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Hitzige Debatte über BestattungskulturFriedhöfe mit Waldsofa und Lehrpfad

Lesezeit 4 Minuten

Die Friedhof-Tour führte auch zu den Gräberfeldern für Babys und „Sternenkinder“, die bei oder vor ihrer Geburt starben.

Weidenpesch/Mauenheim – . Einen recht stürmischen Auftakt gab es für das erste Bürgerbeteiligungs-Projekt auf Nippeser Bezirksgebiet nach dem neuen Kölner Partizipations-Konzept, das derzeit in der Testphase ist: Auf dem Nordfriedhof diskutierte eine Bürgergruppe mit Stadt- und Freiwilligenagentur-Vertretern, ob und inwieweit Friedhöfe als Freizeitfläche, etwa für Sport oder Kultur, nutzbar wären. Dabei gab es viel Kritik zur Sache, aber auch an Art und Weise der Organisation.

Was stand zur Debatte?

Zur Beratung stand das Konzept „Kulturraum Kölner Friedhöfe 2025“. Am 21. März hatte der Ausschuss für Umwelt und Grün – neben der Bezirksvertretung Nippes eines der zwei Test-Gremien für die Beteiligung – beschlossen, die Bürger einzubinden. „Wir wollen hierbei aus verschiedenen Perspektiven sehen, was über Beerdigungen hinaus möglich ist auf Friedhöfen“, erläuterte Diskussionsleiter Dieter Schöffmann von der Kölner Freiwilligen-Agentur (KFA), einem Projektpartner.

Was ist der Hintergrund?

Der Hauptanstoß, über eine neue Nutzung von Friedhöfen nachzudenken, ist die gesunkene Nachfrage nach Liegeplätzen. „Die Bestattungskultur hat sich verändert in den vergangenen 20, 30 Jahren, das zeigt sich auch in anderen Städten“, erläuterte Sascha Haake von der Friedhofsverwaltung. „Früher hatten Urnen-Bestattungen einen Anteil von sieben bis zehn Prozent, heute sind es 60. Wir erarbeiten deshalb einen Weg in die Zukunft, auch was die Finanzierung betrifft.“ Derzeit gibt es 55 Friedhöfe mit 485 Hektar Fläche in Köln – von kleinen, traditionsreichen Friedhöfen in den Ortskernen bis zu großen zentralartigen Anlagen, zu denen auch der Nordfriedhof gehört.

Wer war eingeladen?

Rund 200 Einladungen hatten die Organisatoren im Umfeld des Friedhofs – in Weidenpesch und Mauenheim – eingeworfen. Manche verbreiteten die Einladung privat weiter; so kamen zum ursprünglichen Kreis weitere hinzu. Ein Vorwurf lautete, dass der Termin schlecht kommuniziert worden sei. „Ich habe nur durch Zufall davon erfahren und habe den Eindruck, man scheut die Öffentlichkeit“, warf eine Besucherin ein.

„Ab wann ist es Bürgerbeteiligung, und wann nur ein Feigenblatt?“ „Wir haben eine Zufallsauswahl gemacht; der Termin war nicht allumfassend gedacht“, erwiderte Schöffmann.

Wie verlief die Diskussion?

Hitzig und emotional: Vor allem in der ersten Hälfte der Debatte, vor einer Führung über den Friedhof, war in der Trauerhalle „die Hölle los“. Ein Besucher wandte sich vehement gegen weitere Nutzungen der Friedhöfe, und sah sogar die geschützte Totenruhe in Gefahr. „Als ich ihm vom Termin und den Planungen erzählte, meinte selbst mein 15-jähriger Sohn: Das geht doch wohl gar nicht.“

Bedenken hegte auch die Nippeser Bezirksvertreterin Karola Mennig, im Hauptberuf Bestatterin: „Die Leute haben Angst, dass ihnen ein Raum der Besinnung genommen wird.“ Der Niehler Pastor und Nippeser Dechant Felix Gnatowski betonte, es liege ihm vor allem daran, dass die Friedhöfe bestehen bleiben könnten. „Vor 20 Jahren fragte man sich noch, ob die Friedhofsflächen wohl reichen. Heute bin ich am Erhalt der bestehenden Friedhöfe interessiert.“

Eine andere Besucherin zeigte sich indes offener für weitere Nutzungen. „Ich habe auch mit Nachbarn darüber diskutiert; wir würden es schon begrüßen, die Friedhöfe in würdiger Form nutzungstechnisch zu ergänzen. Ein Lehrpfad oder ein Wald-Sofa zum Genießen der Natur widersprächen nicht ihrer ursprünglichen Idee.“

Die Friedhof-Tour führte auch zu den Gräberfeldern für Babys und „Sternenkinder“, die bei oder vor ihrer Geburt starben.

Was ist das Ergebnis?

Beim überwiegenden Teil der Besucher gab es eine klare Tendenz: Eine wesentlich erweiterte Nutzung von Friedhöfen wünscht man nicht. Bereits bestehende sportliche Nutzungen – wie Radfahren oder gelegentliches Nordic Walking – sind in Ordnung; dagegen lehnt man eine „planmäßige“ Nutzung, etwa durch Gymnastikgruppen oder Sportvereine mit Trainings-Terminen auf dem Friedhof, klar ab.

Positiver steht man „stillen“ Alternativen, wie Teichen, Wildblumenwiesen oder Bienenstöcken auf ungenutzten Parzellen, oder auch einem Naturlehrpfad, gegenüber.

Wie geht es weiter?

Auch in anderen Veedeln haben bereits einige themenbezogene Treffen stattgefunden, zum Beispiel mit Schülergruppen, Senioren, Kirchenvertretern, Künstlern oder Naturschützern. Die aktive Phase des Online-Dialogs zum neuen Konzept für die Kölner Friedhöfe ist dann im Zeitraum vom 12. Juni bis 10. Juli geplant.

Ab Herbst soll schließlich die Analyse der Bürgervorschläge und die Ausarbeitung des Endkonzepts beginnen. Die letztliche Entscheidung liegt jedoch beim Ausschuss für Umwelt und Grün; die Bürger haben nur beratende Funktion. Er soll gegen Jahresende einen Beschluss fassen.

Der Konzeptentwurf für den „Kulturraum Kölner Friedhöfe 2025“ ist im Internet eingestellt.

www.tinyurl.com/friedhoefe2025