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Neuer NRW-SozialindexMehr als doppelt so viele Kölner Schulen gelten jetzt als sozial besonders belastet

Lesezeit 4 Minuten
Grundschüler sitzen in einer Klasse an ihren Pulten.

Sehr viele Kölner Kinder lernen an Schulen, die mit sozialen und sprachlichen Herausforderungen konfrontiert sind.

Die Schulen mit den höchsten Werten liegen überwiegend auf der rechten Rheinseite. Sie hoffen jetzt auf mehr Personal.

In Köln gelten nach dem neu berechneten sogenannten schulscharfen Sozialindex nun deutlich mehr Schulen als sozial besonders belastet als bisher. Ab dem kommenden Schuljahr werden in Köln 75 der 201 Kölner staatlichen Schulen in der höchsten Belastungsstufe 6 bis 9 eingeordnet. Das sind weit mehr als doppelt so viele wie bisher. Nach dem bisherigen Sozialindex, der noch unter der damaligen Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) aufgelegt worden war, waren es nur 28. Bei der Berechnung des Sozialindex werden vier Kriterien einbezogen: die Kinder- und Jugendarmut im Einzugsgebiet der Schule, der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Familiensprache oder mit Zuzug aus dem Ausland sowie der Anteil Schülerinnen und Schüler mit Lernentwicklungsstörungen.

Die Erhöhung der Zahl in den Indexstufen bedeute nicht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse an den Schulen auch verschlechtert hätten, sagte Schulministerin Dorothee Feller (CDU). Der aktualisierte Sozialindex bilde lediglich die Verhältnisse in Bezug auf die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft jetzt besser ab. Das Ministerium entsprach damit dem Wunsch vieler Schulen und Schulträger, die zuvor kritisiert hatten, dass der alte Index die Herausforderungen nicht ausreichend abbilde. Politisches Ziel ist, die Schulen mit hohem Sozialindex perspektivisch mit mehr Ressourcen auszustatten.

Startchancen-Programm startet für Kölner Schulen im nächsten Schuljahr

NRW ist eines der wenigen Bundesländer, die bei der Auswahl der Schulen, die künftig über das Startchancen-Programm des Bundes gefördert werden sollen, auf einen solchen Sozialindex zurückgreifen kann. Mit dem Startchancen-Programm sollen ab dem Schuljahr 2024/25 Schulen mit besonderen Herausforderungen über zehn Jahre mit jährlich zwei Milliarden Euro gefördert werden. Der Betrag wird je zur Hälfte von Bund und Land aufgebracht.

Ein Blick auf die einzelnen Werte für die Kölner Schulen offenbart deutliche Veränderungen und ein riesiges Gefälle. Wurden im letzten Schulsozialindex in Köln lediglich eine Hauptschule mit dem höchsten Indexwert 9 bewertet, wurden bei dem neuen Sozialindex allein sechs der neun Hauptschulen sowie elf Kölner Grundschulen und eine Gesamtschule mit dem Höchstwert 9 belegt. In der höchsten Belastungsstufe, die bei 6 bis 9 angesetzt wird, fanden sich mit 46 Grundschulen ein Drittel aller Grundschulen, alle Hauptschulen sowie elf Realschulen und fünf Gesamtschulen. Berufsschulen und Förderschulen werden nicht im Sozialindex erfasst.

Fast alle benachteiligten Schulen in Köln liegen auf der rechten Rheinseite

Dabei macht der Sozialindex sehr deutlich, wie ungleich die Armut in Köln auf die beiden Rheinseiten verteilt ist: Von den 20 Schulen, die mit dem höchsten Indexwert 9 belegt wurden, liegen 17 im rechtsrheinischen Köln – vornehmlich in Kalk, Buchheim, Mülheim, Höhenberg/Vingst, Ostheim und Porz. Die einzigen drei linksrheinischen Schulen liegen in Chorweiler und Meschenich. Von den 33 Kölner Gymnasien liegt ein einziges in der höchsten Belastungsstufe: Das Genoveva-Gymnasium in Mülheim mit einem Sozialindex von 7. Zum Vergleich: Gymnasien in Sülz und Rodenkirchen sowie das Apostelgymnasium wurden mit dem Sozialindex 1 bewertet.

„Es ist unsäglich, wie krass die Benachteiligung der Kinder auf der rechten Rheinseite ist. Nur weil die nicht die gleiche politische Lobby haben, wie die Kinder im Linksrheinischen. Und keine Elternschaft, die politisch mobilisiert“, ärgert sich Martin Süsterhenn, Schulleiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Kölns Höhenberg/Vingst. Seine Schule ist die einzige Kölner Gesamtschule, die mit 9 bewertet wurde.

Was das für ihn und sein Kollegium in einer Stadt mit akutem Schulplatzmangel bedeutet, macht er an seinem derzeitigen achten Jahrgang deutlich: Dort sitzen in den sechs Klassen jeweils 27 Kinder – darunter Kinder mit Inklusionsbedarf, etliche mit sozialen Problemen und Konzentrationsproblemen, der überwiegende Teil mit Migrationshintergrund. Nun muss er die 13 Kinder aus den so genannten Vorbereitungsklassen für Geflüchtete, die in der achten Klasse zur Regelklasse dazustoßen, noch in die ohnehin vollen Klassen integrieren. „Wir platzen aus allen Nähten.“

Die Idee mit dem neu erstellten Sozialindex findet er gut, weil der realistischer sei. „Aber wir haben überhaupt keine Auskunft, was daraus jetzt für uns konkret erwächst und wann wir auf der Grundlage personell besser ausgestattet werden.“ Das Schulministerium erklärte auf Anfrage, dass man im nächsten Schuljahr „schrittweise und mit Augenmaß“ bei der Verteilung der Stellen erste Konsequenzen aus dem neuen Sozialindex ziehen werde. Schulleiter Süsterhenn dauert das alles zu lange: „Schulen wie unsere brauchen Unterstützung. Schnell.“