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Edelweißpiraten im Dritten ReichMucki hat genug gekämpft

Lesezeit 3 Minuten

Als kleines Dankeschön verteilte Gertrud „Mucki“ Koch getrocknetes Edelweiß an ihre langjährigen Unterstützer, unter anderem Filos Tseliopoulous (mitte) und Achim Pietzner (r.).

Nippes – „Das ist meine letzte Lesung, danach ist Schluss“, verkündete Gertrud Koch, die alle nur Mucki nennen. In der Kneipe Osters Rudi an der Hartwichstraße ließ die ehemalige Widerstandskämpferin Passagen aus ihrem Buch „Edelweiß“, erschienen in der Reihe „Stille Helden im Dritten Reich“, vortragen. Mit ihren mittlerweile 89 Jahren ist die lebensfrohe Dame fast erblindet und kann die selbstverfassten Zeilen nicht mehr selbst lesen. So übernahm vor rund 50 Zuhörern die Autorin Ute Almoneit den Vortragspart.

„Ich habe immer gesagt, wenn ich 90 werde, höre ich auf“, so Koch. Ihr Kampf gegen das Naziregime habe sie schon in die Verhörkeller der Gestapo und ins Gefängnis geführt; irgendwann sei es dann gut, und andere müssten den Kampf übernehmen. Gertrud Koch wurde 1924 als Tochter eines Kesselschmiedes und einer Apothekerin in Köln geboren. Ihr Vater war Kommunist und starb im Konzentrationslager. Sie selbst schloss sich in den 1940er Jahren den Edelweißpiraten an; die unangepasste Jugendbewegung widersetzte sich der Nazi-Diktatur. Aus dieser Zeit stammt auch ihr Rufname. „Wir kannten nur unsere Spitznamen, damit keiner aus der Gruppe, sollte er von der Gestapo aufgegriffen werden, die anderen verraten konnte“, erläuterte Koch.

In der Zeit des Dritten Reiches erstellte und verteilte sie Flugblätter und schrieb nazikritische Parolen an Hauswände und Eisenbahnwaggons. In der Folge wurde sie verhaftet, in das berüchtigte El-De-Haus verschleppt und dort von der Gestapo verhört und gefoltert. Anschließend kam sie in das Gefängnis in Brauweiler, wo sie unter anderem zwei Monate in Einzelhaft saß. Nur durch ein Versehen wurde sie freigelassen und konnte später mit ihrer Mutter aus Köln fliehen. Bis zum Kriegsende lebte sie versteckt auf einem Bauernhof in Süddeutschland.

Flugblatt-Regen im Hauptbahnhof

Zu den spektakulärsten Aktionen der Kölner Gruppe gehörte ein Flugblatt-Regen aus der Kuppel des Hauptbahnhofs. Genau diese Episode las Ute Almoneit den Besuchern im Osters Rudi vor. Während des Vortrages hörte Gertrud Koch schweigend zu, zuckte nur an manchen Stellen fast unmerklich zusammen, so als durchlebte sie die schlimme Zeit erneut. In den Pausen und nach der Lesung ermahnte sie die Anwesenden, das vergangene Unrecht nicht zu vergessen und der nachwachsenden Generation davon zu berichten. „Die Jugendlichen wissen so wenig über uns Edelweißpiraten, das erlebe ich immer, wieder wenn ich in Schulen eingeladen werde“, beklagte die Seniorin.

Um sich für die Unterstützung ihrer zahlreichen Weggefährten in den zurückliegenden Jahren zu bedanken, verteilte Gertrud Koch kleine Bilderrahmen mit getrocknetem Edelweiß. „Den habe ich selbst gezogen und zwischen Buchrücken gepresst“, sagte Koch. Außer bei Oberbürgermeister Jürgen Roters bedankte sich Gertrud Koch so vor allem auch bei Filos Tseliopoulous und seiner Tochter Sofia. Die beiden kümmern sich seit dem Tod ihres Mannes um die ehemalige Widerstandskämpferin.