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Orange Day 2022Diese Statistiken zu Gewalt gegen Frauen sollten Sie kennen

Lesezeit 4 Minuten
Mehr als 80 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind weiblich.

Mehr als 80 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind weiblich.

Wie oft werden Frauen in Nordrhein-Westfalen Opfer von Gewalt? Was erleben sie? Und wer sind die Täter? Zusammen mit dem Landeskriminalamt haben wir uns die Zahlen genauer angeschaut.

Was glauben Sie, wie viele Frauen werden in ihrem Leben Opfer von Gewalt? Untersuchungen zeigen: Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen. Das ist das Ergebnis einer sogenannten Dunkelfeldstudie des Bundesfamilienministeriums.

Zu Gewalt kann es überall kommen; unabhängig von Nationalität, Religion, Alter, Herkunft, Bildung oder ökonomischem Hintergrund kann jede Frau und auch jedes Mädchen in Deutschland betroffen sein.

Und wie sieht die Lage in Nordrhein-Westfalen aus? Werfen wir zunächst einen Blick auf die Zahlen zu Partnerschaftsgewalt. Von Partnerschaftsgewalt ist die Rede, wenn Opfer und Tatverdächtiger in einer partnerschaftlichen Beziehung stehen oder standen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Personen in einer Ehe, in einer eingetragenen Partnerschaft leben oder einfach anderweitig eine intime Beziehung zueinander haben. Ebenso ist es unbedeutend, welche sexuelle Orientierung vorliegt. Auch der Tatort ist irrelevant. Häufigster Tatort ist nach Angaben des NRW-Landeskriminalamts (LKA) jedoch die eigene Wohnung.

Mehr als 80 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind weiblich

Schon auf den ersten Blick wirkt die nordrhein-westfälische Statistik ziemlich ernüchternd: Seit Jahren bewegen sich die Zahlen der Menschen, die in ihrer Partnerschaft Gewalt erleben, auf demselben Niveau. Seit Beginn der gesonderten Erfassung im Jahr 2017 registrieren die Beamten Jahr für Jahr knapp mehr als 37.000 Betroffene. Der Großteil davon sind Frauen.

Immerhin, ein leichter Rückgang in den Gesamtzahlen ist zu erkennen – rund 1,2 Prozent innerhalb von vier Jahren. Können wir daraus Rückschlüsse ziehen?

Özlem Öztürk ist Kriminaloberkommissarin im Sachgebiet „Kriminalprävention und Opferschutz“ beim nordrhein-westfälischen LKA. Sie erklärt, warum die Statistik nur bedingt aussagekräftig ist: „Die Polizeiliche Kriminalstatistik bildet nur die Straftaten ab, die der Polizei gemeldet werden. Zeitgleich ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, denn partnerschaftliche Gewalt wird leider häufig nicht zur Anzeige gebracht.“ Grund dafür seien beispielsweise Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Opfer und Täter, Schamgefühl oder Schuldzuweisungen.

Partnerschaftsgewalt in NRW: Experten vermuten hohe Dunkelziffer

Wie groß die Dunkelziffer bei der Partnerschaftsgewalt in NRW ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Studien deuten Öztürk zufolge jedoch auf einen großen Anteil an Übergriffen hin, die nie bekannt werden. Die sogenannte Anzeigequote kann darüber Aufschluss geben, also der Anteil der Gewaltdelikte, der zur Anzeige gebracht wird. Einige Untersuchungen vermuten eine Anzeigequote von lediglich 0,6 bis 16,7 Prozent, andere gehen von 0,4 bis 42,7 Prozent aus. Selbst im besten Falle würde demnach weniger als jedes zweite Gewaltdelikt in einer Partnerschaft angezeigt. „Es kommt auch auf die Form der Gewalt an“, erklärt Öztürk. So würde leichte körperliche und psychische Gewalt nur sehr selten beziehungsweise sehr spät angezeigt.

Die meisten Anzeigen, die das Landeskriminalamt in Zusammenhang mit Partnerschaftsgewalt dokumentiert, umfassen Körperverletzungen sowie Bedrohung. Über alle Delikttypen hinweg liegt der Anteil betroffener Frauen deutlich über dem der Männer. Im Durchschnitt sind in mehr als 80 Prozent aller Fälle Frauen das Opfer. Woran liegt das?

„Den einen Grund dafür gibt es nicht“, erklärt Özlem Öztürk. „Es handelt sich hierbei um ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren auf verschiedenen Ebenen.“ Dazu zählen gesellschaftliche, gemeinschaftliche sowie soziale Faktoren. „Starre Rollenbilder, Stereotypen von Männlichkeit und Weiblichkeit, fehlende Gleichstellung von Frau und Mann, kulturelle Hintergründe, Toleranz und Banalisierung von Gewalt in einer Paarbeziehung, soziale Isolation, fehlende soziale Unterstützung, Dominanz- und Kontrollverhalten – das sind alles kleine Bausteine, die im Zusammenspiel eine große Wirkung haben und dazu führen, dass die Opfer eher weiblich sind.“

Gewalt gegen Frauen und Mädchen tritt besonders in engen Beziehungen auf

Nicht nur in Partnerschaften werden Frauen zu Opfern von Gewalt. Auch in familiären, freundschaftlichen oder sonstigen Beziehungen erleben Mädchen und Frauen Übergriffe. Überspitzt lässt sich sagen: Je enger die Beziehung, desto größer die Gefahr für Frauen, Opfer von Gewalt zu werden. Das belegt die nordrhein-westfälische Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2021: Zwar werden Männer statistisch gesehen häufiger Opfer einer Straftat. Ist die Beziehung zwischen Opfer und Tatverdächtigem jedoch besonders eng (Partnerschaft, nahe Familienangehörige oder enge Freundschaft), übersteigt die Anzahl der weiblichen Opfer aber die der männlichen.