OldtimerNicht schnell, aber äußerst charmant
Natürlich gibt es modernere und komfortablere Formen des mobilen Wohnens. Aber dabei bleibt der Charme meistens auf der Strecke. Deshalb haben sich Michael Klimczak und seine Frau einen Renault Estafette ausgesucht. Der einst in Frankreich weit verbreitete Kleintransporter ist ausgestattet mit Küche, Bett, Schränken und hohen Sympathiewerten – ein zuverlässiger Urlaubsbegleiter mit Garantie für nette Bekanntschaften. Der Kenner sagt übrigens: die Estafette. Denn auch in Frankreich ist Estafette (zu Deutsch: Der Bote) weiblich.
Deshalb habe ich sie:
Michael Klimczak: Meine Frau wollte ein kleines Wohnmobil mit Charme. Da die aktuellen Modelle zu teuer waren, viel zu viel Plastik haben und auch oft zu breit sind für schmale französische Straßen, haben wir uns für ein altes Wohnmobil entschieden. Nach einer Internetrecherche kamen ein alter VW-Bulli, ein Hanomag und die Estafette in die engere Auswahl. Es wurde am Ende die Estafette, weil sie sehr günstig war und von den Innenmaßen äußerst praktisch ist. Zum Beispiel stört hier kein Motorkasten wie beim Bulli.
Das kann sie:
Klimczak: Wenn ich bei aufgeklappter Hecktür bei einem Glas Rotwein den Sommer genieße, komme ich regelmäßig mit den Leuten ins Gespräch. Obwohl dieser Typ in Deutschland sehr selten verkauft wurde, gibt es genug Leute, die ihn noch von früher kennen. Vielleicht auch aus den Louis de Funès-Filmen, wo es mal eine Szene gab, in der vielleicht 30 Polizisten aus einer Estafette aussteigen. In Frankreich kennen die Älteren die Estafette noch alle, weil sie ein Bestseller war. Sie war simpel in der Technik und vom Platzangebot großzügiger als der Konkurrent Citroën HY.
Das kann sie nicht:
Klimczak: Wir werden niemals die Alpen überqueren können. Ich würde mich vielleicht trauen, hoch zu fahren, aber nicht herunter. Man muss die alte Technik und vor allem die Trommelbremsen ja nicht überstrapazieren. Auf Autobahnen wird der Motor zur Belastung für die Ohren, weshalb wir hauptsächlich bei maximal 80 Sachen über Landstraßen fahren.
Das haben wir für sie getan:
Klimczak: Wir haben den Wagen vor vier Jahren aus Holland importiert. Die größte Herausforderung war, ihn anschließend durch den deutschen Tüv zu bekommen. Hier sind die Vorgaben eben strenger als in Holland. Aber wir sind zum Glück auf wohlwollende Tüv-Prüfer gestoßen, die uns – mit gewissen Auflagen – grünes Licht gegeben haben. Die Karosserie neigt allerdings zur Selbstzerstörung durch Rost, aber die Technik ist robust und wartungsfrei. Größere Überraschungen gab es nicht.
Das haben wir erlebt:
Klimczak: Meine Frau und ich sind vor zwei Jahren mit der Estafette an die französische Mittelmeerküste gefahren, natürlich über ebene Landstraßen. Die Hinfahrt hat allein eine Woche gedauert, man kommt einfach nicht schneller ans Ziel. Bei so einem Wagen ist aber sowieso der Weg das Ziel. Es macht einfach Spaß, damit über die Dörfer zu zuckeln und hier und da einen Halt einzulegen. Auch dabei haben die Leute begeistert reagiert. Ein Spanier, ein alter Handwerker, geriet regelrecht in Euphorie beim Anblick des Wohnmobils. Er hatte früher eine Estafette als Werkstattwagen, den Rest seiner Geschichten haben wir leider nicht verstanden.
Das haben wir vor:
Klimczak: Der Wagen dient uns als Vorlage für die zweite Estafette, Baujahr 1969, die wir uns zugelegt haben. Dieser Wagen ist karosseriemäßig viel besser in Schuss und soll so ausgebaut werden wie die andere Estafette. Die muss in absehbarer Zeit grundlegend restauriert werden, sonst wird es beim Tüv dann doch noch richtig eng.
Aufgezeichnet von Tobias Christ