AboAbonnieren

Nach 177 Tagen im All zurück in KölnMaurers Erfahrung mit dem kosmischen Kuss

Lesezeit 6 Minuten
Matthias Maurer FLorida (1)

Matthias Maurer nach seiner Rückkehr auf die Erde

Köln – Noch bevor Matthias Maurer in die drei Tonnen schwere Kapsel steigt, die ihn durchs Weltall und zurück auf seinen Heimatplaneten tragen soll, meldet er sich noch einmal bei Twitter. Der Astronaut postet ein atemberaubendes Bild vom Sonnenuntergang auf der Erde, ein leicht gewölbter, violett gefärbter Bogen inmitten schwarzer Finsternis, und schreibt dazu: „Das Ende einer wunderschönen Mission – der Traum geht weiter.“

Etwa sechs Monate verbrachte Matthias Maurer, 52, auf der Internationalen Raumstation ISS. „Cosmic Kiss“ taufte er seine Mission, kosmischer Kuss. Am Freitagvormittag landete die Crew-Dragon-Raumkapsel „Endurance“ des privaten US-Unternehmens SpaceX von Elon Musk gebremst von vier Fallschirmen vor der Küste Floridas. Auf Bildern der Nasa ist zu sehen, wie das Raumschiff in den Wellen des Atlantik schaukelt.

Erster Weg führt Maurer nach Köln

Danach wurden Maurer und seine drei Mitreisenden Kayla Barron, Raja Chari und Thomas Marshburn von einem Schiff geborgen und anschließend über Tampa nach Houston im US-Bundesstaat Texas gebracht. Von dort ist Maurer noch am selben Tag in einer kleinen Maschine der Bundeswehr-Flugbereitschaft mit Schlafmöglichkeit und Crew-Arzt nach Deutschland gereist.

Am Abend soll der deutsche Astronaut auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn landen, wo ihm der nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten Hendrik Wüst einen Empfang bereiten will. Schon zuvor lobte der CDU-Politiker den Astronauten für seinen „wichtigen Dienst zum Wohle der Menschheit“.

Sieben Stunden Weltraumspaziergang

Maurer war der sechshundertste Mensch im Weltraum, der zwölfte Deutsche, und der vierte Deutsche auf der ISS. Auf der Raumstation erlebte er eine aufregende Zeit. Für Wartungsarbeiten spazierte er sieben Stunden durchs freie Weltall, an Bord führte der promovierte Werkstoffwissenschaftler mehr als 100 Experimente durch. Viele davon wurden vorbereitet vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR), auch in Köln.

„Die Mission hatte das Ziel, das Leben auf der Erde besser zu machen“, sagt Missions-Manager Volker Schmid vom DLR dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Matthias hat ein enormes Pensum absolviert“, sagt Schmid, habe viel mehr gearbeitet als ohnehin schon geplant. In dem vom Astronautenkollegen Alexander Gerst eingebauten EML-Schmelzofen etwa untersuchte er das Verhalten unterschiedlicher Legierungen.

Forschung könnte Krankenhaushygiene verbessern

Maurer untersuchte die Entwicklung von Keimen auf bestimmten Oberflächenstrukturen. Die Wissenschaftler erwarten sich davon vor allem Hinweise zur möglichen Verbesserung der Hygiene etwa in Krankenhäusern, öffentlichen Räumen, Einrichtungen und Verkehrsmitteln.

Einer seiner wichtigsten Arbeiten aber war das Betonmisch-Experiment Mason. In der Schwerelosigkeit bildet das Material beim Erhärten ein anderes Gefüge, erklärt Schmid. Es gehe darum, einen besseren Beton zu finden, einen, der leichter ist und weniger Zement verbraucht. Zement gilt als Klimakiller, seine Fertigung emittiert ein Siebtel des weltweiten CO2, mehr als der globale Flugverkehr. Mit ersten Ergebnissen der Experimente rechnet das DLR nach Auswertung der Daten in einigen Monaten. „Mit seiner Expertise war er ein Glücksfall für die Mission“, sagt Schmid.

Maurer war zunächst Reserve

Maurer gehörte in Köln zur selben Astronauten-Abschlussklasse wie Alexander Gerst und landete dort unter den besten zehn. Die Europäische Weltraumorganisation aber nahm zunächst nur die ersten sechs. Gerst wurde ausgewählt, Maurer blieb Reserve. 2017 wurde auch er ins Astronautencorps berufen und absolvierte dann eine zweieinhalbjährige Vorbereitung.

