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Totentanz mit Spider-ManWarum das Kölner Odysseum gescheitert ist – Letzte Ausstellung gestartet

Lesezeit 7 Minuten
Die Superhelden der Marvel-Comics bevölkern das „Odysseum“ in Kalk. Retten können sie es nicht mehr.

Letzter Auftritt: Die Superhelden der Marvel-Comics bevölkern das „Odysseum“ in Kalk. Retten können sie es nicht mehr. 

Im „Odysseum“ hat die letzte Ausstellung eröffnet. Das „Zukunftsmuseum“ hat keine Zukunft mehr. 

Captain America, Spider-Man oder Black Widow werden das Kölner „Odysseum“ nicht mehr retten können. Das Aus für das einst mit so großen Zielen gestartete „Cologne Science Center“ ist besiegelt. Wenn am 22. Juni die neue, sehenswerte Ausstellung über die Geschichte der Marvel-Superhelden schließt, findet auch die Odyssee eines ehrgeizigen Projekts ein Ende, das viele fasziniert hat.

Die bunte Truppe mit verschiedenen Superkräften kommt zu spät. Mit ein bisschen Geld aus dem Vermögen von „Iron Man“ hätte es klappen können. Vielleicht hätte Thor irgendwann mal im Rathaus mit seinem Hammer auf den Tisch hauen müssen, um kleinkarierte Debatten zu beenden. Ein bisschen vom Weitblick eines Doktor Strange hätte über parteipolitische Ränkespiele hinweghelfen können.

Schule statt Ausstellungen

Dass die Geschichte des „Odysseums“ ausgerechnet mit einer eindrucksvollen Präsentation der Marvel-Superhelden endet, passt wie Hulks Faust aufs Auge. Dabei ist von der Idee, die sich Anfang des Jahrtausends mit der Gründung des „Zukunftsmuseums“ verband, schon seit längerem nicht mehr viel übriggeblieben. Seit Jahren schlägt sich die Betreiberfirma „Explorado Group“ mit temporären Ausstellungen durch, die möglichst viele Besucherinnen und Besucher anlocken sollen. Dinos und Schlümpfe mussten helfen.

Nach Harry Potter und Ramses sind nun Black Panther, Daredevil und Deadpool eingezogen. Wenn die Ausstellung im Sommer weiterziehen wird, beginnen in Kalk die Umbauarbeiten. Explorado hatte sich selbst bei der Stadt in Spiel gebracht, weil diese händeringend nach Immobilien für neue Schulen sucht. 2028 soll eine neue Gesamtschule einziehen.

Nach dem Umbau für wahrscheinlich 160 Millionen Euro wird sich Explorado endgültig verabschieden. Zuständig sind dann ein schwedisches und ein österreichisches Immobilienunternehmen. Die Stadt wird das Gebäude mieten – für rund 9 Millionen Euro pro Jahr. Inklusive Nebenkosten werden bis zum Ende der 25-jährigen Vertragslaufzeit fast 250 Millionen Euro zu zahlen sein.

Stadtrat verweigerte Unterstützung

Diese Finanzkonstruktion lässt manchen stauen, genau wie die Höhe der Summen, die da trotz klammer städtischer Haushaltslage für eine nur vierzügige Schule zu zahlen sind. Die akute Schulplatznot zwingt zu schmerzhaften Kompromissen. Wenn es um das „Odysseum“ als außerschulischen Lernort ging, war die Stadt weniger kompromissbereit. Stadtrat und Verwaltung blieben all die Jahre bei dem Entschluss, der dem „Science Center“ schon den Start erschwert hatte.

Es gab nie eine politische Mehrheit für ein städtisches Engagement. CDU, Grüne und FDP wollten nicht. Die Begeisterung der Stifter, mit der es nach der Weltausstellung Expo im Jahr 2000 in Hannover losging, fand im Rathaus nicht den Widerhall, den sich die Betreiber und Ideengeber des „Odysseums“ erhofft hatten.

