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Klassiker macht auch nach 200 Jahren noch Spaß

Lesezeit 4 Minuten

Wahn – Eine bedrohte junge Liebe, eine zanksüchtige Schwiegermutter in spe und ein Richter, der seine Stellung schamlos ausnutzt und letztlich zu Fall kommt. Das sind drei so gute Zutaten für eine Komödie, dass Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ auch gut 200 Jahre nach seiner Entstehung noch zu den bekanntesten deutschen Werken dieses Genres gehört. Die Wahner Spielleute haben sich des unterhaltsamen und zeitlos aktuellen Stoffs mit großer Liebe zum Detail angenommen und das Stück so modernisiert, dass bei den Zuschauern jedwede Erinnerungen an quälende Schulstunden mit just diesem zerbrochenen Krug rasch in Vergessenheit geraten.

Das erfahrene Spielleute-Team hat den Text fast komplett umgeschrieben und in eine aktuelle Sprache übersetzt. Das ging zulasten des Kleist’schen Versmaßes; die originalen Blankverse finden sich nur noch eingestreut. Doch hatten die Zuschauer bei diesem modernisierten Text keine Verständnisprobleme und konnten sich mühelos ins Leben auf einem kleinen niederländischen Dorf am ende des 18. Jahrhunderts hineinversetzen.

Dort hat Dorfrichter Adam seine eigene Art von Rechtsprechung eingeführt, die mit Recht und Gesetz wenig zu tun hat. Sein Intrigenspiel bringt beinahe die geplante Hochzeit von Eve und Ruprecht zum Platzen, sein Ungeschick zerstört den prachtvollen Krug von Eves Mutter Marthe. Sein Lügengespinst zerreißt aber am Ende und mit Schreiber Licht als Nachfolger im Richteramt bricht – vielleicht – eine neue Ära an.

Im Haus des Richters (samt holländischem Kachelofen, Richtertisch und Bett-Verschlag kunstvoll nachgebildet vom einem ideenreichen sechsköpfigen Bühnenbauteam) agierten die Darsteller mit Spielfreude und sehr gutem Timing. Ein wirksamer Regieeinfall war die Anweisung an die Spieler, zu einem lebenden Bild zu erstarren, sobald einer der Agierenden mit einem Monolog an die Rampe tritt. Diese Monologe, die in Kleists Vorlage so nicht vorkommen, geben jedem Darsteller die Möglichkeit, sich persönlich ans Publikum zu wenden. So werden die Zuschauer selbst zu Zeugen der Gerichtsverhandlung. Auch ein Urteil konnte sich am Ende gewiss jeder Theatergast bilden.

Die Rollen waren ausnahmslos trefflich besetzt. Christian Belgrath als Dorfrichter Adam, der sich für jede Vorstellungin der Maske eine Glatze verpassen lassen muss, gab den verschlagenen Richter, der nach unten tritt und vor der Obrigkeit buckelt, dabei mit einer köstlichen Mischung aus Selbstzufriedenheit und der Furcht vor Entdeckung. Schreiber Licht (Martin Fander) und Gerichtsrat Walter (Jörg Schniering) zeigten als Verfechter des „wahren“ Rechts immer wieder, wie verteufelt nah Gut und Böse in der Juristerei beieinanderliegen. Die reizenden Verlobten Eve (Laura Wilmsen) und Ruprecht (Alexander Bosenko) füllten ihre Rollen charmant mit dem Überschwang und zugleich der Unsicherheit junger Liebe. Andrea Kröfges als Eves Muter Marthe brachte mit raumgreifender Dominanz die Rechthaberei der Klägerin auf die Bühne. Rüdiger Stroh als Veit Tümpel, Ruprechts Vater, ließ sich höchst glaubwürdig von der Matrone niederwalzen.

Die reizenden jungen Mägde Grete (Marta Mattes) und Liese (Zina Ngazi) zankten und vertrugen sich ganz allerliebst. Mit den Zeuginnen Birgitta und Brigitte (Michaela Michels und Regina Wilmsen) kam eine Person mehr als von Kleist erdacht ins Spiel. Das streitlustige Schwesternpaar setzte zusätzliche komödiantische Akzentre. Und schließlich betrat sogar Spielleiter Thomas Mattes in einer kleinen Bedienstetentrolle die Bühne.

Was die Zuschauer kaum bemerken, weil’s so perfekt funktioniert, ist die aufwändige Theatertechnik. Maske und Frisuren, Licht und Ton, Musik, Kostüme, Requisite und Ausstattung sind höchst professionell. Dafür spendete das Premierenpublikum auch den Aktiven hinter der Bühne großen Applaus. Seit 1982 habendie Spielleute in fast jedem Jahr etwas auf die Bühne gebracht, Klassisches wie das Kleist-Lustspiel war eine besondere Herausforderung.

Den größten Beifall bekamen aber verdient Christian Belgrath und Andrea Kröfges, die auch bei den unsympathischen Aspekten ihrer Rollen so viel Menschliches, allzu Menschliches auszudrücken wussten.

Weitere Vorstellungen sind am 8., 9., 15., 16. ,22., 23. und 29. Juni, samstags um 19 Uhr und sonntags um 18 Uhr, im Pfarrheim Aegidium, Heidestraße.

www.wahnerspielleute.de