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NachtarbeitArbeiten, wenn andere feiern

Lesezeit 4 Minuten

„Bel Air“-Party im Bogen 2: Ein Gast mit einer Maske von „Butler Geoffrey“ leistet Frederik Abels Gesellschaft.

Innenstadt – David Hasselhoff hängt schräg. Dutzende Plakate des einstigen „Baywatch“-Schauspielers pflastern die Wände des Bogens 2, einem Club im Gewölbe des Hauptbahnhofs. Frederik Abels überlegt kurz, lässt das Gesicht der „Trash Island Party“-Reihe dann aber doch, wie es ist. Trash (engl. Müll) ist schließlich das Motto. Da darf es gern etwas schräg sein.

Es ist Samstagmittag, doch für Abels, den Co-Veranstalter und Discjockey (DJ) der Feier, hat die Nachtschicht schon begonnen. Dekorationsarbeiten und Tontest stehen an – die Party am Abend verlangt intensive Vorbereitung. Das heutige Motto ist „Bel Air“, angelehnt an die 1990er-Jahre-Sitcom mit US-Superstar Will Smith. Kommen kann, wer will. Einen Dresscode gibt es nicht. „Viele Clubs in Köln sind zu cool“, sagt Abels. „Wir wollen, dass sich die Leute gehenlassen können.“

Seit 2000 arbeitet der 32-Jährige im Kölner Nachtleben. Angefangen hat er als Kellner im Studentenclub „Ding“. „Irgendwann hat mich der DJ da gefragt, ob ich mal auflegen will. Da habe ich natürlich Ja gesagt“, erzählt Abels. „Anfangs war es nur ein Nebenjob, um mein BWL-Studium zu finanzieren, irgendwann habe ich dann aber regelmäßig gearbeitet.“

Mittlerweile ist es kurz vor 23 Uhr. Plötzlich verwandelt sich die bislang nur wippende Masse in einen ekstatischen Pulk: DJ Freddy spielt die Titelmelodie der Kultserie „Knight Rider“ – Hasselhoff-Songs funktionieren immer. Die Menge flippt zum ersten Mal an diesem Abend richtig aus. Das gibt Abels auch nach mehr als einem Jahrzehnt im Geschäft noch einen Kick. „Wir wollen den Leuten einen schönen Abend bereiten. Als DJ trägt man natürlich seinen Teil dazu bei“, sagt er.

Die Nachtarbeit und seine Familie kann der Vater einer kleinen Tochter inzwischen gut unter einen Hut bringen. Er hat sein Pensum ein wenig zurückgeschraubt. „Da ich nachts arbeite, habe ich tagsüber mehr Zeit fürs Kind“, sagt Abels. „Doch man muss aufpassen, dass man nicht zu viel macht, auf Dauer kann man das nicht durchziehen.“ Letztes Jahr hatte Abels keine Woche Urlaub. „2012 läuft es viel ruhiger“, sagt er. Kompromisse muss er auch mit seiner Freundin schließen: „Ich kann nie richtig Silvester feiern, auch an Weihnachten arbeite ich oft. Dafür finden wir aber irgendwie immer einen Ausgleich.“

Um halb zwei hat die Party im Bogen 2 ihren Höhepunkt erreicht. Der Laden ist brechend voll, und die Menge grölt. Die Luft ist zum Schneiden. Trash Island ist zu einer tropischen Insel geworden. Doch am wenigsten schwitzt DJ Freddy – er hat einen Ventilator unter seinem Pult. „Ohne den geht es nicht“, sagt Abels. Auch eine Flasche Bier gehört dazu: „Man muss sich irgendwie dem Pegel der Leute anpassen und ein paar Hemmschwellen überwinden.“

Doch DJ Freddy ist sich auch der Schattenseiten seines DJ-Daseins bewusst. „Vor einiger Zeit hatte ich einen Tinnitus. Da habe ich gemerkt, dass ich etwas kürzertreten muss“, erzählt Abels. „Ich kenne Kollegen, die ihre Kopfhörer bis zum Anschlag aufdrehen.“ Der Berufsstand fordert seinen Tribut. „Man sieht vielen DJs den Stress an. Sie altern schneller“, glaubt der Familienvater. „Und das Rauchen war ein großes Problem. Über das Verbot bin ich sehr froh.“

Auch privat hört DJ Freddy gern Musik, „nur niemals das, was ich auflege“, sagt Abels. „Egal, ob Elektronik, Hip-Hop oder Rock: Am besten ist, wenn ich die Lieder nicht kenne.“

Gegen fünf Uhr morgens neigt sich die Party dem Ende. Einige Grüppchen fliegen noch immer zu Songs von Scooter, Blümchen oder der Kelly Family über die Tanzfläche, anderen sind die Folgen von Freibier und hohen Temperaturen jedoch anzusehen: Sie schlafen im Sitzen auf Bänken an den Seiten des Clubs. Für DJ Freddy geht es nun darum, die verbliebenen Gäste mit ein paar ruhigen Songs auf ihren Schlaf vorzubereiten. Um sechs Uhr ist dann auch er im Bett. Er schläft in der Regel schnell ein. „Manchmal habe ich aber noch die Songs im Kopf, die ich gespielt habe“, sagt Abels. Nebenwirkung der Nachtarbeit: Träume von den Spice Girls, Take That und David Hasselhoff.