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Autofreie SiedlungEin Veedel ohne Motorengeräusche

Lesezeit 3 Minuten

Fröhliches Spiel in der Siedlung: Einige Nachbarskinder bei einer Fußballpartie auf einem kleinen Platz am Bahnwärterweg.

Nippes – Knapp sieben Jahre nach Baustart ist die größte autofreie Siedlung Deutschlands fast fertig: Die letzten vier Häuser in der Straße „Am Alten Stellwerk“ mit insgesamt 64 Wohnungen sind im Rohbau; vor wenigen Tagen war Vertriebsstart. Eine Musterwohnung, Am Alten Stellwerk 36, ist mehrmals pro Woche zu besichtigen. „Das Interesse ist sehr groß“, so Kerstin Sommer, Pressesprecherin für den Investor, die Bouwfonds Immobilienentwicklung, Niederlassung Kontrola Köln. „Wir haben für die Wohnungen unzählige Interessenten und eine lange Vormerkerliste.“ Anfang nächsten Jahres sollen drei Häuser mit je 16 Appartements fertig sein, das vierte im April 2013.

Mit den Neubauten kommen voraussichtlich etwa 150 Neubürger in das rund vier Hektar große Veedel, wo schon jetzt rund 1000 Menschen wohnen. Weil es dort keinen motorisierten Verkehr gibt, können Kinder ungefährdet auf den Straßen und Plätzchen der Siedlung spielen. Doch wo viele eng zusammenleben, ist Rücksicht wichtig: Gelegentlich komme es durch etwas wilde Spiele zu gefährlichen Situationen, so der Bewohner Erwin Bültmann zum „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Manchmal nehmen die spielenden Kinder im Eifer des Gefechts wenig Rücksicht“, merkt der Pensionär an, der seit 2007 Am Alten Stellwerk in der „Stellwerk 60“-Siedlung lebt. „Oft wurden schon Eltern mit Kinderwagen oder Radler durch Bälle abgeschossen.“

Vor seinem Haus diene eine rote Holzhütte, die ein Mülltonnen-Abstellraum sowie Lagerplatz ist, als Fußballtor. Er befürchtet nun, dass die kleinen Konflikte zunehmen, wenn noch mehr Leute ins Viertel ziehen. „Dabei könnten die Kinder auch auf den Spielplatz nördlich der Kita gehen, wo extra Fußballtore aufgestellt sind.“

Mangel an Spielflächen

Für Bewohnerin Kathrin Kaufmann, die mit ihrer Familie am benachbarten Bahnwärterweg lebt, gibt es in der Siedlung einen deutlichen Mangel an Spielflächen. „Und die vorhandenen Plätze sind oft überfüllt, zudem sind viele kleine der Spielareale für etwas ältere Kinder wenig geeignet“, findet sie. Hinzu käme, dass ein Bolzplatz, der sich neben der Halle des ESV Olympia befand, 2010 trotz Anwohner-Protests bebaut wurde – diesen hätte die Siedlung nun sehr gut brauchen können.

Auch Kaufmann kenne zwar Situationen, wo das Spielen und Gokart-Fahren für Passanten nicht ungefährlich gewesen sei. „Wir sehen es jedoch insgesamt nicht so kritisch, und die Kinder sind vernünftig, wenn man sie anspricht“, so die Mutter einer Tochter. Die Bewohner, die sich auch im Bewohner- und Nachbarschaftsverein „Nachbarn 60“ organisiert haben, pflegten im Übrigen ein sehr gutes, harmonisches Zusammenleben – und schauten auch mal nach den Kindern der Nachbarn. Richtig großen Ärger mit Passanten oder Radlern durch spielende Kinder gebe es nie. „Zumal Radfahrer hier eigentlich schieben müssten, da das Viertel eine Fußgängerzone ist – aber im Alltag funktioniert es auch so, da hier niemand mit dem Rad durchrast.“

Spiel- und Sportprogramm

Und immerhin: Um dem latenten Mangel an Raum zum Spielen und Austoben zu begegnen, gibt es seit einiger Zeit zweimal wöchentlich im Park nördlich der Kita ein Spiel- und Sportprogramm für Kinder, veranstaltet durch die Kölner Spielewerkstatt. „Wir unterstützen die Aktion finanziell“, unterstreicht Sommer. Sie sieht die Situation im Veedel recht entspannt. „Die Kinder sind die großen Gewinner der Siedlung, eben weil sie gefahrlos auf den Straßen spielen können“, ist sie überzeugt. Aus diesem Grund habe das autofreie Konzept auch Preise gewonnen, etwa den der Konrad-Adenauer-Stiftung 2007 oder die Auszeichnung als ein Ort der Aktion „Deutschland – Land der Ideen“.