Gesperrte Terrassen, TeilschließungenPersonalnot trifft bekannte Kölner Lokale hart
- Während der Pandemie hat die Kölner Gastronomie jeden fünften Mitarbeiter verloren.
- Die Auswirkungen sind jetzt deutlich zu spüren. Selbst Traditionshäuser wie das Café Reichard am Dom müssen das Platzangebot einschränken.
- Wir haben uns umgehört, welche Notprogramme die Kölner Gastronomen fahren.
Köln – Es ist bestes Wetter, es sind Ferien und es sind wieder Touristen in der Stadt. Am Dom drängen sich die Reisegruppen – und welcher Platz wäre schöner für einen ausgeruhten Blick auf die Kathedrale als die Terrasse des Traditionshauses Café Reichard. Freier Blick auf das wichtigste Gebäude der Stadt.
Doch ausgerechnet der vordere Bereich der Terrasse bleibt leer. Er ist mit einem Seil abgesperrt. Immer wieder bildet sich eine kleine Schlange vor dem Eingang. Mit einem Schild auch auf Englisch werden die Wartenden freundlich darauf hingewiesen, dass ihnen einer der begehrten Rest-Plätze zugewiesen wird: „Please wait to be seated.“
Café Reichard hat 20 Angestellte verloren
„Wir müssen leider seit Wochen einen Teil der Terrasse sperren, weil wir einfach nicht genug Personal haben“, sagt Heinz-Josef Betz, seit 38 Jahren Inhaber des Cafés. In der Pandemie seien viele Mitarbeiter abgewandert. Einst waren es 70, jetzt nur noch 50. „Entlassen haben wir niemanden.“ Neue Angestellte zu finden, sei derzeit so gut wie unmöglich.
Dabei habe man hier ein „wunderbares Gesamtpaket“, sagt Betz. Eine schöne Location, nette Kollegen und gute Arbeitszeiten – um 20 Uhr ist Schluss. Und die Gäste, die hier einen Sitzplatz bekommen, sind in der Regel gut gelaunt. Betz kalkuliert die Arbeitseinsätze nun so: In der Woche wird gespart, damit die Terrasse wenigstens am Wochenende ganz geöffnet werden kann.
Fake-Reservierungen am Wallrafplatz
Auch Rodney Ranz, Betreiber des Restaurants „Funkhaus“ am Wallrafplatz, fehlt Personal. „Mindestens zwei Festangestellte und viele Aushilfen.“ Seine Notlösung: Je nach Lage werden Tische „wegreserviert“ – das heißt, sie werden mit einem Reservierungsschild versehen, obwohl sie nicht reserviert sind. „Wenn man zu wenige Leute hat, dann kann man nur Flächen reduzieren, damit man den Standard halten und die Erwartungen der Gäste erfüllen kann.“ Außerdem dürfe man auch die Mitarbeiter, die noch da sind, nicht über Gebühr belasten. „Das ist eine fürchterliche Situation, denn ausgerechnet jetzt haben wir sehr viel zu tun.“
Prämien für Bewerber im Rheinauhafen
Gastronom Rudolf von Borries hat sich für das gehobene Restaurant „Joseph’s“ im Rheinauhafen etwas Besonderes einfallen lassen. Auf den Stellenangeboten, die dort ausgehängt sind, wird sogar eine Einstiegsprämie geboten. Hat das Erfolg? „Jein“, sagt er. Denn es gebe einfach kaum Bewerber. „Wir haben einen sehr guten Ruf, aber selbst für uns ist es schwer, Leitungspositionen zu besetzen.“
Man habe bei den Servicekräften die Ansprüche schon etwas runtergeschraubt. „Wir sind froh, wenn wir Leute finden, die zwei Teller tragen können. Einen in der rechten und einen in der linken Hand“, sagt von Borries halb ironisch. Und es reiche auch schon, wenn die Bewerber sich auf Englisch verständigen könnten.
„Joseph’s“ muss am Sonntagmittag schließen
Das „Joseph’s“ hat wegen des Personalmangels jetzt mittwochs geschlossen. Und der wegen der vielen Spaziergänger eigentlich lukrative Mittagsbetrieb am Sonntag wurde gestrichen. „Eine zweite Schicht am Sonntag ist nicht drin.“ Von Borries überlegt sogar, ob er noch an einem weiteren Tag in der Woche den Laden zumacht.
Ganz geschlossen war in den vergangenen schönen Wochen ein weiteres Kölner Sommer-Highlight: die Rheinterrassen mit Blick auf das Stadt-Panorama. „Wir haben unseren Biergarten seit einigen Wochen aufgrund des Personalmangels bedauerlicherweise schließen müssen, wir konnten lediglich unseren Beach Club tageweise öffnen“, so Köln-Congress-Sprecherin Franca Wenzl. Sie kann aber ankündigen, dass ab diesem Mittwoch wieder mittwochs bis sonntags geöffnet wird – bei schönem Wetter.
Vom Personalmangel sind auch einige Neueröffnungen betroffen. Weil vorab nicht genug Personal akquiriert werden konnte, starten manche Lokale mit eingeschränkten Öffnungszeiten, so auch das „St. Louis Café“ an der Deutzer Freiheit. „Wir haben aktuell Montag und Dienstag Ruhetag“, sagt Geschäftsführer Sascha Bayer.
Aus seinem größeren Lokal „St. Louis Breakfast“ an der Zülpicher Straße hat Bayer zwar einige Leute nach Deutz mitgenommen. „Für den Ansturm ist das aber zu wenig. Sobald wir neue Leute gefunden haben, weiten wir die Öffnungszeiten aus. Bis dahin bleibt es so. Ich möchte die Angestellten auch nicht verheizen“, so Bayer.
Hoffnung auf Studenten
Was sich alle Gastronomen nicht erklären können: Wo sind all die Mitarbeiter geblieben? Und warum kommt niemand zurück? Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat jede fünfte Person im Kölner Gastgewerbe die Branche im ersten Corona-Jahr verlassen – das waren rund 7400 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte. Viele wechselten in den Einzelhandel, vor allem wegen der besseren Arbeitszeiten und teilweise besserer Bezahlung.
Rodney Ranz setzt die Hoffnungen nun auf den Beginn des Wintersemesters. Dann sind wieder Studenten in der Stadt, die Jobs annehmen könnten. Damit sich die Terrassen wieder füllen.