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ProtestSex-Geschäfte im Mehrfamilienhaus

Lesezeit 3 Minuten

Viele Familien mit Kindern leben in dem Mehrfamilienhaus am Sachsenring.

In einem Mehrfamilienhaus in der Südstadt kann man seit neustem „Verwegenes genießen“. Ein „Massagesalon“ wirbt im Internet mit Vereinigungsritualen, „erlösenden Liebesstellungen“ und „chinesischen Schlittenfahrten“. Dort, wo man sich „lachend von Tantratuch und Höschen trennt“ und einmal im Monat zu „Liebesfesten“ einlädt, leben Familien mit Kindern in einer bislang netten Hausgemeinschaft. Nun sorgt die Neuvermietung der Gewerberäume im Erdgeschoss für Empörung und Ärger.

Prostitution ist grundsätzlich erlaubt. Bordelle sind normale Gewerbebetriebe, unterliegen noch nicht einmal den Regulierungen für Vergnügungsstätten. Nur bei der Straßenprostitution gibt es ordnungspolitische Regulierungsmöglichkeiten über die Sperrbezirksverordnung. So ist der Umgang mit sexuellen Dienstleistungen in Häusern lediglich eine Frage für das Bauaufsichtsamt. Hier gibt es Abwägungsmöglichkeiten, aber klare Kriterien, wann was erlaubt wird und wann nicht, kann die Stadt auf Anfrage nicht nennen. Der Fall am Sachsenring werde noch geprüft. Man müsse sich jeden Einzelfall genau ansehen. Restriktive Maßnahmen durchzusetzen sei indessen schwierig. (fra)

„Wir wollen kein Bordell im Haus“, sagt eine Mieterin. Man habe Angst vor dem, was da möglicherweise nun komme. Auf rund 200 Quadratmetern könnten jede Menge Freier bedient werden, zumal fast rund um die Uhr geöffnet ist, befürchtet ein Mieter. „Leute auf der Suche nach Sex streichen ums Haus, Kinder und Jugendliche müssen an Freiern vorbei. Das ist eine Zumutung“, meint ein anderer. Die Mietergemeinschaft ist sauer auf den Eigentümer des Hauses, aber auch auf Stadt und Politik. „Es kann doch nicht sein, dass man da nichts gegen unternehmen kann.“ Im Umfeld des Gebäudes befinden sich vier Schulen.

Ganz normales Gewerbe

Was ist zumutbar, was nicht? In dem Haus am Sachsenring wird aus der Theorie eine ganz praktische Erfahrung. Bundesweit wird zurzeit über die Folgen der Legalisierung der Prostitution gestritten. Wenn sie wirklich ein ganz normales Gewerbe sein soll, muss man sie auch in einem Mehrfamilienhaus erlauben. So ist die Rechtslage. Ob das aber klug und richtig ist, bezweifeln die Mieter. Spannend ist die Frage auch deshalb, weil hier durchaus klassisches, grün-affines Südstadtmilieu zu Hause ist. „Vielleicht kann man als moderner Mensch mit so was besser umgehen, als ein erzkonservativer Moralapostel“, sagt ein Bewohner. Aber unerwünscht seien die neuen Nachbarn doch.

Wahrscheinlich ist die Partei, die zurzeit am vehementesten die völlige Legalisierung der Prostitution in den bundesweiten Debatten verteidigt, diejenige, die im Haus die meisten gewählt haben. Doch jetzt, wo man die Folgen direkt vor der Wohnungstür spürt, gibt es deutliche Kritik an der Position der Grünen. „Das ist politisch nicht durchdacht. So was gehört nicht in ein Haus, in dem Kinder wohnen“, meint eine Mieterin. „Die Gewerbefreiheit steht im Gegensatz zum Grundrecht, wie die Unversehrbarkeit von Kindern und Jugendlichen garantiert werden kann“, sagt ihr Nachbar, und eine andere Mieterin meint: „Ich will niemanden angreifen, der sich prostituiert. Aber hier kommt mir das zu nah. Vielleicht habe ich die falsche Partei gewählt.“

Die Bitte dieser Zeitung um eine Stellungnahme vom Hausbesitzer und der Betreiberin des Salons blieb genauso unbeantwortet, wie ein Brief der Mieter an den Oberbürgermeister und den Stadtdirektor, die man schon vor der Eröffnung um Unterstützung gebeten hatte