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Schnupperkurs auf dem RheinEin Tag beim Ruderclub Germania in Köln Poll

Lesezeit 5 Minuten
Zur Ruhe rudern

Fünf Mann in einem Boot. Vier am Ruder, einer steuert

Köln Poll – Von Land sieht alles easy aus. Ein Boot, zwei Ruder, Holzbretter, auf denen fünf Sitze an Schienen befestigt sind. Auf die soll ich auf keinen Fall treten beim Einstieg, weil sie sehr dünn sind und leicht brechen können, erklären mir meine Lehrmeister Horst, Klaus, Sven und Gerd. „Auf Wasser“, wie sie sagen, verhält es sich wie am Berg: Man duzt sich. Allesamt sind sie sehr sportliche Herren.

Bei jedem Handgriff spannen sich ihre Sehnen und Muskeln unter der gebräunten Haut. Und dass sie zur Dienstags-Seniorengruppe vom Ruderclub Germania gehören, merkt man ausschließlich daran, dass der Älteste unter ihnen, Klaus Hanstein mit 82 Jahren, als Referenz „vor oder nach dem Krieg“ heranzieht, wenn er sich daran zu erinnern versucht, wann etwa die Boote gemischt besetzt wurden – also mit Frauen und Männern. Es war nach dem Krieg.

Zur Ruhe rudern 2

Das Boot wird zum Wasser getragen

An der steinigen Buhne vor dem Clubhaus plätschern sanfte Wellen, der Himmel ist eher mittelgrau als blau, die Temperatur mehr kühl als warm, aber „der Wasserstand bei 3,50 Meter perfekt“, sagt Horst. Es herrscht wenig Betrieb kurz nach zehn Uhr auf dem Rhein, keine großen Lastenschiffe, kein Ausflugsverkehr der KD, nur Motorbötchen, die wie kleine Hunde einen riesigen Wirbel verursachen. Plötzlich schlägt doch das Wasser über die Steine.

Horst hat das Kommando

Wie jeden Dienstag lässt die Mannschaft das Boot von einem Rollwagen vorsichtig ins Wasser gleiten. Es sind beeindruckend routinierte Handgriffe. Zum Schluss verstauen die Herren Schuhe, Rucksäcke und Gummistiefel, „um später trockenen Fußes an Land zu kommen“, sagt Sven, mit 57 Jahren der mit Abstand der Jüngste in der Gruppe . Sie reichen mir eine Rettungsweste und bestimmen Horst zum Steuermann am heutigen Vormittag: Horst hat das Kommando.

Als letzten Akt an Land weist er mich in eine mir bislang unbekannte Farbenlehre ein: Grün steht für Steuerbord, Rot für Backbord, die Farben markieren die Ruder. Vertraute Richtungen wie Links und Rechts haben beim Rudersport einfach mal keine Bedeutung.

Da ich keine nautische Erfahrung habe und meine Ambitionen am Wassersport sich bislang auf Schnorcheln im Mittelmeer konzentriert haben, steigt die Nervosität. Ich habe noch nie in einem solchen Boot gesessen – und dann gleich auf dem Rhein? Zum Ausprobieren hätte doch ein Schwimmbecken à la Regattabahn in Fühlingen ausgereicht. Was ist, wenn wir kentern? Findet mich ein Containerschiff auf dem Weg nach Rotterdam? Nun, es ist zu spät für solche Überlegungen. Es wird schon schief gehen.

Von Kribbe zu Kribbe

Der Einstieg ist wackelig, natürlich trete ich auf das verbotene Holzbrett, es bricht zum Glück nicht. Kaum sitze ich, weiß ich nicht mehr, ob Grün nun Steuerbord war oder doch eher Rot, denn die ganze Konzentration erfordern die schweren Ruder: Nicht loslassen, auf gar keinen Fall loslassen, nicht loslassen, wiederhole ich als Mantra. Dabei ist noch gar nichts passiert.

Die restliche Mannschaft ist noch mit dem Einstieg beschäftigt, wechselt Schuhe, zupft die Schwimmwesten zurecht, und ich versuche weiter die Ruder so zu halten, dass das glatte Holz nicht durch die Halterung rutscht: Es wäre zu peinlich, wenn jetzt eines, womöglich beide baden gingen.

Das passiert zum Glück nicht. Vis à vis von mir nimmt Horst Platz, was sehr beruhigend ist, weil er sich als äußerst geduldiger Lehrer erweist und über eine mentale Ausstattung verfügt, die nicht so leicht zu erschüttern ist. Die übrigen Drei sitzen in meinem Rücken und Horst ist der Einzige, der in Fahrtrichtung sitzt. Für das Team ist das selbstverständlich, mich irritiert das, das ist wie ein Friseurbesuch in einem Salon ohne Spiegel – Vertrauenssache.

„Du machst erst mal gar nichts“

Aber Horst erstes Kommando klingt im Prinzip beruhigend: „Du machst erst mal gar nichts“, und ergänzt: „Wir steuern die nächste Kribbe an, dann üben wir das Skullen.“ Kribbe? Skullen? In Ruderdeutsch heißt Kribbe nichts anderes als die nächste Buhne, und Skullen bedeutet: rudern.

Er empfiehlt, besonders auf die Daumen zu achten, damit sie in der Bewegung unter dem Gewicht des schweren Holzes nicht aneinander knallen. (Was sie natürlich tun, aber der Schmerz ist auszuhalten und in der halben Stunde passiert es etwa 15 Mal.) Unser Ziel heißt Wiesenhaus, das liegt etwa 1,5 Kilometer vom Clubhaus der Germania Richtung Süden. Die ersten Züge sind abenteuerlich.

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Horst gibt Kommandos: Steuerbord, Backbord, Beine anwinkeln, Beine strecken, Ruder nach hinten ziehen, oberhalb des Wasserspiegels, Skull nach vorne bringen, im Wasser, aber höchstens zehn Zentimeter unter dem Wasserspiegel, damit ich nicht im Grund stochere, den richtigen Winkel für die Ruderblätter finden, damit sich das Boot fortbewegt – und nicht stehen bleibt. Und das alles im Rhythmus meiner Begleiter. Das ist nicht einfach, erfordert eine hohe Koordination, um aus einzelnen Bewegungen einen geschmeidigen Ablauf zu erlangen.

Meditation auf dem Wasser

Der erste Kilometer ist herb, doch dann, die Südbrücke in Sicht, entsteht eine meditative Ruhe. Das Boot gleitet, schaukelt angenehm, Beine und Arme finden den Rhythmus, der Ablauf wird flüssiger. Und je weniger der Kopf denkt, desto mehr arbeiten die Muskeln. So könnte es weiter gehen, aber dann erscheint schon das Wiesenhaus zur Rechten, am gegenüberliegenden Ufer liegt die Rodenkirchener Kapelle.

Wir kommen ganz nah ans Ufer, da ich keine Gummistiefel dabei habe, fliegen die Turnschuhe in hohem Bogen an Land, ich stakse barfuß über die Steine im Fluss – und die Herren rudern weiter. Etwas zügiger natürlich. Aber meine Feuerprobe habe ich bestanden, lobt Horst zum Abschied. Ich brachte das Boot nicht zum Kentern und im nächsten Sommer melde ich mich zum Schnupperkurs an. Für mehr Meditation auf dem Wasser.