Maurers Aufenthalt fiel in eine Zeit, in der auch der Weltraumtourismus ein neues Kapitel schrieb. Einzelne Touristen waren zwar schon häufiger Gast auf der ISS. Am 9. April aber hatte sich erstmals in der Geschichte eine komplett private Crew ins All schießen lassen. Gebucht hatten den Trip beim Raumfahrtunternehmen Axiom Space drei wohlhabende Geschäftsmänner aus Kanada, Israel und den USA.

50 Millionen für elf Tage Weltraumurlaub

Für den elftägigen Urlaub auf der Raumstation mit exklusivem Blick auf den blauen Planeten zahlten sie jeweils umgerechnet 50,5 Millionen Euro. Maurer bezeichnete die Begegnung als einer seiner Highlights.

Was sich zunächst wie ein Hobby für schwerreiche Menschen ausnimmt, könnte allerdings aus Sicht von Missionsmanager Schmid mehr Dynamik ins Weltraumbusiness bringen. Denn auch die allreisenden Unternehmer brachten ihre Experimente mit. „Der Orbit wird immer mehr Teil der irdischen Ökonomie“, sagt Schmid. Das All als zukünftiger Werkraum zur Herstellung besonderer Stoffe und Medikamente, die sich nur in der Schwerelosigkeit fertigen lassen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Raumstation ISS ist seit ihrem Aufbau im Jahre 1998 ein Projekt von hohem internationalem Renommee. 16 Länder sind an ihr beteiligt, sie ist das größte menschengemachte Objekt im All. Politik darf an Bord offiziell keine Rolle spielen. Wenn immer es irgendwo auf der Erde Konflikte gab, auf dem Außenposten der Menschheit zeigte man demonstrativ Eintracht.

Russen in gelb-blauen Anzügen

Und doch geriet die ISS, die in 400 Kilometern Höhe die Erde umkreist, für kurze Zeit in den Fokus des politischen Weltgeschehens. Nach ihrer Ankunft auf der Raumstation im März, als der Angriffskrieg auf die Ukraine schon einige Wochen tobte, posteten Maurers russische Kollegen ein Bild, das sie in auffällig gelben Anzügen mit blauen Aufnähern zeigte. Rasch wurde spekuliert, die drei Kosmonauten könnten mit der Farbwahl ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine gesendet haben.

Die russische Regierung steuerte eilig gegen die These von den mutmaßlichen Abtrünnigen im Weltall und lieferte eine ganz andere Erklärung. Blau-gelb sei auch die Farbe der Staatlichen Technischen Universität Moskaus, an der alle drei Kosmonauten studiert hätten, erklärte Russlands Raumfahrtbehörde Roskosmos. Die Betroffenen selbst äußerten sich nicht, auch Maurer hielt sich zurück.

Krieg hat die Zusammenarbeit schwer belastet

Es ist allerdings kein Geheimnis, dass der Krieg in der Ukraine die Zusammenarbeit zwischen Russland und den westlichen Teilhabern an der ISS schwer belastet. Allerdings wäre eine Trennung nur schwer umzusetzen, zu stark miteinander verwoben sind die Systeme und technischen Module. Bis 2024 hatte Russland seine Beteiligung zugesagt, nun aber stellt das Land die Zukunft der Raumstation in Frage. „Die Entscheidung über das Schicksal der ISS wird viel von der Lage abhängen, die in unserem Land und darum herum herrscht", sagte der Chef der russischen Raumfahrtagentur, Dmitri Rogosin, vergangenen Freitag.

Nach 177 Tagen im All mit Dauer-Ausblick auf den blauen Planeten, der von außen so friedlich und wie ein Wunder wirkt, wie viele Rückkehrer sagen, wird Maurer die ernste Lage auf der Erde wohl erst allmählich begreifen. Nach seinem Empfang am Flughafen wird er zur Überwachung ins raumfahrtmedizinische Forschungszentrum des DLR in Köln gebracht. Wie es das Protokoll erfordert, wird er hier zwei Wochen lang untersucht und vermessen. Danach, so ist der Plan, wird er zur Nachbereitung wieder in die USA reisen, zur Nasa nach Houston. Dort wird man alles wissen wollen über Maurers Erfahrungen mit dem kosmischen Kuss.