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„Hairdresser on fire“Mit Föhn und Bürste auf Zeitreise in Köln-Nippes

Lesezeit 6 Minuten

Susanne Klapper hat ihren Salon im Stil der 1950er und 1960er Jahre eingerichtet.

Nippes – Natürlich kann man einen Friseursalon auch mit weit weniger Aufwand gestalten. Ein paar Waschbecken, Spiegel, Stühle, auf denen Haare geschnitten werden. Und ein paar, auf denen die sitzen, die noch darauf warten, dass ihre Frisur von kundigen Händen in Form gebracht und neu gestylt wird.

Für das rein Funktionale und durchweg Schlichte aber ist Susanne Klapper, Friseurmeisterin im Nippeser Sechzigviertel, nicht gemacht. „Ich verbringe viel Zeit im Laden. Und deshalb mache ich es mir da gerne schön. Schon als ich noch in der Meisterschule saß, war mir klar, dass ich selbst einen Salon haben möchte, und ich wusste früh, dass der so aussehen wird.“

Die alten Pflegeprodukt-Verpackungen in der Vitrine.

Wer einmal bei „Hairdresser on fire“ war – der Salon ist benannt nach einem Songtitel von Morrissey – weiß, dass in „so aussehen“ allerhand rein passt. Man muss ein bisschen Zeit mitbringen und dem Sehsinn ein paar Extrarunden gönnen, um auch nur annähernd zu erfassen, was so alles geboten wird; der Friseursalon ist ein mit Liebe und Leidenschaft eingerichter Spielplatz für die Augen.

Da sind die pastellfarbenen Waschbecken. Da ist die Leuchtreklame über der Ladentheke, die die Handwerksgattung leicht verschnörkelt mit dem rosa-rotfarbenen „Friseur“ strahlend auf den Punkt bringt.

Zeitreise in die 1950er und 1960er Jahre

Da sind die filigranen Frisiertische mit beidseitigem Spiegel, in denen man sich nicht nur selbst sehen kann. Sondern auch Zeiten, die man selbst gar nicht erlebt hat: Die 1950er und 1960er Jahre atmen intensiv und pulsieren heftig bei „Hairdresser on fire“.

Und da sind nicht zuletzt die Vitrinen, in denen jede Menge Sachen parken, die mit Haaren, Frisuren und Verschönerungsmaßnahmen am menschlichen Kopf zu tun haben. Alte Verpackungen von Pflegeprodukten liegen neben Föhnen und Tiegeln; Haarspangen neben Seifen, Haarspraydosen und Deodorants.

In dieser Ecke des Ladens ist „Hairdresser on fire“ eine Zeitreise in eine Konsumwelt, in der Willy Brandt allenfalls ahnte, dass er mal Bundeskanzler werden würde.

Retro-Stühle.

Ein Faible für vergangene Zeiten, insbesondere die 50er und 60er Jahre, hat Susanne Klapper seit Teenagerzeiten. „Ich gehe auf Flohmärkte seit ich 13 bin, ich sammle gern, gucke immer irgendwo nach Sachen aus dieser Zeit und habe sicher auch ein Händchen dafür, das zusammenzustellen.“

Susanne Klapper wollte ihren Salon stimmig einrichten und auf jeden Fall so, dass er sich von anderen Friseurläden unterscheidet – und um ihre Traumeinrichtung irgendwann ganz nah bei sich zu haben, ist sie mitunter weit gefahren. „Vieles habe ich bei Ebay entdeckt, ich habe Möbel aus Duisburg, der Eifel, aus Mannheim und aus Dörfern im Osten abgeholt, und ein Frisiertisch kommt von der dänischen Grenze. Den habe ich allerdings liefern lassen.“

Beim Zusammenstellen der Einrichtung ist Susanne Klapper perfektionistisch bis pingelig, da kommt ihr nichts von Ikea dazwischen. „Es ist mir wichtig, dass alles bis ins kleinste Detail stimmt, auch auf den Toiletten machen die 50er und 60er Jahre keine Pause.

Für mich gibt es nichts Schöneres als alte Dinge. Für mich ist es etwas Besonderes, wenn man für ein paar Stunden in einer anderen Welt ist. Ich glaube, auch viele unserer Kundinnen und Kunden erleben das hier als Ausflug in eine andere Zeit, während sie die Haare geschnitten bekommen.“

Die Kasse.

