AboAbonnieren

Pferdehandel auf dem Neumarkt?Archäologen finden in Köln perfekt erhaltenen Pflasterbelag von vor 1000 Jahren

Lesezeit 3 Minuten
06.07.2023, Köln: 1000 Jahre altes Marktpflaster bei Brunnen-Bauarbeiten auf dem Neumarkt entdeckt.

Foto: Michael Bause

1000 Jahre altes Marktpflaster bei Brunnen-Bauarbeiten auf dem Neumarkt entdeckt.

Ein 1000 Jahre altes Marktpflaster wurde bei Brunnen-Bauarbeiten auf dem Neumarkt entdeckt. Archäologen sind begeistert vom Erhaltungszustand.

Wie sah der Neumarkt aus, als er noch neu war? Der Antwort auf diese Frage sind die Archäologen des Römisch-Germanischen Museums ein gutes Stück nähergekommen. Im Vorfeld der Bauarbeiten für den neuen Brunnen auf dem Neumarkt haben sie ein Stück Ur-Pflasterbelag freigelegt. Die sieben mal neun Meter große Grabungsfläche zeigt den Platz, wie er zwischen 1021 und 1036, der Regierungszeit des Kölner Erzbischofs Pilgrim, angelegt wurde.

Die Archäologen sind begeistert vom Erhaltungszustand des kleinteiligen, von Rheinkies und Ziegelbruchstücken durchsetzten Belags in etwa 1,50 Metern Tiefe. Museums-Direktor Marcus Trier schwärmte am Donnerstag von einer „perfekten Erhaltung“. Erst im Mai hatten die Experten Teile einer spätmittelalterlichen Straße freigelegt, nun zeigt sich einige Meter weiter westlich der Neumarkt, sozusagen in seiner 1000 Jahre alten Erst-Ausstattung.

1000 Jahre altes Marktpflaster bei Brunnen-Bauarbeiten auf dem Neumarkt entdeckt

Bevor die Fläche angelegt wurde, war das mittelalterliche Köln in diesem Teil der Stadt eine Brachlandschaft aus Pflanzenbewuchs und Ruinen römischer Wohnhäuser. Die Besiedelung hatte sich seit dem vierten Jahrhundert immer mehr in Richtung Rheinufer verlagert. Mit der Anlage des Neumarkts versuchte Pilgrim, den Bereich an der westlichen Stadtmauer wiederzubeleben. Die Ruinenlandschaft wurde auf seine Veranlassung mit einem Pflaster bedeckt, das mit seiner Größe von drei Hektar schon die Ausmaße des heutigen Neumarkts hatte. Ziel war es laut Mittelalter-Archäologe Thomas Höltken, dem Handel neue Impulse und der Stadt „wieder ein Gesicht“ zu geben.

Möglicherweise haben wir den Nachweis, dass hier Pferdehandel stattgefunden hat
Thomas Höltken, Mittelalter-Archäologe

Es habe jedoch eine Weile gedauert, bis der Rubel rollte: „Die Händler kamen eher zögerlich auf den Neumarkt.“ Auch die Randbebauung sei erst im späten zwölften Jahrhundert entstanden. Doch mit der Zeit ging der Plan Pilgrims auf. Gehandelt wurden vor allem Waren für den alltäglichen Gebrauch der Kölner. Zum Beispiel Holz, Getreide oder Vieh. Auf zahlreiche Tierknochen, Keramikreste aus dem Vorgebirge und allein elf Pferdehufeisen stießen die Forscher auf dem kleinen Grabungsfeld.

Grabungsfunde vom Neumarkt liegenauf einem Tisch.

Ziegelbruchstücke wurden auf dem Neumarkt ausgegraben.

„Möglicherweise haben wir den Nachweis, dass hier Pferdehandel stattgefunden hat“, sagt Thomas Höltken. Doch die Tiere damals sahen wohl anders aus als heute, wie Grabungsleiter Ulrich Karas mit Hilfe eines aktuellen Hufeisens erläutert: „Man sieht deutlich, dass die Pferde im Mittelalter deutlich kleiner waren.“

400 Jahre genutzter Pflasterbelag zum ersten Mal gesehen

Während sich Tische, Buden und Bänke am Rande des damals auch „novo mercato“ genannten Neumarkts befanden, standen Hinrichtungsstätte und Brunnen im Zentrum. Sogar eine Windmühle drehte sich ab dem 14. Jahrhundert auf dem Neumarkt. Gefeiert wurde ebenfalls, im Jahr 1179 kamen 480 Adlige zusammen, um auf dem Neumarkt und dem Heumarkt Ritterspiele auszutragen. Unter Umständen habe auch dabei das ein oder andere Pferd im schlammigen Untergrund ein Hufeisen verloren, so Thomas Höltken.

Die Archäologen sehen den alten Pflasterbelag, der mindestens 400 Jahre genutzt wurde, derzeit zum ersten Mal. Die Dokumentation einer Grabung in den 1920er Jahren sei im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Der Fundort wird nun genau dokumentiert und vermessen, besonders interessante Relikte werden näher untersucht. Ansonsten wird das Marktpflaster laut Marcus Trier „rückgebaut“, also zerstört.

Die Grabungsarbeiten gehen aber noch weiter. „Ich bin sehr gespannt auf das Material unter dem Pflaster“, sagt Thomas Höltken. Scherbenfunde etwa könnten Aufschluss über die exakte Entstehungszeit des Neumarkts liefern. Und dann warten auch noch die Reste der römischen Gebäude unterhalb des Pflasterbelags auf die Forscher. Insgesamt wollen sich die Archäologen bis auf vier Meter Tiefe in die Kölner Geschichte eingraben. Ein römischer Mauerrest ist schon jetzt zu sehen.