Inklusion an der PestalozzischuleBehinderung wird ein Stück Normalität

Kinder und Lehrer von Förder- und Realschule fühlen sich in den neuen Räumen wohl.
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Wahnheide – Hell und freundlich wirkt der neue Anbau der Pestalozzischule. Nach rund anderthalb Jahren Bauzeit wurden die neuen Räume stolz von Schulleiterin Marietta Wischmeyer in Betrieb genommen. Der neue Klassenraum, das Foyer, ein zusätzlicher Therapieraum sowie eine Teeküche und neue Toilettenanlagen sind dringend nötig geworden, um die 140 Schüler der Förderschule für geistige Entwicklung optimal zu fördern. Die neuen Räumlichkeiten kommen auch der Kooperation der Pestalozzischule mit den umliegenden Regelschulen zugute: Die Schüler der Grundschule Neue Heide kommen schon seit über 20 Jahren zu den Förderschülern, um gemeinsam einige Stunden unterrichtet zu werden, etwa in Musik. Neu ist, dass seit knapp zwei Jahren auch Schüler der Otto-Lilienthal-Realschule in die Pestalozzischule kommen.
Regelmäßiger gemeinsamer Unterricht
Wer von den Acht- und Neuntklässlern das Hauptfach „Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpädagogik“ gewählt hat, geht einmal in der Woche in eine Klasse der Förderschule. Dort wird mit den geistig und teils körperlich behinderten Schülern gemeinsam gelernt, gespielt und geredet – über ganz „normale“ Dinge. „Wir haben im Moment das Thema Sealife“, berichtet die 14-jährige Peggy. „Wir sprechen über das Leben im Meer, über Fische und allgemein die Bewohner in der See.“ Andere Klassen behandeln in dieser Projektphase andere aktuelle Themen, wie zum Beispiel das „Alter“. „Es ist toll, zusammen mit den Schülern der Pestalozzischule zu arbeiten“, so Peggy, die begeistert ist von der Zusammenarbeit der Schulen. „Am Anfang hatten wir alle ein ganz anderes Bild von den Behinderten. Wir haben aber gemerkt, dass sie nicht anders sind. Sie haben eben nur eine Behinderung.“
Wie sich das Inklusionsgesetz des Landes NRW auf die Schulen in Porz auswirkt, soll die Verwaltung nach einem Antrag der FDP-Fraktion darlegen. Dabei soll unter anderem geklärt werden, welche personellen Konsequenzen das Gesetz hat, und ob die Gebäude auf die erhöhten Schülerzahlen auslegt sind.
Ab kommendem Schuljahr tritt das Inklusionsgesetz in Kraft, nach dem behinderte Kinder das Recht haben, auf eine Regelschule zu gehen und dort gemeinsam mit nicht-behinderten Schülern unterrichtet zu werden.
Für die Schulen bedeutet das unter anderem einen höheren Kostenaufwand für mehr Personal. So sollte beispielsweise immer ein Sonderpädagoge gemeinsam mit einer normalen Lehrkraft den Unterricht gestalten. Zudem müssen die Schülerzahlen nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auf maximal 15 Schüler pro Klasse reduziert werden. (stö)
Dass der Umgang mit behinderten Menschen für die Realschüler selbstverständlich geworden ist, freut nicht nur Marietta Wischmeyer, sondern auch Hildegard Schmidt, die die Realschüler in Sozialwissenschaften unterrichtet. „Normalität ist eingetreten“, so Schmidt. „Es ist egal, ob dort ein behindertes Kind sitzt oder ein nicht-behindertes. Es ist nichts Besonderes mehr für die Schüler, und das ist wichtig.“
Bis zum kommenden Schuljahr werden die Klassen sieben bis zehn Kurse in Sozialwissenschaften absolvieren und die Pestalozzischule besuchen. Als die Förderschule und die Realschule sich vor einigen Jahren für die Kooperation entschieden, war beiden Schulformen der Austausch zwischen den Schülern wichtig. „Wir wollten die Normalität in unsere Schule holen“, sagt Johanna Kanschat, stellvertretende Schulleiterin der Pestalozzischule. „Wir wollten zeigen, was wir hier machen und wie wir unterrichten.“
Natürlich sei das Projekt mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Und am Anfang habe es auch einige Unsicherheiten und Bedenken gegeben. „Keiner wusste, wie sich die Kooperation entwickeln würde und was uns erwartet“, so Kanschat, die nun aber mit Freude bestätigen kann: „Es hat sich definitiv gelohnt.“ Die Regelschule müsse eben nur offen für etwas Neues sein, sowie das passende Fächerangebot haben.
Realschullehrerin Hildegard Schmidt ist froh, dass ihre Schüler an dem Projekt mitmachen. „Es ist oft sehr bewegend, wie die Schüler miteinander umgehen“, so Schmidt. Klischees würden abgebaut und die Realschüler könnten ihr Wissen weitergeben – nur in vereinfachter Form.
Für Peggy und ihre Freundinnen Melina und Lejla ist der Besuch bei den Förderschülern aber vor allem eine soziale Bereicherung. „Viele unserer Mitschüler beschimpfen sich mit dem Wort »behindert«. Wir sagen das nicht mehr, weil wir das mittlerweile anders sehen und darauf achten, wie Behinderte in der Gesellschaft gesehen werden“, sagt Lejla überzeugt. Für sie, ebenso wie für Peggy und Melina ist klar, dass sie nach der Schule beruflich etwas im sozialen Bereich machen wollen.