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Musiker Niels Frevert in Köln„Meine Mission war es, zu widerlegen: Es gibt keine gute deutschsprachige Musik“

Lesezeit 6 Minuten
Niels Frevert trägt einen blau karierten Anzug und steht in einem dunklen Raum.

Niels Frevert, Musiker aus Hamburg, tritt am 26. April im Kölner Gloria auf.

Der Hamburger Musiker Niels Frevert tritt am 26. April im Gloria in Köln auf. Im Interview spricht er über sein neues Album „Pseudopoesie“.

Sänger und Liedermacher Niels Frevert, 55, ist mit seinem neuen Album „Pseudopoesie“ auf Tour. Frevert, in den 1990er Jahren Teil der Band Nationalgalerie, ist seit der Auflösung der Band 1996 Solo unterwegs. Seine Musik ist von Melancholie und kreativen Texten geprägt – und erhält fast durchgehend gute Kritiken.

Herr Frevert, Ihr neues Album heißt „Pseudopoesie“. Ist das Selbstironie oder Kritik an der deutschsprachigen Popmusik, die oftmals nur recht flache Texte zu bieten hat?

Ich finde „Pseudopoesie“, das klingt doch geradezu poetisch. Es schimmert auch ein bisschen Kitsch durch den Begriff. Und ich mag Kitsch, wenn er gut gemacht ist. Der Titel ist vielseitig interpretierbar und das finde ich gerade gut daran.

„Pseudopoesie“ ist dem Deutschpop näher als Ihre anderen Alben. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Ich hatte große Lust, wieder auf Tour zu gehen. Dann war mir schnell klar, ich möchte ein Album machen, das Bock macht, live erlebt zu werden. Das heißt eben ein modernes, zeitgemäßes Album, zu dem man sich bewegen kann, zu dem man tanzen kann, das Energie hat. Und dann bin ich auf Produzent Tim Tautorat gestoßen. Er ist gerade der Produzent, bei dem alle jungen Künstlerinnen und Künstler in Deutschland Schlange stehen, um mit ihm zu arbeiten. Zum Beispiel: Annenmaykantereit, Provinz, Jeremias und Faber. Und da war es dann auch klar: Das wird eine energetische Platte. Ich hatte drei sehr akustisch gehaltene Alben in der Vergangenheit und schon beim letzten Mal mit „Putzlicht“ das Bedürfnis, wieder mehr Richtung Anfänge zurückzugehen. „Pseudopoesie“ ist da der nächste logische Schritt.

„Pseudopoesie“ steht also unter einer positiven Gesamtstimmung?

Energie soll fließen, es soll Lust machen, live gehört zu werden und ich denke, es ist textlich auf der sicheren Seite. Das ist auch ein Grund, warum ich das Album so nennen konnte. Ich hatte meiner Plattenfirma den Albumtitel „Pseudopoesie“ vorgeschlagen und da sagten sie: Ja, okay, du kannst es machen, andere sollten es vielleicht lieber nicht machen. Man kann sich natürlich selber ein Bein stellen damit. Ich habe Sachen versucht mit dem neuen Album. Ich bin über meinen Schatten gesprungen und ich denke, das hört man.

Gibt es einen Song, der Ihnen besonders wichtig ist auf der neuen Platte?

Mein Lieblingssong ist „Waschbeckenrand“. Ich denke, der Song ist wirklich gut gelungen: Musik und Text, das passt da so gut. Es war der erste Song, den ich fertig hatte als Demo. Es war auch der erste Song, den wir im Studio aufgenommen haben. Zu diesem ersten Song, den ich als Versuchskaninchen vorwegschicke, habe ich immer ein besonders inniges Verhältnis. Und „Waschbeckenrand“ hat mich auch nicht hängen lassen.

Wenn man Niels Frevert nicht kennt: Welchen Song sollte man zu allererst hören?

Das ist eine schwierige Frage. Ich sage auch da „Waschbeckenrand“, weil ich glaube, ein Lied wie „Weite Landschaft“ ist recht fordernd und auch für die alteingesessenen Fans nicht sofort zu erschließen. Man muss ihn zwei, dreimal hören. Ich wusste erst, dass das Album wirklich fertig ist und eine runde Platte wird, als wir „Klappern von Geschirr“ eingespielt hatten. Da wusste ich, wir haben einen schönen Song, der auch auf den letzten Alben hätte sein können. Das sind immer noch meine Wurzeln.

