AboAbonnieren

Nazis in KölnAlltag in der Diktatur

Lesezeit 2 Minuten

Adolf Hitler im Gürzenich in Köln.

Köln – Da steht er im großen Saal des Gürzenich, hat ein Blatt Papier in der Hand und dankt dem Publikum, das für „15 Millionen Deutsche“ stehe. Dankt pathetisch für die „unzähligen Beweise der Treue“ und bekräftigt: „Das Reich nimmt Sie wieder unter seinen Schutz.“ Es ist der 28. März 1936. Drei Wochen nachdem Hitler in einer Blitzaktion, die die Westmächte brüskieren musste, die Wehrmacht in das seit 1918 entmilitarisierte Rheinland hat einmarschieren lassen, wird er in Köln von Hunderttausenden frenetisch gefeiert. Hakenkreuzfahnen am Dom, Autokorso in den Straßen, allenthalben gewaltiger Jubel. „Die größten Ovationen meines Lebens sind mir in Köln entgegengebracht worden“, hat er später gesagt – was diejenigen schmerzt, die gern an die Legende von Köln als besonders widerständiger Stadt unter dem Nationalsozialismus glauben möchten.

Der Einmarsch, den die Rheinländer zumeist als Befreiung empfanden, bildet den Auftakt zum zweiten Teil der dreiteiligen DVD-Serie „Köln im »Dritten Reich«“ von Hermann Rheindorf, der den Untertitel „Alltag unterm Hakenkreuz“ trägt. Teil eins dokumentiert ausführlich Kölns Weg in die Nazidiktatur von 1930 bis 1935; die dritte Folge, die wohl nach der Sommerpause fertig wird, widmet sich der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis zum „Zusammenbruch“. Auch der nun vorliegende, mittlere Abschnitt der Dokumentation erzählt die Geschichte Kölns in der „braunen“ Diktatur mit einer Fülle von historischen, teils farbigen Filmaufnahmen und mit einer Vielzahl von Zeitzeugen, die die NS-Zeit aus unterschiedlicher Perspektive erlebt haben und freimütig Auskunft geben.

Darunter sind Trude Herrs ältere Schwester Agathe Hartfeld, die in einer kommunistisch geprägten Arbeiterfamilie aufwuchs und deren Vater 1933 bis 1945 in Zuchthaus- und KZ-Haft war; Albert M. Michel, der durch seinen Stiefvater zum glühenden Nazi wurde und bis zum Schluss an den „Endsieg“ glaubte; sowie Hannelore Hausmann, Tochter aus jüdisch-katholischer „Mischehe“, die Jahrzehnte brauchte, bis sie offen über das Schicksal ihres Vaters sprechen konnte: Er wurde in Auschwitz vergast. Unterteilt in 23 Kapitel, beleuchtet der Film viele Aspekte, von Köln als touristischem Zentrum und dem Karneval, in dem die Jungfrau nicht mehr von einem Mann dargestellt werden durfte, über den Drill in der Hitlerjugend, die Rolle der Kirchen bis hin zum Bau der Rodenkirchener Brücke.

Premiere: „Köln im »Dritten Reich«, Teil 2, Alltag unterm Hakenkreuz“ wird heute um 19 Uhr im NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23–25, uraufgeführt. Die DVD ist für 14,80 Euro erhältlich im Servicecenter, Breite Straße 72, telefonisch unter 02 21/ 56 79 93 03 und im ksta-Shop.