Richard Rogler, einer der letzten Vertreter des klassischen politischen Kabaretts, ist im Alter von 74 Jahren am Sonntag in Köln gestorben.
Nachruf zum Tod des KabarettistenRichard Rogler – Einer, der niemals Ruhe gab
Seine mehr als 40 Jahre währende Bühnenkarriere hat Richard Rogler dort beendet, wo alles angefangen hat – in der Comedia. Und sich dort mit unmissverständlichen Worten in den Ruhestand verabschiedet: „Ich habe 44 Jahre als Künstler gearbeitet. Kunst macht ja bekanntlich viel Arbeit. Die hält man aber nur aus, wenn man sie nicht als Arbeit begreift. Sobald Routine hinzukommt, wird es irgendwann nur noch Arbeit. Dann ist man kein Künstler mehr. Deshalb mache ich Schluss.“
Das war im Dezember 2018 und wurde von Vielen als das Ende des klassischen politischen Kabaretts in Deutschland bezeichnet. Das Kabarett eines Hanns Dieter Hüsch und Dieter Hildebrandt, eines Wilfried Schmickler und Heinrich Pachl.
Rogler, der mit allen einschlägigen Auszeichnungen wie den Kleinkunstpreis, den Kabarettpreis, dem Grimme-Preis und dem Telestar zum Teil mehrfach ausgezeichnet wurde, konstatierte bei seinem Abtritt von der Bühne, dass das Kabarett stagniere. Ästhetisch und dramaturgisch. Und dass man es eigentlich komplett revolutionieren müsse. Er wüsste, wie das geht. Für die Revolution sei er aber zu müde, fühle er sich zu alt. Es sei „die Verpflichtung des Künstlers, dass er sich fortentwickelt – und das habe ich immer gemacht.“
Mit allen wichtigen Kabarettpreisen ausgezeichnet
Zusammen mit Klaus Schweizer, dem Geschäftsführer der Kölner Comedia, und anderen WG-Kommunen-Bewohnern hatte er Mitte der 1970er Jahre in Würzburg das Kindertheater Ömmes & Oimel gegründet - zu sechst waren sie damals. „Mit dem Grips-Theater und der Roten Grütze waren wir innerhalb kürzester Zeit weltberühmt.“ Sie waren schnell die Stars in Deutschland. Und die Avantgarde. Aber ohne Geld.
Sich selbst neu erfunden hat sich Rogler mit dem Stück „Freiheit aushalten“. Sein Freund und Förderer Dieter Hildebrandt habe damals zu ihm gesagt, so etwas habe er seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. „Das heißt, ich habe eine neue Sicht auf meine Kunst geschaffen. Ohne Netz und doppelten Boden.“
Rogler moderierte von 1988 bis 1991 die „Mitternachtsspitzen“ des WDR, war ständiger Gast und knapp zwei Jahre Mitglied des Ensembles der Kabarett-Sendung „Scheibenwischer“.
Zu Köln hat er sich nur wenig geäußert, obwohl er seit Jahrzehnten in der Stadt gelebt und ihr immer äußerst wohlgesonnen war. Für ihn war sie die Hauptstadt des freizügigen Benehmens. „Wenn ich nach Kölle fahre, da wittere ich schon, wenn ich so 20 Kilometer vor Kölle bin, eine gewisse Freiheitsluft. Wer sich längere Zeit mal mit anderen Städten befasst hat, mit München oder mit Frankfurt, stellt fest, dass die viel geschlossener sind als Köln. Das hängt wohl auch mit diesem Freiheitswillen zusammen. Keine Stadt hat so ein freizügiges Benehmen wie Köln. Deshalb ist es hier auch viel chaotischer.“
Unvergessen bleibt der Moment, als der gebürtige Oberfranke aus der Porzellanstadt Selb mir vor fast 13 Jahren bei einem Spaziergang durchs Agnesviertel die Geschichte erzählte, wie er als bekennender Atheist mit dem Pfarrgemeinderat der Agneskirche „so seine eigenen Erfahrungen gemacht hat“ - und diesem zu edlen Weihnachtskugeln und Glöckchen verhalf, weil die Porzellanmacher seiner Geburtsstadt unbedingt mal einen Weihnachtsbaum in Köln ausstatten wollten.
„Ich habe das auch noch vermittelt“, so Rogler. Weihnachten 2007 hat der riesige Baum dann in der Agneskirche gestanden. Mit 2500 Porzellankugeln und Glöckchen im Wert von 12 000 Euro. „Wir haben den Baum extra angekarrt aus Oberfranken. Der war eine Sensation, so etwas gibt es sonst nur noch in Mailand und New York.“ Die Porzellanfabriken hätten den kompletten Baum gestiftet. „Und ich habe sogar noch die Lichterketten besorgt.“ Ein Jahr später war der Spaß aber schon wieder vorbei. „Da hat sich keiner mehr drum gekümmert. Oh, hieß es da. Dann müssen wir einen neuen Baum holen. Und dann haben sie die Kugeln verkloppt. Auf dem Gemeindebasar. So sind wir hier in Kölle.“
Und mir dann etwas mit auf den Weg gab, das zu den schönsten und treffendsten Beschreibungen der Stadt gehört. Allein schon deshalb, weil sie so gar nicht abgenutzt klingt. „In Köln merkt man als Mensch: Man wird immer Zweiter bleiben. Weil es den Besten nie geben wird. Warum also immer an die Spitze streben, wenn man am Ende doch einen Kompromiss machen muss? Mit so einer Einstellung läuft man auch nicht Gefahr, überheblich zu werden.“
Bereits am vergangenen Sonntag ist Richard Rogler im Alter von 74 Jahren gestorben. Im Nachruf seiner Familie heißt es, er habe es wie kein Zweiter verstanden, „mit unbändiger Energie, Schauspielkunst, heiligem Zorn und tiefer Liebe zu seinen Figuren Schauspiel und Kabarett, großes Welttheater und Kleinkunst, politische Aktualität und menschliche Abgründe zu einer völlig neuen Form zu verweben.“