Das Wahrzeichen des „Odysseums“: Die riesige Weltkugel war zuvor bei der Expo in Hannover gezeigt worden.

Das Wahrzeichen des „Odysseums“: Die riesige Weltkugel war zuvor bei der Expo in Hannover gezeigt worden.

Am Anfang stand ein großzügiges Geschenk der Kölner Stadtsparkasse. Anlässlich ihres 175. Geburtstags gründete sie eine Stiftung und kaufte als erstes Exponat eine große Weltkugel, die zuvor auf der Expo gezeigt wurde. Vielleicht war das im Rückblick die spannendste Zeit des „Cologne Science Center“, für das man zunächst noch keinen besseren Namen gefunden hatte. Es gab einen ambitionierten und sehr konkreten Vorschlag für einen optimalen Standort: Das Haus hätte direkt am Zoo gebaut werden können und in ein ganzheitliches Konzept mit Tierpark und Botanischem Garten integriert werden können.

Debatten über die Zukunft der Welt, über wissenschaftliche Perspektiven oder neue technische Möglichkeiten der Menschheit hätten sich verbunden mit den Themen „Lebenswelten für Pflanzen und Tiere“ sowie „Umwelt und Natur“. Von einem Planetarium auf dem Dach war die Rede, genau wie von einer neuen Station für die Rheinseilbahn, die man bis zum gemeinsamen Eingangsbereich von Zoo und „Odysseum“ verlängern wollte. Köln hätte etwas Großartiges schaffen können.

Odysseum: Wenig Gegenliebe für großzügiges Geschenk

Dass dies nicht gelang, lag auch an der kommunalpolitischen Gemengelage: Nach 43 Jahren mit SPD-Oberbürgermeistern an der Spitze der Stadt hatte 1999 die sozialdemokratische Dominanz in Köln ein jähes Ende gefunden. Nach einer Aktienaffäre war der SPD ihr Spitzenkandidat abhandengekommen. Die CDU fuhr ein fulminantes Kommunalwahlergebnis ein. Danach brach sie zusammen mit der FDP und dann mit den Grünen alle Verbindungen zur SPD ab, mit der sie Jahrzehnte lang regiert hatte.

Zum engen Netzwerk, das die Geschicke der Stadt zuvor geprägt hatte, gehörte auch die Spitze der Stadtsparkasse, die sich damals noch als zentraler Player der Stadtentwicklungspolitik verstand. Das mag erklären, warum man sich bei der CDU und ihren neuen Partnern so schwer mit dem großzügigen Geschenk der Sparkasse tat. Die neuen Strippenzieher setzen noch einen drauf: Den ungeliebten, von der SPD gestellten Schuldezernenten Andreas Henseler wurde man elegant los, in dem man die geschwächte Sparkasse dazu brachte, ihn zum Geschäftsführer des Odysseums zu machen.

Hinzu kam der Standort, der schließlich mangels Alternativen übrigblieb: Das „Odysseum“ baute sein Haus nicht in zentraler Lage, sondern in einem Gewerbegebiet in Kalk. Die zuvor kalkulierte Investitionssumme wurde mehr als halbiert. Den unattraktiven Ort und das deutlich verkleinerte Gebäude redete man sich schön, indem man von einem Baukastensystem schwärmte. Das Haus sollte wachsen können. Aus der vollmundigen Ankündigung, 1,5 Millionen Besucherinnen und Besuchern pro Jahr anlocken zu können, wurden realistischere 300.000. Aber auch diese Zahl wurde nur selten erreicht.

Experimente in der Themenwelt „Cyberspace“ im „Odysseum “im Jahr 2009.

Am wissenschaftlichen und didaktischen Anspruch änderten die verschlechterten Rahmenbedingungen zur Eröffnung im April 2009 noch nichts: Es sollte darum gehen, Spaß und Interesse für Naturwissenschaften, Zukunftsthemen und Technik zu wecken. Das ist den Betreibern in den ersten Jahren trotz der vielen Hindernissen durchaus gelungen. Allerdings blieb die Zielgruppe begrenzt.