Ich glaube, dass die Songs ein Eigenleben haben.
Niels Frevert, Musiker

Wie gehen Sie vor, wenn Sie Songs schreiben?

Ich arbeite jeden Tag, also schreibe ich immer alles auf. Ich sammle, und sammle, und sammle und dann ordne ich später. Das braucht auch noch mal seine Zeit. Ich brauche zwei, drei gute Zeilen und dann, wenn ich das Gefühl habe, die haben schon was, kann ich was draus machen. Und diese zwei, drei Zeilen, die kommen angeflattert wie Vögel und landen auf meiner Schulter oder auf meinem Finger. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen esoterisch, aber ich glaube, dass die Songs ein Eigenleben haben. Die kommen geflattert und wissen auch, in welche Richtung sie weiter flattern wollen.

Niels Frevert vor einem blauen Hintergrund. Auf seinem Finger und auf seiner Schulter sitzt ein kleiner (unechter) Vogel.

Vögel als Metapher für Songzeilen: Gute Texte sind Niels Frevert wichtig.

Was macht einen guten Text Ihrer Meinung nach aus?

Ich doziere manchmal für Songwriting und da sage ich meinen Schülern immer: Überrasch‘ mich. Benutz‘ nicht schon abgegriffene Klischees, erzähle eine Geschichte neu oder erzähl‘ mir eine neue Geschichte. Eine, die ich noch nicht kenne und baue einen unerwarteten Dreh ein. So wie wir es auch in guten Film lieben. Wir lieben es, überrascht zu werden, auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Und ich glaube, das gilt für Songs genauso.

Also kann man lernen, gute Texte zu schreiben oder braucht es da auch Talent?

Ja, ich glaube, man braucht Talent. Man braucht noch viel mehr eine Mission. Du musst das Gefühl haben, du musst eine Mission erfüllen. Aber ja, man kann es lernen. Wenn ich an meine Anfänge zurückdenke: Mit 14 habe ich meine ersten Texte geschrieben. Das war natürlich hochgradig peinlich. Aber man entwickelt sich weiter mit den Jahren und irgendwann mit Anfang 30 hatte ich das Gefühl, meine Stilistik gefunden zu haben.

Sie sagen, man muss eine Mission haben. Was ist Ihre Mission?

Früher war es, zu widerlegen: Es gibt keine coole deutschsprachige Musik. Mit „früher“ meine ich jetzt die 1990er Jahre. Da waren deutsche Texte eher… naja. Es gab Deutschrock, aber so wirklich cool war das alles nicht. Da hat sich natürlich eine Menge verändert in den letzten Jahren. Insofern würde ich sagen, meine Mission jetzt ist weiterzumachen, einfach weiterzumachen und weiter gute Musik abzuliefern.

Auf Ihrer Tour sind Sie auch in Köln. Wie ist es für Sie als Norddeutscher in Köln, wo die Mentalität doch eine andere ist?

Ja, aber ich liebe Köln. Mein bester Kumpel lebt in Köln, ich bin öfter in Köln und freue mich, dass ich nach all den Jahren jetzt endlich das erste Mal im Gloria spielen kann. Ich kenne den Club, ich finde ihn super. Ich freue mich ganz besonders darauf.

Musiker Niels Frevert in Köln: Kölsch ist ein Muss

Was verbinden Sie sonst mit Köln?

Man kann sehr gut feiern gehen in Köln. Man muss Kölsch trinken in Köln. Es geht nicht anders. Übrigens habe ich hier in Hamburg auch eine Kneipe nebenan, da gibt es auch Kölsch. Aber ich würde das hier nicht trinken. Hier komme ich nicht so in Stimmung. Das Schöne ist, Köln ist für mich immer eine Bank, weil man in Köln gut gemachte deutschsprachige Musik liebt. Die Leute lieben es, auf Konzerte zu gehen, zu feiern, die lieben die Musik, sie lieben es mitzusingen.

Welches Gefühl möchten Sie beim Publikum wecken?

Ich habe mal ein Kompliment bekommen nach einem Konzert. Jemand schrieb mir, er hätte auf dem Konzert gleichzeitig geweint und gelacht. Aber wissen Sie, das größte Kompliment, das mir jemand machen kann, ist: Deine Musik ist eine Art Soundtrack, der mich durch mein Leben begleitet. Mehr geht einfach nicht.


Niels Frevert ist am 26. April im Gloria in Köln. Tickets gibt es zu 34,70 Euro bei koelnticket.de.