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Fehlende große Räume in VeedelnSollten Kirchengebäude in Köln erhalten bleiben?

Lesezeit 3 Minuten
Debatte zum Kirchen-Erhalt
Pfarrerin Reinhild Widdig, Architekt Jörg Beste, Ex-Stadtkonservatorin Hiltrud Kier, Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert, Ex-NRW-Landtagsvize Oliver Keymis und der frühere Erzdiözesan-Baumeister Martin Struck (v.l.) diskutierten mit den rund 90 Gästen.

Pfarrerin Reinhild Widdig, Architekt Jörg Beste, Ex-Stadtkonservatorin Hiltrud Kier, Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert, Ex-NRW-Landtagsvize Oliver Keymis und der frühere Erzdiözesan-Baumeister Martin Struck (v.l.) diskutierten mit den rund 90 Gästen.

Immer mehr Kirchen verschwinden. Was ließe sich tun, um sie zu erhalten? Hierüber lud Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert zur Debatte ein.

Die Funktion von Kirchenbauten gehe weit über Gottesdienste und Gemeindearbeit hinaus, war sich die Runde einig. Denn sie sind architektonisches Zeugnis, prägen das Ortsbild und seien Bezugspunkt. „Kirchen sind keine Vereinsheime für ihre Mitglieder, sondern sie haben die Aufgabe, sich mit ihrer Umgebung zu vernetzen“, konstatierte der Autor und Architekt Jörg Beste. „Wir sollten uns Gedanken machen, bevor ein Drittel der Standorte abgerissen, verkauft oder privatisiert ist.“

„Auf vielen Veranstaltungen hier, von ‚Bilderstöckchen spricht‘ bis zu Hochzeitsfeiern, wird mir gesagt, dass es solch große Räume im Bilderstöckchen ansonsten nicht gibt – und wie wichtig es ist, dass sie erhalten bleiben“, so die Gastgeberin, Pfarrerin Reinhild Widdig von der evangelischen Nathanael-Gemeinde. Über das Engagement, Kirchen erhalten zu helfen, sei sie daher begeistert.

Große Resonanz auf Einladung zur Debatte

Was ihn an seinem Veedel, in dem er seit zehn Jahren lebe, verwundere, sei der Mangel an Treffpunkten, bestätigte „Bilderstöckchen spricht“-Mitorganisator Christian Weber. „Wir haben sechs Supermärkte und zwei Tankstellen, aber keine einzige schöne Kneipe und keinen Marktplatz.“ Seine seit 2019 veranstaltete „Speakers' Corner“ im Blücherpark weicht bei Regen in die Nathanaelkirche aus.

Was ließe sich gegen den Kirchen-Schwund tun, und wie kann die Gesellschaft beim Erhalt helfen? Unter dem Titel „Kirchenbauten sind Gemeingüter und deshalb …!“ lud die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert in die Nathanaelkirche an der Escher Straße 160 ein. Das Thema traf einen Nerv: Mehr als 90 Gäste kamen. Mit Siebert diskutierten Beste, Widdig, Kunsthistorikerin Hiltrud Kier, Ex-NRW-Landtagsvize Oliver Keymis und der frühere Kölner Erzdiözesan-Baumeister Martin Struck. Kier, Keymis und Beste haben das im Mai veröffentlichte bundesweite Manifest „Kirchen­­­­­­ sind Gemein­­­­güter!“ mitgezeichnet. Ex-Stadtkonservatorin Kier hat zudem eine Heftreihe über jüngere Kölner Kirchen gestartet.

Mehrere Kirchen sind verschwunden – oder gefährdet

Hintergrund ist der Abbruch vieler Kirchen in jüngerer Zeit, auch in Köln – am Beispiel Nippes etwa St. Monika (Bilderstöckchen), die Petrikirche (Niehl), Philipp-Nicolai-Kirche (Mauenheim) und St. Hildegard in der Au (Nippes), die zwar noch steht, aber entwidmet ist; dort sollen Wohnungen entstehen. Auch die Longericher Immanuelkirche könnte zur Disposition stehen.

Immanuelkirche

Immanuelkirche

Gründe für die Gemeinden, Kirchen zu schließen, sind sinkende Mitgliederzahlen und schwach besuchte Gottesdienste, hohe Energie- und Unterhaltskosten, baulicher und energetischer Sanierungsbedarf. Wie Susanne Zimmermann, Pfarrerin der Begegnungsgemeinde Longerich/Mauenheim/Weidenpesch, erläuterte, müssten alle evangelischen Gemeinden bis 2027 einen Gebäude-Bedarfsplan vorlegen. Zudem sollen bis 2035 alle Objekte der Evangelischen Kirche im Rheinland klimaneutral sein – angesichts der Nachkriegs-Bausubstanz keine Kleinigkeit.

Wie Siebert skizzierte, kamen wegen des Stadtteil-Wachstums nach dem Krieg viele Kirchen hinzu; meist sowohl eine katholische und eine evangelische. Daher gebe es so viele Gotteshäuser aus den vergangenen 100 Jahren. „Wir waren selbst überrascht, wie viele es sind“, so Kier. „Für Köln tippten wir zunächst auf etwa 75 – aber es sind 180.“ Anders als ältere Kirchen, mit abgetrenntem Altarraum sowie langen Bankreihen, seien die jüngeren Kirchen flexibler nutzbar, erläuterte Struck. „Ich halte die moderne Architektur als Zeichen unserer Epoche erhaltenswert. Sie hat einen Wert darauf gelegt, einen Raum für alle zu schaffen.“

Ein Konsens der Runde war, dass die Menschen vor Ort Kirchenräume stärker nutzen sollten wie bisher, die Pfarreien sollten auf diese zugehen. Zudem könnte die Stadt die Gemeinden, etwa bei Grundsteuer oder Straßenreinigung, entlasten. Auch ein Kataster der Kirchenbauten könnte beitragen, das Problem in Gänze zu erfassen. Viele Gäste trugen sich in eine Liste ein, um in Kontakt zu bleiben. Ziel ist nun, das Thema in anderen Stadtteilen aufzubringen. „Von Bilderstöckchen soll heute ein Signal ausgehen“, so Siebert. „Damit nicht nur hier etwas passiert, sondern Köln-weit.“

www.moderne-regional.de/kirchenmanifest/