„Gaffel im Linkewitz“Russischer Milliardär rettet Veedelskneipe in Köln-Niehl

In einem seit Jahren leerstehenden Restaurant mit Hotelzimmern entsteht das neue Linkewitz.
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Niehl – Die blaue Lokomotive ist als erstes umgezogen. Vorher stand sie am Niehler Damm 171, der früheren Adresse des „Gaffel im Linkewitz“. Bis Ende Mai, als die beliebte Veedelskneipe mit Kulturprogramm nach fünf Jahren schließen musste.
Für immer, so schien es. Denn der Hausbesitzer hatte sich entschlossen, keine Gastronomie mehr zu beherbergen. So ließ er den Pachtvertrag zum 31. Mai auslaufen; Umstimmungs-Versuche seitens des Betreiber-Paares Caroline und Karl-Heinz Köckeritz sowie der Stammgäste liefen ins Leere.
Das „Wunder von Niehl“
Nun aber steht die Lok vier Häuser weiter, am Niehler Damm 179. Hier, in einem seit rund sechs Jahren leerstehenden Objekt – dem früheren „Hotel Niehler Damm“– wird voraussichtlich am Elften im Elften das Linkewitz wiedereröffnen.
Denn was sich einige Wochen nach der Schließung ereignete, könnte als „Wunder von Niehl“ in die Ortschronik eingehen. Auf schier unglaublichen Wegen hat es das Wirtspaar geschafft, den Kauf unter Dach und Fach zu bringen.
„Das leerstehende Lokal gehörte einem russischen Milliardär“, schildert Karl-Heinz Köckeritz. „Wir haben es hingekriegt, an seine Adresse zu kommen, und ihn auf gut Glück angeschrieben.“
Ganz langsam nahm das Projekt Fahrt auf: In langen Gesprächen über Mittelsleute schafften es die Wirtsleute letztlich, ihn zu überzeugen und einem Verkauf zuzustimmen. „Ich dachte, ich würde träumen: Wir haben in einer Düsseldorfer Kanzlei den Vertrag unterschrieben, in unmittelbarer Nähe der Büroräume unserer Ministerpräsidentin. Und eine Baugenehmigung sowie ein Brandschutzgutachten bekamen wir vom Verkäufer dazu, als Geschenk.“
Momentan laufen die Arbeiten im Innenraum der Gaststätte; Freiwillige aus Veedel und Freundeskreis helfen dabei – wie schon vor fünfeinhalb Jahren, vor der Eröffnung des ersten Linkewitz.
Der lange Leerstand ist dem Objekt anzumerken; bei der Sanierung werden Kacheln abgeschlagen, Wände verputzt und Leitungen verlegt. Alle 26 Helfer zeigen vollen Einsatz – unter anderem Dom-Steinmetz Markus Schroer sowie die frühere Hänneschen-Puppenspielerin Inge von der Lohe.
„Wir haben Maurer, Steinmetze und Schreiner in unseren Reihen. Hier legt jeder Hand an; ich würde mir wünschen, dass es immer so gut auf den Baustellen liefe“, so Köckeritz, selbst im Hauptberuf Maurer, Betonbauer und Fliesenleger mit eigenem Betrieb.
Konkrete Sanierungs-Pläne
Geplant ist, den Zustand der Gaststätte von 1959 zu rekonstruieren, als sie ihre großen Zeiten hatte – mit amerikanischen Schiebefenstern und Eichen-Parkettboden. Später sei viel verhunzt worden. Das Wirtspaar freut sich, dass auch sein neuer Laden geschichtsträchtig ist: Während im Altlokal 1811 die erste Gaststätte eröffnete, befand sich an der jetzigen Adresse einmal die Fischhandels-Börse von Niehl. „Die Ursprünge liegen im Jahr 1780; sie schloss, weil nach der Eingemeindung von Niehl die Stadt Köln selbst das Fisch-Handelsrecht ausüben wollte“, so Caroline Köckeritz.
Darüber hinaus sind sowohl Innenraum als auch Terrasse hier wesentlich größer. Weiteres Inventar für draußen erwarb das Team günstig aus der Insolvenzmasse einer Wirtschaft in Mönchengladbach.
Für das künftige Aussehen der Gaststätte gibt es schon konkrete Pläne: Die Terrasse wird mit Terrakotta-Fliesen ausgelegt und entlang der Fassade überdacht – und die Kölschgläser transportierende Mini-Lok, ein Wahrzeichen des alten Linkewitz, bekommt eine Strecke durch den ganzen Laden und den Garten.
In der oberen Etage wird der Hotelbetrieb mit acht Zimmern wieder aufgenommen, die Räume konzipiert Inge von der Lohe nach dem Motto „Kölner Veedel“. Im Keller bezieht der karnevalistische Niehler Dachverband INK eigene Katakomben. „Rückblickend gesehen war es sogar eine glückliche Fügung, dass der Pachtvertrag in den alten Räumen endete“, findet von der Lohe. „Wir freuen uns alle, dass es weitergeht.“
In der Gaststätte hat die Suppenküche zugunsten obdachloser Menschen wieder ihren provisorischen Betrieb aufgenommen, und auch das Team des alten Lokals wird eins zu eins im neuen Laden arbeiten. Anfang September wollen die Helfer ihr Bergfest feiern – dann sollen die Abbruch- und Rohbau-Arbeiten im Laden beendet sein und die Einrichtung des Innenraums beginnen. Geplant ist ein Mini-Weihnachtsmarkt auf der Terrasse, auch Silvester ist fest gebucht; hierfür hat der Boogie-Woogie spielende Klavier-Virtuose Stefan Ulbricht – bekannt aus den „Talk am Niehl“-Episoden im alten Linkewitz – zugesagt.
Auch für 2016 trudeln Anfragen ein. „Wir sehen es jedoch nicht als unsere Aufgabe, hier Geld zu verdienen. Wir verstehen es als Sozialprojekt fürs Veedel – denn wir haben fast alle eigene Jobs im Hauptberuf“, erläutert Köckeritz. Und in Erinnerung an einen kürzlich verstorbenen Stammgast wird sein Porträt – mit Pfeife – auf einem Schlussstein im Kamin verewigt, gestaltet durch Steinmetz Schroer. „Unserem Verkäufer werden wir ebenfalls ein Denkmal setzen – das sind wir ihm schuldig.“