Auf sympathische Weise ist Susanne Klapper selbstbewusst, forsch und unbedingt geradeaus. Nach ihrer Lehre hat sie die Gesellinnenjahre absolviert, die nötig sind, um zur Meisterschule zu gehen und dann ihr Ziel in die Tat umgesetzt. „Ich hatte immer den Plan, mit 27 selbstständig zu werden, das habe ich geschafft. Ich finde Handwerk toll, ich finde Schreinern gut, und wenn man kochen kann, mag ich das auch. Ja, ich bin mit Leib und Seele Friseurin. Wenn alles gut läuft, mache ich fünf bis zehn Kunden pro Tag glücklich. Weil sie sich beim Rausgehen besser und idealerweise schöner fühlen. Es ist ein dankbarer Beruf, weil man die Freude direkt mitgeteilt bekommt.“

90 Prozent Stammkunden

Im Jahr 2009 hat Susanne Klapper „Hairdresser on fire“ in der Sechzigstaße eröffnet, im vergangenen Jahr hat sie die Straßenseite gewechselt und die Ladenfläche verdoppelt; aktuell sind, inklusive der Chefin, acht Menschen im Sechzigviertel an den Scheren und Föhnen tätig – fünf Friseurmeisterinnen, zwei Gesellinnen und eine Auszubildende.

Rund 90 Prozent sind Stammkunden, und dass sich das Geschäft derart rasant entwickelt hat, hätte Susanne Klapper nie gedacht. „Ich habe alleine angefangen und nach einem Jahr die erste Mitarbeiterin gehabt. Jedes Jahr stelle ich einen weiteren Mitarbeiter ein. Es ging mir nie darum, eine Karriereleiter hochzuklettern, ich wollte mir einfach meinen kleinen Traum verwirklichen. Ich habe Kunden, denen ich die Haare schneide, seit ich 19 bin. Das ist auch ein schöner Aspekt meines Berufs. Es sind Freundschaften, die einen begleiten. Da sind Familien, die man komplett mitbekommt.“

Susanne Klapper ist 34 Jahre alt, und eine Rolle rückwärts dreht sie nicht nur, was die Einrichtung ihres Salons angeht. Sondern auch bei ihrem großen musikalischen Helden: Steven Patrick Morrissey, heute 57 und in den 80er Jahren Sänger der Band The Smiths. Morrissey-Fan ist Susanne Klapper, seit sie das erste Mal gemerkt hat, wie wichtig Musikhören ist. Morrissey und vor allem The Smiths hat sie zu ihrer größten Zeit qua späterer Geburt nicht selbst miterlebt; ihre musikalische Sozialisation fand statt, als Britpop angesagt war, also in den 90ern. Wenn man dann wie sie später mit Morrissey einen Lieblingskünstler habe, der einen Song über einen Friseur geschrieben hat, „ist es klar, wie der eigene Laden heißen soll. Blöde Namen für Friseursalons gibt es wirklich genug. „Hairdresser on fire“ ist ein guter, und ich habe dazu einen Bezug.“

Klar, dass in der Sechzigstraße beim Haareschneiden immer Musik läuft, ausgesucht von der Chefin herself. In erster Linie geht es bei „Hairdresser in fire“ natürlich um die Handwerkskunst des Haareschneidens. Neben der so detailverliebten wie stilvollen Einrichtung spielt Musik aber eine große Nebenrolle. „Ich höre fast nur Indie und viele unbekannte Sachen. Wenn ich beim Besuch eines Festivals eine Band für mich entdecke, die auf Facebook nur 76 Likes hat, spiele ich die hier im Salon. Und wenn dann eine Kundin fragt »Oh, was ist das denn?«, und die kauft sich die Platte, dann denke ich super, ich habe es an Leute gebracht, die das sonst vielleicht nie mitbekommen hätten.“

Die Tiny Fireflies aus Chicago sind so eine Band, die Susanne Klapper ihrer Kundschaft schon ans Herz gelegt hat. Es ist Morrissey, der den „Hairdresser on fire“ besingt. Es ist Susanne Klapper, die als Friseurin in vielerlei Hinsicht „on fire“ ist.

Hairdresser on fire, Sechzigstraße 25, 50733 Köln