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Tomaten, Tomaten – rund um die Welt

Lesezeit 4 Minuten

Ensen-Westhoven – Ihre Schüler bekamen für die Sommer immer eine Hausaufgabe : Bringt Tomatensamen mit, lautete der Auftrag von Biologie-Lehrerin Adelheid Coirazza. Als Schulgarten-Beauftragte an der Lise-Meitner-Gesamtschule hatte sie sich vorgenommen, Mädchen und Jungen fürs Gärtnern zu begeistern – und ihnen die Erträge zukommen zu lassen. Das klappte prima. Die Jugendlichen zogen zu Beginn des Projektes vor 25 Jahren kleine Gemüsepflanzen heran, mit deren Verkauf an Eltern sie dann die Klassenkasse aufbesserten.

Schnell stellte sich heraus, dass Tomaten, und zwar möglichst rare Sorten, das größte Interesse fanden. Und so ermunterte die Pädagogin ihre aus vielen Ländern stammenden Schüler, beim Familienurlaub Saatgut von den Tomaten mitzubringen, die in Litauen oder Rumänien, in Italien, Peru oder Tunesien gezogen wurden.

Auf dieser Sammlung von „Familien-Tomaten“ basiert die beachtliche Saatgut-Bank, die Coirazza seither aufgebaut hat. Im Ruhestand tauscht sie sich mit Tomaten-Liebhabern von allen Kontinenten aus und hat allein 500 Wildtomaten-Sorten dokumentiert und in ihrem Bestand. Bis zu 50 Sorten bietet sie im Frühjahr als Jungpflanzen auf Pflanzenmärkten zwischen Bonn und Essen an. Und zwei Dutzend alte, wilde oder durch Aussehen und Geschmack besondere Tomatensorten aus Adelheid Coirazzas Sammlung sind in der Alexianer Klostergärtnerei zu haben.

Seit gut 15 Jahren bietet die Gärtnerei der Tomaten-Fachfrau Platz in Pflanztunneln, wo sie die raren Sorten vermehren kann. Im Gegenzug nutzt die Gärtnerei einen Teil des Saatguts, um besondere Pflänzchen für den eigenen Verkauf heranzuziehen. Das sind Sorten wie das schon im Jahr 1750 erwähnte „Gelbe Birnchen“, unkomplizierte Wildtomaten wie die indonesische Sorte Bajawa oder Neuzüchtungen wie „Antho weiß“, eine Tomate mit interessantem Muster und hohem Anthocyan-Gehalt, was der Krebsvorbeugung dienen soll. Sogar „politische“ Tomaten sind dabei: Aus Übersee re-importierte Adelheid Coirazza eine ursprünglich in Italien beheimatete, saftige Sorte, die „Granny Throws“ heißt – angeblich eine Aufforderung an resolute Großmütter, Silvio Berlusconi damit zu bewerfen. Die Zusammenarbeit mit der Klostergärtnerei entstand in einem Jahr, als der Schulverkauf von Tomatenpflänzchen nicht wie erwartet lief und die Lehrerin den Gärtenereileiter Marco Büttgenbach bat, die Schüler auf dem Parkplatz ihre Pflänzchen anbieten zu lassen. „Das Projekt mit so vielen Tomaten und ihren spannenden Geschichten fand ich toll, die Pflänzchen waren damals aber nicht so stark“, erinnert sich Büttgenbach. Deshalb habe er dem Schulprojekt eine Kooperation mit Nutzung der professionellen Gewächshäuser angeboten. „Unsere Tomatenpäpstin“, wie Büttgenbach Adelheid Coirazza respektvoll nennt, arbeitet seit ihrer Pensionierung bei der Tomatenkultur mit Alexianer-Patienten – und beide Seiten profitieren.

Die Expertin hat mittlerweile zwei Bücher zu ihrem Spezialgebiet verfasst, steht in Kontakt mit Züchtern und Saatgut-Bewahrern weltweit und engagiert sich im „Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt“. Daneben nimmt sie sich aber auch noch Zeit, Tomaten aus dem eigenen Garten schmackhaft zuzubereiten. Auch dafür sammelt sie Ideen. Unter anderem hat ihr Neffe Mario, der Koch im Vatikan ist, für das erste Buch ein Tomatencreme-Rezept beigesteuert.

Wenn Adelheid Coirazza im Gewächshaus der Alexianer über „ihre“ Tomaten spricht, wirkt die Begeisterung ansteckend und Kunden bitten sie um Tipps. „Für Gartenanfänger sind Tomaten unbedingt zu empfehlen, sogar wenn nur ein Balkon zur Verfügung steht“, sagt sie. „Gerade die Wildtomaten sind ganz unkompliziert und bringen kleine, aber dafür Hunderte Früchte“.

Marco Büttgenbach

Adelheid Coirazza

TIPPS FÜR TOMATEN-GÄRTNER

Adelheid Coirazza empfiehlt, die in Töpfchen kultivierten Tomaten zu Hause tief in die Erde zu geben. Wenn sie bis über die Keimblätter mit Erde bedeckt sind, bilden sie stabile Wurzeln.

Werden die Tomaten in vorgedüngte Pflanzerde gesetzt, brauchen sie zunächst keinen weiteren Dünger. Um gute Frucht zu bringen, sollte stickstoffbetonter Dünger vermieden werden. Statt dessen rät die Expertin zu Kalium-Düngung.

Das Ausgeizen, also das konsequente Abzwacken von Trieben, empfiehlt sie eher zu beschränken – bei Wildtomaten könne es ganz entfallen.

Was das Gießen betrifft, tun viele Hobbygärtner eher zu viel. Coirazza hält es mit dem österreichischen Paradeiser-Kaiser Erich Stekovics, der sagt: Tomaten im Freiland erst gießen, wenn Blätter, die sich abends eingerollt haben, morgens nicht mehr die Kraft zum Ausrollen haben. (bl)