Wer ein außerschulischer Lernort für alle sein will, darf von Kindern und Jugendlichen keine hohen Eintrittspreise verlangen. Auf zwei Millionen Euro belief sich der Betriebskostenzuschuss der Sparkasse. Das war stets zu wenig, erst recht, wenn man mit dem, was man zeigen will, immer am Puls der Zeit sein wollte. Als 2019 dann auch der Sparkasse und ihrer Stiftung „Wissen“ das Geld ausging, hatte das alte Konzept keine Chance mehr. Es gab niemanden, der einsprang.

Berlin zeigt, was in Köln nicht gelang

Wie man ein „Zukunftsmuseum“ betreiben kann, ist in Berlin zu besichtigen. Das „Futurium“ ist ein großer Erfolg. Das ist allerdings nur möglich, weil hier der Betriebskostenzuschuss zehnmal so hoch ist, wie er in den ersten Jahren des „Odysseums“ in Köln war. Die Berliner können sich auf Steuermitteln der Bundesregierung verlassen. Außerdem gelang es, eine breite Kooperation zu organisieren. Mehrere Stiftungen, Forschungsinstitute wie die Max-Planck-Gesellschaft, Akademien und Unternehmen machen mit.

Andreas Waschk, CEO der Explorado Group GmbH bei der Eröffnung der letzten Ausstellung im Odysseum.

„Jammerschade“ findet Andreas Waschk im Rückblick, welche Entwicklung das „Odysseum“ genommen hat. Waschk ist der Chef der Betreiberfirma und von Anfang an dabei. Dass das „Odysseum“ scheiterte, liegt nicht an ihm und seinen Leuten. Explorado hat viel probiert. Sogar die schöne Seilbahnidee hat Waschk weiterverfolgt, wie er am Rande der Eröffnung der Marvel-Ausstellung erstmals verriet.D

Die Seilbahn bis nach Kalk scheiterte

Es habe konkrete Pläne gegeben, die Rheinseilbahn bis nach Kalk zu verlängern. Da er nun noch für den Umbau des Hauses verantwortlich ist, hält er sich mit öffentlicher Kritik an der Stadt zurück. Man könne Köln nicht mit Berlin vergleichen, weil das „Futurium“ vom Bundesministerium für Bildung mitgetragen werde, so Waschk. Köln sei nicht der einzige Standort, wo die Idee des „Science Center“ in die Knie gegangen sei.

Er sieht ein strukturelles Problem als wichtige Ursache: Im föderalen System der Bundesrepublik ließe sich keine harmonische Verbindung zwischen staatlichen Schulen und außerschulischen Lernorten organisieren. Lehrer hätten das „Odysseum“ für Klassenausflüge ausgewählt. Dabei habe man doch eigentlich immer ein Partner für den naturwissenschaftlichen Unterricht sein wollen, ein Ort für Experimente und den Schulstoff bereichernde Erfahrungen.

Weltkugel verschrottet

Auch andere Zielsetzungen aus der Gründungszeit konnten nicht umgesetzt werden. Das „Odysseum“ wollte den „Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft“ fördern und ein Schaufenster der regionalen Forschungs- und Wissenschaftslandschaft sein. Doch es fehlte an interessierten Bündnispartnern.

Er habe den Eindruck, dass das Geschenk, das die Sparkasse zum Start gemacht hatte, nie wirklich in der Stadt angekommen ist, sagt Waschk, während sich die als Loki und „Lady Deadpool“ verkleideten Cosplayer bei der Eröffnung der letzten Ausstellung als Fotomotiv anbieten. Bleibt die Frage, was aus der großen Expo-Weltkugel – dem Gründungswahrzeichen des „Odysseums“ – geworden ist. Auch die war von keinem Superhelden mehr zu retten. Die Kugel ist bereits vor einiger Zeit verschrottet worden – und kaum einer hat es bemerkt.