Muslimisches Frauen-Fitnessstudio in KölnMänner müssen draußen bleiben
- In Köln -Bickendorf befindet sich das einzige muslimische Frauen-Fitnessstudio.
- Männer haben keinen Zugang – auch der Paketbote muss draußen bleiben.
- Muslimische Frauen können dort ohne Kopftuch Sport machen.
- Ein Besuch.
Köln – Schon an der Eingangstür ist unübersehbar, wer und was hier nicht erwünscht ist: Männer und Handys. Wer hier trainiert, der kann sich sicher sein, dass ihm kein Mensch mit Y-Chromosom über den Weg läuft: kein männlicher Trainer und auch kein Handwerker kommt hier rein. Dafür sorgt die Klingel, die selbst die Paketboten vor dem Betreten betätigen müssen, um dann vor der Tür höflich abgefertigt zu werden.
Deutschlands einziges muslimisches Frauen-Fitnessstudio liegt ziemlich unscheinbar in Bickendorf an der Wilhelm-Mauser-Straße. Ein Zweckbau, mit Kik-Markt im Erdgeschoss. Darüber im ersten Stock das „Hayat Frauen Fitnessstudio“ von Emine Aydemir.
Graues Linoleum im Geräteraum, Charme der 70er. Chichi ist hier Fehlanzeige. Neben dem Bereich mit den Geräten gibt es noch einen großen Kursraum mit Parkett.
Wer mit Kopftuch joggt, wird angestarrt
Emine Saydemir, die aus der Türkei stammende Gründerin des Studios, hatte es satt, unter ihrem Kopftuch im Fitnessstudio zu schwitzen und sich dabei auch noch irgendwie beobachtet zu fühlen. „Eine Frau, die mit Kopftuch Sport macht, das ist immer noch keine Normalität. Da hat sich nichts verändert. Sie glauben gar nicht, wie man auch 2019 noch in Köln angestarrt wird, wenn man etwa mit Kopftuch joggt“, erzählt ihre Schwester Saliha Yalim, die ebenfalls im Studio arbeitet.
Also hatte Emine Saydemir die Idee, mit dem Studio einen Raum zu schaffen, wo sich muslimische Frauen ohne Kopftuch frei bewegen können, einen ungezwungenen Ort der Begegnung zum Sport treiben mit einem Spielzimmer, in dem der Nachwuchs derweil toben darf.
Auch sonst ist alles an die Bedürfnisse traditionell muslimischer Kundinnen angepasst: Einzelduschen statt Sammelduschen, denn auch muslimische Frauen untereinander dürfen sich nicht vollständig nackt zeigen. „Der Bereich zwischen Bauchnabel und Knie muss immer bedeckt sein“, erklärt Saliha Yalim die Regeln.
In die Sauna nur mit Tuch
Deshalb darf man die Sauna im „Hayat“ auch nur mit Peschtamel betreten, einem dünnen Baumwolltuch, wie man es in der Türkei im Dampfbad „Hamam“ trägt und das hier bei Bedarf ausgeliehen wird. Neben dem Wellnessbereich mit Massageraum und Liegestühlen hat das „Hayat“ auch eine Gebetsecke mit Gebetsteppich, ausgerichtet gen Mekka.
Montagabend. Gleich beginnt der Kursus „Step Aerobic Level 2“. Derya Kaplan kommt mit Kopftuch zur Tür rein. „Hallo Derya, wie geht’s dir“, wird sie von Melanie Da Silva Prado begrüßt, der guten Seele des Fitnessstudios, die hier täglich am Empfang sitzt und den Laden schmeißt.
Kurz darauf eilt die schlanke junge Frau im schwarzen Sportdress und offenem schwarzem Haar aus der Umkleidekabine. „Hier kennt jeder jeden, das ist das Schöne, dieses Kleine, Familiäre. Und die Kurse sind auch klasse“, erzählt die Stammkundin, die dreimal die Woche hier ist.
„Hier gibt es wenig gegenseitiges Beäugen, oder Frauen in besonders stylischem Outfit.“ Es ist Ramadan, wer jetzt und hier zum Sport kommt, ist seit heute morgens um vier Uhr nüchtern.
Man kann freilich mit zweierlei Blick auf ein solches Studio schauen. Ist es eine Chance auf Teilhabe für muslimische Frauen, die sonst keinen Sport treiben würden oder eher ein Ort, an dem sich muslimische Frauen eine Nische schaffen, um sich nach ihren Regeln in einer Parallelgesellschaft einzurichten?
Auch nicht-muslimische Kundinnen
Da Silva Prado, selbst „kölsches Mädchen“, das elf Jahre mit einem Türken verheiratet war, kennt diese Bedenken und findet, es gehe um Teilhabe und darüber hinaus vielleicht sogar ein Stück um Integration: Die inzwischen 500 Hayat-Mitglieder kommen aus vielen muslimischen Ländern von der Türkei, über Marokko, Syrien oder Tunesien, aber auch aus Russland oder Polen. Längst nicht alle sind traditionelle Muslime.
Und es gebe eben auch Kundinnen aus Deutschland. Auf fünf bis zehn Prozent schätzt sie deren Anteil. Die deutschen Kundinnen schätzten, dass hier keiner Model werden wolle. „Hier fühlen sich die Frauen wohl, die sich unter lauter schicken, edel gestylten Frauen unwohl fühlen.“
Sport gehört für viele Musliminnen nicht zum Alltag
Sport zu treiben sei nämlich in der weiblichen muslimischen Kultur überhaupt nicht verankert, erklärt Yalim. „Der überwiegende Teil der muslimischen Frauen, die zum ersten Mal hierher kommen, haben vorher noch nie im Leben Sport gemacht.“
Viele haben Übergewicht und möchten abnehmen. „Und sie machen hier das erste Mal die Erfahrung, dass man sich in seinem Körper wohler fühlt, wenn man sich bewegt.“ Von dem positiven Nebeneffekt, dass viele hier außerhalb der eigenen vier Wände mal ihr Herz ausschütten könnten, mal ganz abgesehen.
Geschäftssprache deutsch
„Außerdem ist hier die Sprache deutsch. Egal, wer hier anruft und sich auf türkisch nach einem Kurs erkundigt. Wir antworten konsequent auf deutsch. Auch die Kurse laufen auf deutsch. Das ist unsere Art, für Integration zu sorgen.“
Weil nur so in diesem babylonischen Sprachgewirr alle zu gleichen Bedingungen kommunizieren können. Es geht um Wohlfühlbedingungen für Frauen, die nach muslimischer Tradition leben möchten, aber eben nicht um eine exklusive Veranstaltung.
„Man muss halt als deutsche Kundin ein bisschen Offenheit mitbringen und Lust auf Multikulti haben“, erzählt Da Silva Prado, die genau dieses bunte Flair liebt. Bei ihr an der Empfangstheke gehe es bisweilen zu wie auf dem Basar. „Denn Handeln, das gehört in der muslimischen Welt zur Kultur. Und da sind die Frauen viel schlauer und hartnäckiger als die Männer. Die Frauen können das eigentlich besonders gut.“ Dann lässt sie sich augenzwinkernd auf das Spiel ein.
Zweimal im Jahr sind dann alle Mitglieder zum Feiern geladen: Zum muslimischen Zuckerfest und zum christlichen Weihnachtsfest. „Aber Weihnachten kommen lustigerweise immer viel mehr.“
Die gezeigten Frauen haben ihr Einverständnis mit dem Abdruck der Fotos erklärt.