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Cold Case in Köln-Ehrenfeld 1987Diese Indizien sprechen gegen den Verdächtigen

Lesezeit 4 Minuten
Fahndungsplakat

Mit diesem Plakat fahndete die Kölner Kripo 1987 nach dem Täter.

Köln – Überrascht habe der 56 Jahre alte Mann reagiert, als die Mordkommission diese Woche in Vingst bei ihm klingelte. Die Beamten zeigten dem Kölner einen Haftbefehl wegen eines Verbrechens, das mehr als 35 Jahre zurückliegt – und nahmen ihn fest. „Ich kann mich nicht erinnern, ich habe nichts damit zu tun“, habe der Mann sinngemäß geäußert, berichtet Markus Weber von der Mordkommission der Kölner Polizei.

Köln: 56-jähriger Verdächtiger könnte nach Jugendstrafrecht verurteilt werden

Doch die Staatsanwaltschaft wirft dem Kölner einen versuchten Raubmord in Ehrenfeld vor, der sich im Mai 1987 ereignet hat. Die Beweislage scheint erdrückend zu sein, ein Richter schickte den 56-Jährigen in Untersuchungshaft. Im äußersten Falle droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Möglich ist aber auch, dass er milder davon kommt, eventuell sogar nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, erläutert Oberstaatsanwalt Bastian Blaut. Denn zum Tatzeitpunkt war der Mann 20 Jahre alt. Bis zum 21. Lebensjahr kann nach Jugendstrafrecht verurteilt werden – je nach geistigem Entwicklungsstand des Beschuldigten. Darüber müssen nun Gutachter entscheiden.

Der 56-Jährige soll einen damals 50 Jahre alten Mann in dessen Wohnung auf der Subbelrather Straße lebensgefährlich verletzt und ihm mehrere hundert D-Mark geraubt haben. Das Opfer überlebte die Tat, starb aber 2013. Von den Folgen der Schläge gegen den Kopf habe er sich körperlich nie ganz erholt, berichtet Weber.

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Köln: Opfer lag blutüberströmt in der Wohnung

Nachbarn hatten den 50-jährigen, arbeitslosen Anstreicher Klaus-Dieter M. an einem Montagmorgen Ende Mai 1987 schwer verletzt und blutüberströmt in seiner Wohnung gefunden. Den Ermittlungen zufolge war er niedergeschlagen worden. Zeugen hatten zwar damals schon gesehen, dass das Opfer am Abend mit einem jungen Mann nach Hause gekommen war, es gab sogar eine ziemlich detaillierte Beschreibung des unbekannten Begleiters. Die Polizei überprüfte daraufhin 25 Männer, die dem Phantombild ähnelten. Aber der mutmaßliche Täter war nicht darunter.

Das Opfer hatte die Tat zwar überlebt, war aber so schwer verletzt worden, dass es sich später nicht mehr konkret an den Abend erinnerte und somit nicht zur Klärung des Falls beitragen konnte.

Mordwaffe

Die mutmaßliche Tatwaffe war ein Pokal, der dem Opfer gehörte.

Mehr als drei Jahrzehnte fehlte eine heiße Spur zum Täter – bis sogenannte Cold-Case-Ermittler des NRW-Landeskriminalamts (LKA) sich die alte Ermittlungsakte vor einigen Monaten noch einmal vornahmen. Sie regten an, die damalige Tatwaffe, einen Pokal, mit neuen Methoden auf mögliche DNA-Spuren des Täters zu untersuchen. Das gelang, und mehr noch: Beim Abgleich mit der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts (BKA) ergab sich ein Treffer, das Genmaterial passte zu dem 56-Jährigen aus Vingst. Seine DNA war wegen eines anderen, früheren Verbrechens in der Datenbank gespeichert.

DNA und weitere Indizien belasten den Beschuldigten

Weitere Indizien belasten den Mann schwer. So soll er 1987 ähnlich ausgesehen haben wie der Gesuchte auf dem Phantombild. Außerdem trage er den Spitznamen „Jimmy“ – so habe sich auch der Begleiter des Opfers damals genannt, hatten Zeugen bei der Polizei ausgesagt. In den Jahren nach der Tat in Ehrenfeld soll der 56-Jährige mehrfach wegen kleinerer Delikte straffällig geworden sein, heißt es. Die Tat, deretwegen er eine DNA-Probe abgeben musste, sei inzwischen so lange her, dass sie aus dem Strafregister gelöscht sei und er keine Auskunft mehr darüber geben dürfe, sagte Oberstaatsanwalt Blaut. Für Speichelproben dagegen existierten in solchen Fällen keine Löschungsfristen – sie bleiben in der Datenbank des BKA.

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Seit Februar bearbeiten fünf Beamtinnen und Beamte bei der Kölner Mordkommission unter der Leitung von Markus Weber alte, ungelöste Kapitalverbrechen, sogenannte Cold Cases. Insgesamt knapp 200 Fälle. Ein Team beim LKA, das aus knapp 30 pensionierten Ermittlern besteht, die aus dem Ruhestand zurückgeholt wurden, überprüft landesweit Cold Cases auf neue Ermittlungsansätze und bespricht die weitere Vorgehensweise mit den Behörden vor Ort. Der Fall aus Ehrenfeld ist der erste dieser 200 Kölner Fälle, der nun gelöst werden konnte – und der dritte in ganz NRW. Das sei „ein sehr schöner Erfolg“, freut sich Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel. „So lange ein Funke Hoffnung besteht, ist Aufgeben für uns keine Option.“

Die Verpflichtung „pensionierter Spürnasen“ zahle sich aus, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Damit löse die Polizei ihr Versprechen ein, „bei ungeklärten Morden nicht zu ruhen, bis alle Ermittlungsansätze ausgeschöpft sind“. Das sei man den Opfern und Hinterbliebenen schuldig.