäftsleute, um über den Standort Mülheim zu diskutieren. Im Jahr 2007 hat die Beos AG 130 000 Quadratmeter Gebäudefläche an der Schanzenstraße übernommen und saniert.
Heute schätzen Verlage, Telefonanbieter und – seit Neuestem – das Schauspiel Köln den Industriecharme. In der Nachbarschaft haben sich Unternehmensberatungen, Fernsehproduktionen und Versicherungen angesiedelt. „Wir haben das hier gefunden und waren von Anfang an verliebt“, sagt Jens Kurznack von der Werbeagentur Wunderman, einer der vier Referenten des Abends.
Ein Schmelztiegel wie New York
100 Mitarbeiter beschäftigt das international agierende Unternehmen an der Schanzenstraße. Das Umfeld mit den vielen Baustellen erscheine vielen anstrengend: „Für uns ist es absolut inspirierend.“ Auch die Nachbarschaft mit der türkisch geprägten Keupstraße sei ein Gewinn, sagt Kurznack. Er vergleicht Mülheim gar mit dem Schmelztiegel New York: „Im Laufe eines Arbeitstags hat man hier mit fünf verschiedenen Nationen zu tun.“
Die Schanzenstraße ist jedoch nur ein schillernder Teil des Stadtteils. Anderswo hat der Niedergang der Schwerindustrie Wunden gerissen, die bis heute nicht verheilt sind: „Arbeitslosigkeit, soziale Härten und Armut sind in Mülheim und den angrenzenden Stadtteilen stärker ausgeprägt als es in Köln durchschnittlich der Fall ist“, sagt Ute Berg, die Beigeordnete für Wirtschaft und Liegenschaften. Diese Entwicklung gehe einher mit einer zunehmenden Verinselung: „Einige Viertel im Mülheimer Süden entwickeln sich sogar besser als die Gesamtstadt, andere fallen deutlich zurück.“
Die Wirtschaft stärken
Derartige Brüche soll das Büro Wirtschaft für Mülheim glätten. Finanziert durch das Strukturförderprogramm Mülheim 2020, will das Team aus Unternehmensberatern die lokale Wirtschaft stärken und besser vernetzen – die Gelder für das Büro fließen allerdings nur bis November 2014.
„Viele Unternehmen haben akuten Unterstützungsbedarf“, sagt Büroleiter Michael Rosenbaum. Ziel sei es, Insolvenzen zu verhindern und Neuansiedlungen zu ermöglichen. Aber auch die Identifikation der Geschäftsleute mit Mülheim zu stärken. Die Wirtschaftsdialoge, die ab jetzt alle zwei bis drei Monate stattfinden sollen, könnten dazu beitragen.
Hier pulsiert das Leben
Wer besondere Orte für seine Geschäfte sucht, wird sie in Mülheim auch in Zukunft finden: Die nächste Schanzenstraße könnte am Mülheimer Hafen entstehen. Auch hier siedeln sich immer mehr Kreative in geschichtsträchtigen Industriebrachen an. Die Stadt nimmt nun die weitläufigen Fertigungshallen von Klöckner-Humboldt-Deutz an der Deutz-Mülheimer Straße ins Visier.
„Hier soll sich in den nächsten Jahren ein Stadtquartier mit neuen Wohnungen, Grünzügen, Büros und Geschäften entwickeln“, so Berg. In der abschließenden Podiumsdiskussion ist sie sich schnell mit Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs einig: „Es wird extrem spannend – hier pulsiert das Leben.“