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Wikingauto-AuktionHöchstpreise für Miniatur-Autos

Lesezeit 4 Minuten

Gewaschen, getrocknet und säuberlich geparkt: An der Mülheimer Freiheit werden nicht nur kleine Käfer für Versteigerungen vorbereitet.

Mülheim – Die kleinste Waschstraße Kölns befindet sich in Mülheim. Holger Thelen steht an der Spüle und putzt den Fuhrpark – Dutzende Mercedes im Miniformat wandern durch seine Hände. Es sind S-Klassen darunter, Kombis und Unimogs, trotz ihres hohen Alters sind sie bestens in Schuss. Nur das Glänzen müssen sie noch lernen. Thelen lässt die Autos ein Weilchen im Spülmittel-Wasser baden, dann bearbeitet er jedes Exemplar mit dem Pinsel, um es anschließend säuberlich auf dem Heizkörper zum Trocknen zu drapieren. Manchmal benutzt der 46-jährige Feinmotoriker auch Wattestäbchen oder Zahnbürsten zum Reinigen. Die zerbrechlichen Plastik-Winzlinge sollen sauber sein, wenn sie demnächst versteigert werden.

Das ehemalige Ladenlokal an der Mülheimer Freiheit gehört zu den Schaltzentralen einer speziellen Gemeinschaft: Hier werden Auktionen für Wiking-Modelle vorbereitet – Plastikautos im Maßstab 1:87, die ihre Fans sammeln wie andere seltene Briefmarken. Gründer des Auktionshauses ist Carsten Saure. Er ist Spezialist auf dem Gebiet der Fahrzeuge, ohne die lange Zeit keine anständige HO-Eisenbahn denkbar gewesen wäre. Saure ist in Darmstadt aufgewachsen, umgeben von Wiking-Autos, die sein Vater tausendfach sammelte. Schon als 14-Jähriger ging Carsten Saure auf Börsen, um doppelte Exemplare seines Vaters zu verkaufen. Das kleine Spielzeug ist für den heute 40-Jährigen zu einer großen Sache geworden. Mit Holger Thelen beschäftigt Saure einen fest angestellten Mitarbeiter, dazu kommt eine Honorarkraft. Mittlerweile hat Saure auch ein Standardwerk geschrieben: Das „Wiking-Handbuch der alten Modelle“ gibt einen Überblick über Wert und Beschaffenheit vieler Wiking-Fahrzeuge der ersten Nachkriegsjahrzehnte.

Die große Wikingauto-Versteigerung

Es bieten überwiegend gestandene Männer mit, wenn Saure einmal pro Quartal in den Liebfrauensaal an der Mülheimer Adamsstraße zur Wikingauto-Versteigerung einlädt. Sie kommen aus ganz Deutschland, sind in der Regel zwischen 45 und 65 Jahre alt und suchen in der Wiking-Welt mit ihren eigenen Gesetzen einen Ausgleich zum schnöden Alltag. Als Kind flüchtete auch Saure mit Leidenschaft in seinen Mikrokosmos, später liebte er das Handeln mit Wiking-Autos, arbeitete sich in das Thema ein und knüpfte wichtige Kontakte in der Szene. 1999, kurz nach seinem Studium der Wirtschafts-Mathematik, stellte er seine erste Wiking-Auktion auf die Beine. Er war nervös, aber es sei gut gegangen, sagt Saure am Schreibtisch, der gleichzeitig Mini-Parkplatz für Dutzende Kleinstwagen ist. 3500 D-Mark erzielte das teuerste Stück damals. Es war ein VW-Bulli T 1 mit Doppelkabine. Schon kurze Zeit später konnte Saure von seinen Auktionen gut leben. „Wiking hat es verstanden, das Wesentliche eines Modells darzustellen und das Unwesentliche wegzulassen“, sagt der zurückhaltende Auktionator über den Berliner Spielzeughersteller, der kurz nach dem Krieg mit der Produktion von Kunststoff-Autos begann. Die Wiedergabe der real existierenden Fahrzeuge sei abstrahiert worden: „Das macht sie zu Kunstwerken.“

Der Wert dieser Kunstwerke ist höchst unterschiedlich. Es sind Nuancen, die über große Preisunterschiede entscheiden. Einen VW-Käfer von 1961 in der seltenen Farbgebung hellgelbgrau versteigerte Saure einst für 3500 Euro, der gleiche VW in braunweiß brachte schlappe 31 Euro. Auch der Zustand spielt eine Rolle. Saure dreht einen Sportwagen in mattgraublau in den Fingern. Er ist mehr als 60 Jahre alt, stammt aus der beliebten Ära der simpel gefertigten Drahtachser, „aber eigentlich ist er zweite Wahl“. Durch Lichteinwirkung ist die Front etwas heller als der Rest, über die Jahre hat Saure ein Auge selbst für kleinste Schäden entwickelt. Statt 60 dürfte das Autochen nur noch 25 Euro wert sein.

Kaum Einzelstücke unter 80 Euro

Saure hat sich auf die hochpreisigeren Wiking-Modelle spezialisiert. Auf seinen Auktionen wechseln die günstigsten Einzelstücke meistens nicht unter 80 Euro den Besitzer. Saure, dessen Provision sich nach der Zuschlagssumme richtet, beschäftigt sich überwiegend mit Autos, die vor 1970 hergestellt wurden. Die wurden meistens in kleinen Serien produziert, sind entsprechend rar und teuer. Um die nach 1970 gefertigte Massenware kümmert sich Saure nicht.

Seine Modelle bekommt der Experte von Sammlern überlassen, die die Lust an ihrem Hobby verloren haben. Auch Erben großer Wagenparks lassen versteigern. „Wir bekommen dann den Auftrag, das Beste für den Kunden rauszuholen“, sagt Saure, der vor jeder Saalauktion einen Katalog an potenzielle Bieter verschickt. Das Beste ist manchmal sogar rekordverdächtig. Im Juni 2006 versteigerte Saure einen Tanksattelzug mit der Aufschrift „Thyssen“ – Baujahr 1961, Sonderfarbe Grün – für 10100 Euro. Es ist bis heute das teuerste jemals gehandelte Wiking-Modell.

Mittlerweile versteigert der Mann aus dem Agnesviertel auch im Internet. Aber die Saalauktionen hätten ihren eigenen Reiz. Sie sind Treffpunkt der eingeschworenen Wiking-Szene, die es schätzt, die Modelle vor der Versteigerung in Augenschein nehmen zu können. Frisch gewaschen sehen die dann besonders verlockend aus.