Berufe am RheinSchiffsmanager – ein Job zwischen Senioren und Junggesellenabschieden
Köln – Bei Harald Kampe ist die typische Handbewegung eindeutig anders als bei Flugbegleitern. Am Eingang der MS Rheinfantasie stehend reckt der 53-Jährige zum gefühlt tausendsten Mal den Zeigefinger Richtung Himmel. „Wo geht’s zum Sonnendeck?“, lautet nämlich die häufigste Frage an den freundlichen Mann mit Schulterklappen, der häufig als „Herr Kapitän“ begrüßt wird, obwohl sein Namensschild ihn als Schiffsmanager ausweist. Heiko Felix, der tatsächliche Kapitän – erkennbar an den vier goldenen Streifen – sitzt derweil längst im Ledersessel auf der Brücke, löffelt sein Müsli mit frischen Waldbeeren und schaut vor sich auf den Rhein.
Als die 1200 Tonnen schwere MS Rhein-Fantasie nach Linz ablegt, ist Harald Kampe bereits x-mal treppauf und treppab gelaufen. An Bord des 85 Meter langen Schiffes – dem jüngsten Mitglied der KD-Flotte – ist er für alles zuständig, was nicht in den nautischen Bereich fällt. Unvorhersehbarer Stress ist heute kaum zu erwarten, da die Listen, die Kampe immer wieder durchblättert, keine Überraschungen verheißen.
Weder drängt eine unangemeldete Gruppe an Bord, noch hat jemand Sonderwünsche angemeldet, die sich nicht erfüllen lassen – wie neulich die junge Mutter, „die zum Stillen ihres Babys auf einer privaten Kabine“ bestand.
Das Team zusammenzuhalten ist die größte Herausforderung
Kampe sitzt in seinem fensterlosen Büro vor dem PC. Würden die auf seinem Mini-Kühlschrank stehenden Spirituosenflaschen – Geschenke von Stammkunden und allesamt noch verschlossen – nicht leicht vibrieren und dabei ein klirrendes Geräusch erzeugen, hätte man nicht das Gefühl, dass das Schiff in Bewegung ist.
Die Serie
Der Rhein ist für viele Kölner ein Ort der Freizeit und Entspannung. Er ist aber auch Arbeitsplatz: auf Booten, Schiffen oder am Ufer des Flusses gehen zahlreiche Menschen ihrer Tätigkeit nach. In unserer Sommerserie „Berufe am Rhein“ stellen wir einige von ihnen vor. (red)
Kurz vor Monatsende hat Kampe viel Administratives am Rechner zu erledigen. Das geht nur, bevor oben der Hauptbetrieb losgeht. In der Küche sind sieben Leute mit den Mittagessenvorbereitungen beschäftigt. Einer zerteilt Paprika, einer schneidet Schnitzel, einer befreit Tomaten vom Strunk.
Die größte Herausforderung seien oftmals gar nicht die Gäste, die „zu 99,9 Prozent mit guter Laune an Bord“ kämen und sich auf einen Urlaubstag freuten. Die mitunter schwierigere Aufgabe sei, das Team zusammenzuhalten. „Die sind zu zweit auf den Kabinen, und die Kabinen sehr klein, da gibt es schon mal Reibereien“, stellt Kampe fest, der sich „hier ein bisschen als Familienoberhaupt“ sieht.
Schiffsmanager hat immer etwas zu tun
Das Telefon klingelt, der Schiffsmanager greift zu seinem Klemmbett mit den Listen und überfliegt die Angaben. Alles gut. Eine Gruppe von 50 Personen hat für 12.30 Uhr ein Zweigang-Menü vorbestellt und will auf dem Rückweg noch Kaffee und Kuchen. Kein Problem. Anstrengend könne es werden, sagt Kampe, wenn Gruppen mit sehr unterschiedlichen Interessenlagen an Bord kämen. Ein Junggesellenabschied und ein 80. Geburtstag beispielsweise. Die könne man natürlich nicht nebeneinander platzieren.
An einem Tisch am Oberdeck sitzen sechs junge Chinesen, spielen Karten, lesen. Keiner von ihnen beachtet das Panorama. Eine junge Frau hat den Kopf neben ihrem Cola-Glas abgelegt und schläft fest. „Das passiert bei asiatischen Touristen oft. Die kommen an Bord und sind völlig fertig“, sagt Kampe, fragt kurz am Nachbartisch, ob jemand einen Wunsch hat und ist Sekunden später schon wieder etliche Treppenstufen tiefer, um zwei ältere Damen in den Fahrstuhl zu dirigieren.
Im windgeschützten Strandkorb am Sonnendeck sitzt eine 78-jährige Dame mit Kopftuch und Anorak und genießt den Blick auf den Strom. Die beiden Studenten Nadine und Max haben ihre Räder dabei und wollen von Bonn aus zurückradeln. Sie hätten extra die Strecke rheinaufwärts gewählt, weil die länger dauere, sagt die 20-jährige. Neo, einem acht Monate alten Chihuahua-Mischling, ist es schon nach einer Stunde langweilig. Kunststück, wenn man aus der Boden-Perspektive fast nur Baumkronen sehen kann. Für Harald Kampe ist bis zum Schluss immer was zu tun. Es ist 17.30 Uhr, als das Schiff auf dem Rückweg von Linz an Porz vorbeifährt. Wenn er jetzt von Bord springen könnte, wäre Kampe in fünf Minuten bei sich daheim.