Nicht nur für Trinktouristen
Altstadt – Wer an die Kölner Altstadt denkt, dem kommen vermutlich der Dom, der Heumarkt oder das Historische Rathaus in den Sinn. Doch auch die Kneipengässchen und die vielen Lokale sind direkt mit dem Bild der Altstadt verknüpft – und sorgen für ein Publikum, das die Domstadt vor allem für Partys und Trinktouren besucht.
Gegen diese Entwicklung setzt sich seit 1994 die „Bürgergemeinschaft Altstadt / Verein zur Förderung einer lebenswerteren Altstadt e.V.“ ein. Doch das Netzwerk hat sich noch weitere Ziele gesetzt: Auch die kulturellen Schätze der Altstadt sollen wieder mehr Beachtung erfahren, das Viertel soll wohnfreundlicher gestaltet werden – mithilfe sozialer Projekte. „Wir wollen die Altstadt zu einem lebenswerten Ort machen, an dem sich auch Familien mit Kindern wohlfühlen können“, so der Vorsitzende der Bürgergemeinschaft, Joachim A. Groth. „Tagtäglichen Touristentouren mit Besäufnissen und Dauerfestivitäten sagen wir als Organisation daher den Kampf an.“
Besonders in den 2000er Jahren habe sich die Altstadt mehr und mehr zur Partymeile entwickelt, erklärt Groth. „Eine Festivität reihte sich an die nächste – vor allem alkoholisierte Besucher von außerhalb dominierten zu dieser Zeit das Bild im Veedel. Das ging so weit, dass sich die Veranstaltungen gegenseitig in die Quere kamen“, erinnert sich Groth.
Dadurch sei die Altstadt als Wohngegend immer unbeliebter geworden. „Bei dauerhaftem Veranstaltungslärm und der starken Verschmutzung, die mit den Veranstaltungen einherging, möchte natürlich niemand in dieser Gegend wohnen oder ein nettes Geschäft betreiben. Gegen diese Entwicklung haben wir uns von Beginn an gewehrt.“ Durch den intensiven Austausch mit Politik und Verwaltung und die akribische fotografische Dokumentation der Missstände – beispielsweise während der Fußballweltmeisterschaft 2006 oder bei den jährlichen Karnevalsveranstaltungen – konnte die Initiative Änderungen bewirken.
Die Anzahl der Festveranstaltungen wurde eingeschränkt, es kehrte wieder mehr Ruhe in der Altstadt ein. Daneben setzten sich Groth und seine Mitstreiter dafür ein, die kulturellen Güter im Viertel stärker zu fördern. „Der Erhalt von jahrhundertealten Institutionen wie der Kirche Groß St. Martin trägt dazu bei, dass die Altstadt eine Identität abseits der Touristenströme bewahrt.“ Mit dieser Absicht unterstützt die Bürgergemeinschaft auch die „Via Culturalis“.
Das Projekt der Stadt Köln entwickelt mit finanzieller Unterstützung des Bundes einen Kulturpfad, der vom Kölner Dom im Norden bis zur Kirche Sankt Maria im Kapitol im Süden reicht. Der Pfad soll die Kölner Geschichte von der Antike bis in die Moderne sichtbar und begreifbar macht.
Die Bürgergemeinschaft hat das Projekt mit einer Dokumentation unterstützt, die auch weitgehend unbekannte kulturelle Highlights der Altstadt beleuchtet. „Die wenigsten Kölner wissen wohl, dass Peter Paul Rubens, Jacques Offenbach und Maria de Medici hier in Köln nahezu Tür an Tür gewohnt haben – wenn auch etwas zeitversetzt“, so Groth. Mit ihrem Beitrag wolle die Bürgergemeinschaft zeigen, dass Köln noch viel mehr Kultur biete, als es bislang zeige. „Die Kölner Altstadt gehört zu den faszinierendsten Kulturlandschaften Europas. Das möchten wir damit wieder sichtbar machen.“
Neben den kulturellen sieht sich die Bürgergemeinschaft auch bei sozialen Projekten in der Pflicht, um das Zusammenleben in der Altstadt zu fördern. „Dazu honorieren wir seit 2014 mit unserem Altstadtpreis Initiativen, die sich aktiv für eine lebens- und liebenswerte Altstadt einsetzen“, erklärt Groth. „Es geht unter anderem um Projekte, die Obdachlose unterstützen, den interkulturellen Austausch fördern und zwischen den Religionen vermitteln.“ Den nächsten Altstadtpreis vergibt die Bürgergemeinschaft im November 2020.
Weitere Informationen zur Bürgergemeinschaft Altstadt und zur „Via Culturalis“ gibt es im Internet. www.buergergemeinschaft-altstadt.de
www.viaculturalis.cologne
Joachim A. Groth, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt